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Aydan Özoğuz
SPD
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Frage von Bodo G. •

Frage an Aydan Özoğuz von Bodo G. bezüglich Verbraucherschutz

Ich würde gern wissen, wie Ihre Partei zum neuen Rundfunkbeitrag steht.
Ich selbst habe bewusst keinen Fernseher, höre nur selten Radio,
und muss trotzdem den vollen Beitrag bezahlen.
Zudem lese ich gerade, das man die Vergütung der ÖR-Indendanten gerade
erhöht hat.
Ich denke ausserdem, das der ÖR durch die Entwicklung des Internets
zur Information der Menschen nicht mehr in dem Maße notwendig ist
wie in früheren Zeiten, sehe also die Berechtigung für die neue
"Zwangsgebühr" nicht.
Ja, wie steht Ihre Partei zum neuen Rundfunkbeitrag?

M.f.G.
B.Goldmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Goldmann,

vielen Dank für Ihre Frage zu den Rundfunkgebühren und der Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Rundfunkgebühren ebenso wie die Qualität und Auswahl der Inhalte in den öffentlich-rechtlichen Programmen sind seit jeher ein Streitthema - auch vor der Reform waren sie nicht unumstritten. Die grundsätzliche Frage bleibt auch weiterhin: Soll der öffentliche Rundfunk durch die Gemeinschaft finanziert werden? Und braucht es ein entsprechendes Angebot? Natürlich gefällt auch mir nicht jede Sendung, dennoch möchte Ihnen darlegen, warum ich grundsätzlich persönlich beide Fragen mit „Ja“ beantworte:

Auf den neuen Rundfunkbeitrag, der ab dem 1. Januar 2013 das bisherige Gebührensystem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgelöst hat, hatten sich zuvor alle Bundesländer in einem Staatsvertrag verständigt, da Rundfunkangelegenheiten Ländersache sind.
Statt der bisherigen gerätebezogenen Abgabe (etwa für Fernseher, Radio, Autoradio) gibt es nun einen pauschalen Beitrag je Haushalt oder Betriebsstätte. Dieser ist bei Haushalten im Regelfall identisch mit dem bisherigen Beitrag von 17,98 Euro. Für die allermeisten Menschen in Deutschland ändert sich also nichts. Durch den neuen Rundfunkbeitrag soll einerseits die langfristige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichergestellt werden. Gleichzeitig geht es aber auch darum, die öffentliche Akzeptanz zu erhöhen, indem oftmals kritisierte Gerätekontrollen entfallen und ein System etabliert wird, das von allen solidarisch getragen wird.

Positiv ist zu bewerten, dass der Besitz von Empfangsgeräten nicht mehr von der GEZ überprüft werden muss. Viele Menschen haben diese bisherigen Kontrollen in ihrer Wohnung als unangenehm empfunden. Einige haben sich durch Falschangaben oder Verweigerung der Überprüfung aus der finanziellen Verantwortung gezogen. Gegen das „Schwarzsehen“ hat die GEZ aufwändige öffentliche Kampagnen durchgeführt. Wenn nun alle Wohnungen und Betriebsstätten einen Beitrag entrichten müssen, wird das Gebührensystem einfacher. Mittelfristig werden Kosten gespart, da Geräteerfassung, und Kontrollen entfallen. Zudem lassen sich in Zeiten von Computern, Smartphones und Tablets kaum noch einzelne Empfangsgeräte definieren: Es lässt sich nicht nachvollziehen, ob und in welchem Umfang auf solchen Geräten die Angebote abgerufen werden und deshalb das heimische Fernsehgerät entfällt. Somit ist es zeitgemäß, wenn nicht einzelne Geräte, sondern ganz allgemein die Möglichkeiten zum Empfang mit einer Abgabe belegt werden. Ebenso entfällt die Klärung komplizierter Eigentums- und Nutzungsverhältnisse, etwa in Wohngemeinschaften, nichtehelichen Lebensgemeinschaften oder Familien mit erwachsenen Kindern.
Das neue System ist unter dem Strich gerechter. Unabhängiger und hochwertiger Rundfunk für unterschiedliche Bedürfnisse und Vorlieben funktioniert nur als Solidargemeinschaft, an der sich alle beteiligen. Auch die Wirtschaft bleibt dabei einbezogen, wobei große Unternehmen mit vielen Angestellten einen höheren Beitrag als kleine zahlen.

Kritik haben vor allem die Veränderungen bei den Befreiungsregelungen erfahren. In der Tat war es früher eher leichter, sich von den GEZ-Gebühren befreien zu lassen. Dennoch bleibt eine Reihe von Befreiungs- oder Ermäßigungsmöglichkeiten bestehen: Für hochgradig schwerbehinderte Menschen mit dem Ausweiskennzeichen RF ist eine Reduzierung des Beitrags auf ein Drittel vorgesehen. Taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe bleiben natürlich weiterhin befreit. Für die SPD war es zudem bei den Verhandlungen der Ländervertreter/innen von besonderer Bedeutung, dass vor allem die einkommensabhängigen Ausnahmeregelungen unverändert bleiben.. Wer zum Beispiel Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung oder BAföG erhält, kann mit dem Nachweis der betreffenden Behörde die Befreiung vom Rundfunkbeitrag beantragen. Für bestimmte „Härtefälle“, etwa bei einem vergleichbar geringen Einkommen, sind zusätzliche Befreiungsmöglichkeiten durch die Rundfunkanstalten vorgesehen.

Insgesamt wurde ein Modell entworfen, das die Beiträge in der Regel stabil hält. Finanzielle Mehrbelastungen haben allerdings die Menschen, die bislang nur ein Radio zum Empfang genutzt haben oder gar keine Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Anspruch nehmen wollten. Im Sinne des Solidarprinzips wird dieser – eher überschaubare – Personenkreis, zu dem Sie sich rechnen, nun mit in die Verantwortung für unabhängigen und hochwertigen Rundfunk genommen. Die Reduzierung bei alleiniger Nutzung des Radios entfällt. Pro Wohnung ist ein Beitrag zu zahlen, unabhängig davon, ob und welche Rundfunkgeräte vorhanden sind. Ich kann verstehen, wenn einzelne Betroffene dies kritisch sehen. In der Abwägung aller Argumente überwiegen aber meines Erachtens diejenigen für den neuen, solidarischen Rundfunkbeitrag.

Wie sich die Beitragsneuordnung auf die Gesamteinnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auswirkt, ist auch bei Experten umstritten. Im Laufe des Jahres wird geprüft werden, wie sich die Gesamteinnahmen entwickeln und ob der Rundfunkbeitrag nach oben oder unten korrigiert werden muss, um die festgesetzten Ausgaben zu decken. Auch ein späteres Absenken ist durchaus möglich, da die Rundfunkanstalten nicht einfach zu viel erhaltenes Geld einbehalten oder blind ausgeben dürfen, sondern eine Beitragsanpassung gesetzlich vorgeschrieben ist. Zudem werden die Bundesländer die Erfahrungen auswerten und prüfen, ob und welche Anpassungen insbesondere bei den Befreiungsregelungen gerecht und sinnvoll sind. Die SPD wird diese Auswertung aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls Anpassungen im Benehmen mit den Bundesländern einfordern.

Alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und auch die Wirtschaft profitieren direkt oder indirekt vom Informationsangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und einer pluralen Medienordnung. Diese besondere Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach herausgestellt. Gerade im internationalen Vergleich kann man feststellen, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten einen ganz wesentlichen Beitrag für Qualitätsjournalismus, pluralistische Meinungsbildung sowie Vielfalt und damit für unser demokratisches Gemeinwesen leisten – und zwar im Hörfunk, im Fernsehen und auch im Onlinebereich. Sie hatten ja in Ihrem Statement auf das Internet und die dortigen Informationsmöglichkeiten abgestellt. Auch hier sind meines Erachtens die qualitativ hochwertigen journalistischen Inhalte ein wichtiger Bestandteil des Informationsspektrums. Diese Form von Informations- und Unterhaltungsqualität in den unterschiedlichen Medien gilt es zu bewahren. Gerade der neue Rundfunkbeitrag sollte dabei die Sendeanstalten noch mehr in die Pflicht nehmen, effizient mit den Geldern umzugehen, Verwaltungsstrukturen zu verschlanken und die Qualität und Akzeptanz der Angebote zu erhöhen.

Aus diesen Gründen möchte ich für die Neuordnung der Rundfunkfinanzierung und für den neuen Rundfunkbeitrag werben. Aus meiner Sicht ist ein leistungs- und zukunftsfähiger, öffentlich-rechtlicher Rundfunk für eine freie Information und Meinungsbildung in einer demokratischen Öffentlichkeit unverzichtbar.

Mit freundlichen Grüßen

Aydan Özoguz, MdB

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