Findet nach ihrer Einschätzung in Gaza gerade ein Genozid statt?

Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für die Frage und entschuldigen Sie bitte die späte Antwort.
Im Krieg zwischen der Hamas und Israel werden immer wieder Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen dokumentiert. Welche Handlungen als Genozid gewertet werden, definiert die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (UN-Völkermordkonvention).
Die Frage, ob derzeit ein Genozid in Gaza stattfindet, durch Israel stattfindet, ist also eine rechtliche Frage und bedarf einer sorgfältigen juristischen Prüfung und Bewertung. Es ist daher richtig, dass sich der Internationale Gerichtshof (IGH) dieser Frage angenommen hat.
Doch auch unabhängig von dieser völkerrechtlichen Bewertung, müssen wir alles dafür tun, um die verheerende und katastrophale Lage im Gazastreifen schnellstmöglich zu beenden. Die dort stattfindenden Kriegsverbrechen, die Hungersnot der palästinensischen Zivilbevölkerung und die erneute Ausweitung der Militäroffensive durch die israelischen Regierung zeigen täglich, dass die Lage vor Ort kein längeres Zögern mehr erlaubt. Das machen die Bilder aus Gaza, die Berichte von UN-Organisationen und die Aussagen der Menschen vor Ort deutlich. Daher halte ich es für richtig einen Waffenexportstopp für Waffen, die in Gaza eingesetzt werden können, durchzuführen.
Dass sich 28 Regierungen, darunter zahlreiche EU-Staaten und enge Verbündete wie Frankreich und Großbritannien, auf eine gemeinsame Position, u.a. für einen sofortigen Waffenstillstand und die Versorgung der Bevölkerung mit humanitären Gütern einigen konnten, zeigt wie wichtig und dringend diese Forderungen sind. Dass die schwarz-rote Bundesregierung unter Friedrich Merz hier ausschert und sich dem wichtigen Appell nicht anschließt, kann ich nicht nachvollziehen.
Meine Partei Bündnis 90/Die Grünen und ich unterstützen die Forderungen nach einem sofortigen Waffenstillstand, der unverzüglichen Freilassung der Geiseln sowie dem dringend benötigten Zugang zu humanitärer Hilfe. Darüber hinaus muss die Bundesregierung auch gezielte Sanktionen gegen die rechtsextremen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir unterstützen, die immer wieder Vertreibung und Gewalt gegen die palästinensische Zivilbevölkerung propagieren.
All dies steht nicht im Widerspruch zum Recht auf Selbstverteidigung Israels. Klar ist, die Hamas muss nicht nur unverzüglich die Geisel freilassen, sondern auch ihre Waffen niederlegen und die Angriffe auf Israel beenden.
In meinem Wahlkreis in Nordneukölln wohnen Menschen mit israelischen und palästinensichen Wurzeln Tür an Tür. Sie haben Angst um Freund*innen und Verwandte, trauern um verletzte und getötete Angehörige und wünschen sich ein schnelles Ende des Krieges und einen nachhaltigen Frieden. Die Weltgemeinschaft muss es dauerhaft schaffen das Leid der israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung zu beenden und an einer friedlichen Lösung für diesen vielschichtigen Konflikt mit dem Ziel einer Zweit-Staaten-Lösung arbeiten.
Wir werden auch weiterhin mit betroffenen Neuköllner*innen im Gespräch sein, ihnen zuhören und über die Lage in Gaza und die Situation für die Menschen sprechen.
Als Kreisverband haben wir im letzten Jahr auch einen Beschluss zu unserer Positionierung gefasst.
Den Beschluss „Krieg in Israel und Palästina. Mitgefühl mit allen Opfern, Menschenrechte und friedliches Zusammenleben in Neukölln“ finden Sie hier: https://www.gruene-neukoelln.de/aktuellemeldungen/einzelansicht/news/beschluss-der-krieg-in-israel-und-palaestina
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit beantworten kann und entschuldige mich nochmals für die lange zeitliche Verzögerung bei der Antwort.
Viele Grüße
André Schulze