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Antje Kapek
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Frage von Antje H. •

Frage an Antje Kapek von Antje H. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

Hallo Frau Kapek,

Die Zustände in Moria sind menschenunwürdig, nicht erst seit den Großbränden im Lager. Zahlreiche Hilfsorganisationen haben darauf hingewiesen. Was unternehmen Sie, um eine unmittelbare Evakuierung des Lagers politisch zu erzwingen und den Geflüchteten menschenwürdige Behandlung zu ermöglichen?

Mit freundlichem Gruß

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau H.,

vielen Dank für Ihre Mail, die ich Ihnen gerne beantworten möchte.

Genauso wie Sie, sind wir erschüttert und traurig über den schrecklichen Brand im Flüchtlingslager Moria, das nicht nur wir Grüne als Schandfleck des geeinten Europas ansehen. Zum Glück wurden bisher keine Opfer des Brandes gemeldet. Dennoch haben die Brände dazu geführt, dass über 11.000 Geflüchtete unter freiem Himmel, auf den Straßen, Feldern und an Stränden schlafen mussten. Die Versorgung mit Trinkwasser, Nahrung und medizinischer Hilfe ist dramatisch. Betroffen sind viele besonders verletzliche Menschen, sehr kleine Kinder, schwangere Frauen, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Die europäische Menschenrechtscharta und die Verträge der EU sichern all diesen Menschen unbedingten Schutz zu und geben uns als Staat und hier als Land Berlin die Aufgabe, ihnen zu helfen und sie in Sicherheit zu bringen.

Die Ankündigung der Kanzlerin nun bis zu 1500 Menschen aufnehmen zu wollen, begrüßen wir. Hier in Berlin setzen wir Grüne uns jetzt dafür
ein, dass das Gezerre zwischen Bund und Ländern endlich ein Ende nimmt. Überaus viele Kommunen und Gemeinden haben sich bereits vor dem Brand dazu bereit erklärt, Menschen aufzunehmen. Darunter sind natürlich Berlin und Potsdam, aber auch CDU-geführte Kommunen wie Hamm oder Münster in NRW. Insgesamt haben sich inzwischen 130 Kommunen zur Aufnahme bereit erklärt.

Hilfe ist das Gebot der Stunde. Der Bund muss jetzt voran gehen und, so lange es keine europäische Einigkeit gibt, Geflüchtete aus Moria, insbesondere unbegleitete minderjährige Geflüchtete und andere verletzliche Gruppen aufnehmen. Die jetzt genannten Zahlen können nur ein Anfang sein.

Unsere Stadt hat Platz. Leerstehende Unterkünfte wie am Columbiadamm, stehen für eine Aufnahme bereit und es gibt in Berlin ausreichend
Expert*innen für die medizinische und psycho-soziale Versorgung, sowie ehrenamtliche Helfer*innen, insbesondere für Kinder.

Wir unterstützen daher die Forderung unseres Innensenators Geisel nach einem Krisengipfel von Bund, Ländern und Gemeinden, um die Aufnahme schnell und unbürokratisch endlich durchzuführen.

Außerdem haben wir einen Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen des Berliner Senats verabschiedet. Das Land Berlin wird eine Aufnahme besonders dringlicher humanitärer Einzelfälle nach § 22 Aufenthaltsgesetz in Zusammenarbeit mit dem UNHCR und griechischen Hilfsorganisationen sowie NGOs aus Berlin organisieren und für in Frage kommende Geflüchtete aus Moria sogenannte Vorabeinverständnisse für die Visa-Erteilung ausstellen. Für solche Einzelfälle ist kein Einvernehmen des Bundesministeriums des Inneren erforderlich.

Weiter fordern wir in der Entschließung:

•Das Abgeordnetenhaus fordert den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, auf, die Aufnahme durch die Bundesländer jetzt zu ermöglichen.

•Das Land Berlin hat sich schon mehrfach bereit erklärt, Geflüchtete aus den griechischen Lagern aufzunehmen und hat dafür sogar ein eigenes Aufnahmeprogramm nach § 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz aufgelegt. Auch andere Bundesländer und Kommunen haben angesichts der humanitären Katastrophe auf Lesbos in den vergangenen Tagen erneut ihre Aufnahmebereitschaft erklärt

Wir wollen als Land unserer Verantwortung gerecht werden. Deshalb fordern wir den Bundesinnenminister Horst Seehofer noch einmal auf,
Berlin das Landesaufnahmeprogramm endlich durchführen zu lassen. Weil es hier aber auch um eine grundsätzliche Frage geht, fordern wir
darüber hinaus, dass der Berliner Senat die Ablehnung durch das Bundesministerium des Inneren (BMI) nicht einfach hinnimmt, sondern in
die rechtliche Auseinandersetzung geht. Dazu gehört sicherlich auch, eine Klage zu prüfen. Denn das BMI engt mit seiner Rechtsauffassung
den Handlungsspielraum und die Eigenverantwortlichkeit der Bundesländer massiv ein.

Die rechtliche Argumentation des BMI ist fragwürdig und überzeugt uns nicht. Das Aufenthaltsgesetz lässt den Ländern im entscheidenden §23
Absatz 1 sehr viel mehr Spielraum für humanitäre Landesaufnahme, als das BMI ihnen zugestehen will. Das ist angesichts des Wunsches vieler
Städte und auch Bundesländer nach mehr kommunalen Aufnahmemöglichkeiten der durchsichtige Versuch einer politische Weichenstellung: Seehofer möchte ganz offenbar unserer Bewegung kommunaler Aufnahme den Wind aus den Segeln nehmen. Dem stellen wir uns mit aller Kraft entgegen.

Wir wollen jetzt endlich Menschen aus Lesbos einen Platz in Berlin bieten und sehen es als unsere politische wie menschliche Pflicht an, hier nun endlich ins Handeln zu kommen. Alle Menschen in Moria brauchen schnelle, unbürokratische Hilfe. Auch vor Ort müssen daher UNHCR und andere Hilfsorganisationen noch besser unterstützt werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Antje Kapek

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