Axel Voss
Axel Voss
CDU
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Frage von Günter B. •

Frage an Axel Voss von Günter B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Voss,
in Kürze werden Sie über die Freihandelsverträge CETA, TTIP und TISA abstimmen müssen.
Es mag sein, dass dadurch einige organisatorische Handelshindernisse beseitigt werden, aber nichts spricht dafür, dass die Handelsvolumen dadurch mehr als marginal erweitert werden. Dagegen führen die Abmachungen mit Sicherheit zu erheblichen Einschränkungen bei der Entscheidungsfreiheit der vom Volk gewählten Abgeordneten, also auch bei Ihnen, und damit zu einem Verlust von Demokratie. Durch die Verträge werden vor allem Risiken von Unternehmen zu den teilnehmenden Staaten und ihren Steuerzahlern verschoben und Arbeitnehmerrechte eingeschränkt. Gegen den Abschluss der Verträge haben Hunderttausende deutscher Bürger protestiert. Da sich immer nur eine Minderheit zu Demonstrationen aufrafft, kann man von weitaus mehr Menschen ausgehen, die die Verträge ablehnen. Wie werden Sie sich bei den Abstimmungen verhalten? Werden Sie Gewinne für Unternehmen für wichtiger halten?
Mit freundlichen Grüßen
G. B.

Axel Voss
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Anmerkungen zu den Freihandelsverträgen. Zu Ihren Anmerkungen und Sorgen übermittle ich Ihnen gerne meine ausführliche Stellungnahme.

Der Entwurf des CETA-Textes, der zurzeit nur in englischer Sprache vorliegt, ist unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf öffentlich einsehbar und weitere Informationen zu CETA findet man auch auf der Seite der Europäischen Kommission unter http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ceta/questions-and-answers/index_de.htm.

Die Verhandlungspositionen und Texte der Europäische Kommission zu TTIP und TISA können auf folgenden Websites abgerufen werden: http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1252&serie=866&langId=de http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/tisa/index_de.htm

Zum Thema Handelsvolumen möchte ich vor allem auf die Chancen von TTIP verweisen. Der Handel zwischen den USA und Europa umfasst trotz einer Reihe noch existierender Handelshemmnisse bereits heute rund ein Drittel der globalen Handelsströme. Entsprechend groß ist das Potential für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand, das sich aus einer noch besseren Integration dieser beiden Wirtschaftsräume ergeben kann. Die USA möchten mehr von ihren landwirtschaftlichen Grunderzeugnissen verkaufen, etwa Weizen und Soja. Die EU führt dagegen überwiegend höherwertige Waren in die USA aus, wie verarbeitete Nahrungsmittel (bspw. Käse, Schinken und Schokolade), Bier und Wein. Neben den Einfuhrverboten für Äpfel und verschiedene Käsesorten erheben die USA derzeit auch hohe Zölle- auf Fleisch 30%, auf Getränke mehr als 20% und auf Molkereiprodukte bis zu 139%. Hier könnten mit der Beseitigung von Handelsbarrieren die Ausfuhren der EU in die USA kräftig gesteigert werden.

Des Weiteren möchte ich auf die Sorge eingehen, dass die Handelsabkommen Arbeitnehmerrechte aushöhlen. Dies trifft nicht zu. Mitbestimmung, das Betriebsverfassungsrecht und die Tarifautonomie sind nicht Gegenstand der Verhandlungen. Unternehmen müssen auch mit TTIP, TISA und CETA die in Deutschland geltenden Vorschriften beachten. Das ist im EU-Verhandlungsmandat festgelegt und folgt zudem aus der "Arbeitsmarktklausel", die von der EU in alle Handelsabkommen aufgenommen wird. Vorschriften des Arbeitsrechts, das Streikrecht und auch der Mindestlohn werden also nicht infrage gestellt. Im Gegenteil ist geplant, Bestimmungen zur verantwortlichen Unternehmensführung in den Verträgen auf zunehmen.

Auch die Sorge um die demokratische Partizipation auf nationaler und europäischer Ebene, die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung oder die demokratische und souveräne Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialordnung. Hier möchte ich betonen, dass keine dieser Rechte oder Garantien durch CETA, TISA oder TTIP missachtet oder eingeschränkt wird: Bereits in der Präambel (CETA-Volltext, S. 3) ist beispielsweise klargestellt, dass das Abkommen als Ganzes sowohl die genannten Prinzipien als auch die Regulierungshoheit der Vertragsparteien komplett schützt.

Auch bei TTIP ist die kommunale Daseinsvorsorge von den Verhandlungen ausgeschlossen. Dies ist bereits dem verbindlichen Verhandlungsmandat zu entnehmen, das die EU-Mitgliedstaaten der EU-Kommission als rechtlichen Rahmen vorgegeben haben. Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung, soziale Dienstleistungen und die kulturelle Vielfalt sind nicht verhandelbar. Die Länder und Kommunen werden auch weiterhin selbst entscheiden, wer welche Dienstleistungen erbringt.

Oft wird in diesem Zusammenhang auch die Sorge geäußert, dass durch die so genannte „regulatorische Kooperation“ Gesetzesinitiativen zuerst mit dem Handelspartner diskutiert werden müssten. Auch hier ist die Realität eine andere: Unter diesem Stichwort versteht man lediglich den informellen Austausch der Regulatoren beider Seiten bei der Erstellung von neuen Standards. Unsere regulären Gesetzgebungsprozesse bleiben völlig unberührt.

Von einer Art Vetorecht der Handelspartner über europäische Gesetze kann jedenfalls keine Rede sein. Im Gegenteil, durch den Dialog im Rahmen der Regulatorischen Kooperation kann in vielen Detailfragen oft dasselbe hohe Schutzniveau für Verbraucher erreicht werden, ohne dass auf beiden Seiten des Atlantiks verschiedene Bedingungen für den Marktzugang zu erfüllen sind. So können besonders mittelständische Unternehmen immense Kosten sparen und leichter Zugang zu den transatlantischen Märkten erlangen. Unterscheiden sich die von den demokratischen Institutionen zuvor festgelegten Schutzniveaus, bleibt eine solche regulatorische Kooperation außen vor. Dementsprechend formuliert der CETA-Text auch die Ziele der regulatorischen Kooperation. Diese umfassen Schutz und Gesundheit von Mensch, Tier und Natur (CETA Volltext, Artikel 21.2, S. 173). Regulatorische Kooperation soll die verfolgten Schutzstandards also gerade nicht aushebeln, sondern fördern. Dies wird auch durch die Betonung der Rechte und Pflichten unter den bestehenden Abkommen, speziell dem Abkommen über gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS) unterstrichen (ebenfalls S. 173). Der Regulierungsausschuss hat im regulatorischen Bereich keine bindende Entscheidungsbefugnis und kann auch deshalb die Schutzstandards der Parteien nicht unterlaufen.

Häufig wird zudem behauptet, dass die geplanten Schiedsverfahren nicht transparent wären. Dabei steht Transparenz bei den Schiedsverfahren weit oben: Die Vorschriften zur Verhandlungsführung verlangen, dass das Gericht öffentlich tagt, sämtliche Dokumente veröffentlicht und im Verfahren Vertreter der Zivilgesellschaft hört. Auch die Befürchtung, dass Investitionsschutzklagen angestrengt werden können, sofern sich Änderungen des gesetzlichen Rahmens negativ auf die erwarteten Gewinne von Unternehmen auswirken, trifft dabei jedoch nicht zu. Geschmälerte Gewinnprognosen stellen keinen Klagegrund dar.

Stattdessen muss im Rahmen einer Investitionsschutzklage der Nachweis geführt werden, dass das klagende Unternehmen durch den Staat, in dem es investiert hat, im Vergleich zu anderen Unternehmen derselben Branche gezielt benachteiligt wurde. Wenn man als Beispiel den gesetzlichen Mindestlohn betrachtet, findet eben keine solche Diskriminierung statt, da er nicht einseitig für einzelne Unternehmen, sondern für alle gleichermaßen gilt. Genauso verhält es sich mit allen anderen gesetzgeberischen Handlungen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf das kürzlich verkündete Urteil der Klage des Tabakkonzerns Philip Morris gegen Australien hinweisen. Die Klage des Konzerns, der sich gegen die Tabak-Verpackungsvorschriften Australiens – aus Gesundheitsschutzgründen schreibt das Land abschreckende Bilder auf einer schlichten, einheitlichen Packung vor –, wurde abgewiesen. Dementsprechend heißt ein Schiedsgerichtsmechanismus noch lange nicht, dass ausländische Konzerne eine Art Vetorecht in der Gesetzgebung haben.

Beim oft vorgebrachten Vorwurf der "Geheimgerichtsbarkeit" ist zu beachten, dass die Zusammensetzung der Schiedsgerichte sowie Daten zu Prozessverlauf und -Stand bereits zum jetzigen Zeitpunkt in der deutlichen Mehrzahl der Fälle durch jedermann nachvollzogen werden können, da diese oftmals bei internationalen Organisationen angesiedelt sind. Hier bietet das bei der Weltbank angegliederte internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (engl. ICSID) detaillierte Informationen zu den anhängigen Verfahren: https://icsid.worldbank.org/apps/ICSIDWEB/Pages/default.aspx.

Bis heute hat die Bundesrepublik 139 Abkommen mit Schiedsgerichtssystem abgeschlossen – europaweit sind es gar über 1400. Bisher gab es zu diesem Mechanismus weder verfassungsmäßige Bedenken, noch hat er unsere demokratischen Prozesse beeinträchtigt oder eine der umfassendsten Gesetzgebungen weltweit in Sachen Verbraucher-, Umwelt- und Naturschutz behindert.

Aus diesen und weiteren Gründen spricht sich auch Prof. Dr. Steffen Hindelang von der Freien Universität Berlin nach einer umfassenden Diskussion der Pro- und Contra-Argumente für die Beibehaltung dieses Instruments in Handelsverträgen der EU aus. Sie finden den Volltext der Studie in englischer Sprache unter http://www.jura.fu-berlin.de/fachbereich/einrichtungen/oeffentliches-recht/lehrende/hindelangs/Studie-fuer-Europaeisches-Parlament/Hindelang.pdf.

Als Fazit kann ich mitteilen, dass ich von den positiven Effekten einer transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft überzeugt bin. Letztlich ist die Frage von CETA, TISA und auch TTIP eine Standortbestimmung Europas für die Zukunft in einer sich immer weiter globalisierenden Welt. Europa braucht einen starken Partner, der unsere Werte teilt. Ein gemeinsames Auftreten mit gemeinsamen Standards gegenüber den stark wachsenden Märkten in Asien ist das beste Mittel, den Herausforderungen des globalen Wandels zu begegnen. Möglicherweise wird sonst Europa eines Tages nicht mehr selbst bestimmen können, welche Standards gelten. Bei allen möglichen Risiken überwiegen m.E. die Chancen, die sich durch diese Abkommen ergeben, erheblich.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Voss

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