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Adis Ahmetović
SPD
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Frage von Herbert H. •

Wie wird sich die SPD verhalten, wenn Israel iranische Zivilisten bombardiert?

Sehr geehrter Herr Ahmetovic, meine Frage richtet sich an Sie in Ihrer Funktion als Außenpol. Sprecher der SPD: Am 13. Juni befahl der wegen Kriegsverbrechen ( https://tinyurl.com/2s58ff4m ) vom IStGH gesuchte israelische Premierminister Netanjahu einen (nach meinem Dafürhalten) völkerrechtswidrigen Angriff auf den Iran. Bei diesen Angriffen nahm Israel auch die Privatwohnungen von Militärs und Wissenschaftlern ins Visier, und tötete mehrere Zivilisten. Bei Vergeltungsangriffen des Irans auf Israel wurden ebenfalls Zivilisten getötet, wobei nicht klar ist, ob diese Zivilisten gezielt angegriffen wurden oder ob es sich um sogenannte "Kolateralschäden" handelt. Der israelische Verteidigungsminister Katz äußerte daraufhin unverhohlene Drohungen gegen die Einwohner Teherans: https://tinyurl.com/yjw72vdb Wie wird sich die SPD verhalten, wenn Israel gezielt Zivilisten angreift? Am 16.06. wurde bereits gezielt ein Fernsehsender in Teheran bombardiert: https://tinyurl.com/zb2dkmnr

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Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. 

Die derzeitige Situation im Nahen Osten gehört zu den brisantesten außenpolitischen Themen und treibt viele Menschen um, weltweit und auch bei uns in Deutschland - Sie, wie auch mich.

Der Hauptgrund, warum uns die Situation in der Region so mitnimmt, ist das unerträgliche Leid der Menschen, das Leid von unzähligen unschuldigen Zivilisten. Wir sind empathisch, wir haben Mitgefühl und es tut uns weh, diese vielen Menschen leiden zu sehen. Und natürlich stellen wir uns die Frage, wie wir helfen können, wie wir dieses Leid lindern und schnellstmöglich beenden können. Der nachhaltige Schutz von Zivilisten und die Einhaltung der Menschenrechte sind daher ein Hauptmotiv unserer deutschen Außenpolitik.

Das Wort „Kollateralschaden“ im Zusammenhang mit der Tötung von Menschen ist ein militärischer Begriff, den ich in meinem üblichen Sprachgebrauch nicht verwende. Zurecht hat die Gesellschaft für Deutsche Sprache dieses Wort bereits im Jahre 1999 zum „Unwort des Jahres“ gewählt. Lassen Sie mich klar sagen, dass weder ich noch meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion aus dem Deutschen Bundestag durch Verwendung dieses Begriffs oder auf andere Weise leichtfertig oder abfällig über das Töten von Menschen sprechen. Ganz im Gegenteil möchte ich betonen, dass jedes Menschenleben gleich viel Wert ist und das Leben und die Würde des Menschen geschützt werden müssen, nicht nur bei uns in Deutschland, sondern weltweit. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein und ist zurecht, gleich zu Beginn, in den ersten Artikeln unserer Verfassung verankert. 

Der Schutz von Zivilisten und die Beendigung menschlichen Leids sind in der deutschen Außenpolitik die Hauptmotivation. Diese treibt uns an, uns immer wieder für die Einhaltung des internationalen Rechts und für die Stärkung einer regelbasierten internationalen Ordnung einzusetzen. Ob Israels militärische Manöver im Iran völkerrechtswidrig sind oder nicht, wird derzeit unter anderem von juristischen Expertinnen und Experten im Auswärtigen Amt geprüft. Hierbei spielt zum Beispiel eine Rolle, dass Israel das 1. Zusatzprotokoll der Genfer Abkommen nicht ratifiziert hat, in dem im Art. 56 Angriffe auf militärisch genutzte Nuklearanlagen geregelt sind. Abgesehen von dieser juristischen Beurteilung muss jedoch politisch konstatiert werden, dass es sich bei diesen militärischen Operationen um ein drastisches Mittel handelt, und dass die regelbasierte Ordnung, das Völkerrecht, die Vereinten Nationen, und die gewaltfreie Diplomatie derzeit stark unter Druck stehen. Wir müssen verhindern, dass gewaltvolle oder gar kriegerische Handlungen Schritt für Schritt als „normales“ und legitimes außenpolitisches Mittel verstanden werden, sondern es sollte sich immer um besondere Ausnahmen nach einer sorgfältigen Prüfung und Abwägung handeln. 

Wie eingangs dargelegt, setzen wir in der deutschen Außenpolitik auf eine Stärkung der internationalen regelbasierten Ordnung und auf Deeskalation, sowohl rhetorisch als auch militärisch. Ich unterstütze den Kurs von Bundesaußenminister Wadephul, der in den vergangenen Tagen Gespräche mit Saudi-Arabien, Katar, Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Irak geführt hat und heute seine diplomatischen Bemühungen in Genf fortsetzen wird. Ich begrüße zudem, dass wir uns in unseren außenpolitischen Bemühungen stets eng mit unseren internationalen Partnerinnen und Partnern in verschiedenen Formaten, wie E3, der G7, der EU und der NATO, abstimmen. Das ist ganz wichtig. 

In einer zunehmend multipolaren, multilateralen Welt nimmt der Nahe Osten eine wichtige Rolle ein. Das Mullah-Regime im Iran ist in den letzten Jahren nicht nur brutal gegen die eigene Bevölkerung vorgegangen, insbesondere gegen Frauen und Mädchen im Zuge des Mordes an Jina Mahsa Amini und der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung. Durch Unterstützung islamistischer Terrorgruppen, wie der Hisbollah im Libanon und der Hamas in Gaza, durch den Ausbau seines Atomprogramms und durch hetzerische Propaganda, insbesondere gegen den Staat Israel, hat es auch die gesamte Region zunehmend bedroht und destabilisiert. Kein anderer Staat hat in den vergangenen Jahren Uran in diesem Stile angereichert. Eine derartige Anreicherung zu einem anderen Zweck als dem Bau einer Atombombe, zum Beispiel zu wissenschaftlichen Zwecken, ist nicht plausibel. Der Iran hat in den vergangenen Jahren gegen zahlreiche Auflagen und Berichtspflichten, gegen das Safeguard-Abkommen und den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (Atomwaffensperrvertrag) verstoßen, wie die internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in einer Resolution vom 12.06.2025 noch einmal festgestellt hat: https://www.iaea.org/newscenter/focus/iran/iaea-and-iran-iaea-resolutions

Bei der militärischen Auseinandersetzung zwischen dem Iran und Israel müssen beide Seiten das Völkerrecht einhalten und Zivilisten im Einklang mit dem Völkerrecht schützen. Das fordern wir als Land, was ein ganz besonderes Verhältnis zum Staat Israel hat, sowohl vom iranischen Regime als auch von der derzeitigen israelischen Regierung ein. Das Töten von Zivilisten muss im Rahmen der Möglichkeiten immer verhindert werden. In einigen Fällen, wie den getöteten Wissenschaftlern, liegen mir keine abschließenden Informationen vor, ob diese Personen als Zivilisten oder als Kombattanten einzustufen sind. Ich gebe Ihnen aber vollkommen Recht darin, dass wir hier ganz genau hinschauen müssen. Als außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion sehe ich provokative, aggressive und drohende Rhetorik zudem sehr kritisch und erachte sie als wenig hilfreich, egal von wem sie kommt. 

Abschließend ist es mir als wichtig zu betonen, dass wir die Situation der Menschen in Gaza nicht vergessen dürfen. Noch immer spielt sich dort eine humanitäre Katastrophe für Millionen von Zivilisten ab, darunter viele Kinder und besonders Schutzbedürftige. Bitte seien Sie versichert, dass ich mich sowohl in internen Sitzungen als auch bei öffentlichen Auftritten dafür einsetze, dass wir die Situation in Gaza nicht vergessen und schnellstmöglich verbessern. 

Dafür unterstreiche ich die Bedeutung des Völkerrechts, das in Gaza wieder zur Anwendung gebracht werden muss. Denn ich setze mich für eine Welt ein, in der die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gilt!

Ich hoffe, diese Antwort hilft Ihnen weiter. Erneut vielen Dank für Ihre Anfrage. 

 

Mit freundlichen Grüßen 

 

Adis Ahmetović, MdB 

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