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Adis Ahmetović
SPD
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Frage von Patricia O. •

Wie rechtfertigen Sie persönlich Waffenexporte an Länder, gegen die glaubwürdige Berichte über Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen vorliegen?

Deutschland ist völkerrechtlich, europarechtlich und national verpflichtet, keine Waffen an Staaten zu liefern, wenn ein allein schon ein ernsthaftes Risiko besteht, dass diese für Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden. Das ergibt sich u. a. aus der Genfer Konvention IV, dem Römischen Statut des ICC, der UN-Charta sowie dem EU-Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP. Auch das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz (§6 KWKG) und das Außenwirtschaftsgesetz (§3 AWG) verbieten Exporte bei drohenden Verstößen gegen das Völkerrecht. Dokumentierte Fälle wie Blockaden mit humanitären Folgen, gezielte Angriffe auf zivile Infrastruktur, Vertreibungen in besetzten Gebieten und die Behinderung humanitärer Hilfe erfüllen bereits die Kriterien schwerwiegender Verstöße. Dennoch werden aus Solidarität potenziell rechtswidrige Waffenlieferungen genehmigt, doch das ist keine Solidarität, sondern Mitverantwortung. Wie kann das gerechtfertigt werden?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau O.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. 

Sie haben recht. Rüstungsexporte sind keine gewöhnlichen Güter, sondern unterliegen besonderen gesetzlichen Einschränkungen. Unterschieden wird hierbei zwischen Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Es handelt sich immer um Einzelfallentscheidungen, die auf einer sorgfältigen Prüfung beruhen. Nähere Informationen finden Sie unter anderem hier: https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/FAQ/Aussenwirtschaft/faq-ruestungsexporte.html

Auch wenn Sie Gaza nicht explizit nennen, erlaube ich mir, Ihrer Antwort zu entnehmen, dass Sie sich auf die Lage in Gaza beziehen und möchte daher auf diese genauer eingehen: 

Die derzeitige Situation im Nahen Osten gehört zu den brisantesten außenpolitischen Themen und treibt viele Menschen um, weltweit und auch bei uns in Deutschland - Sie, wie auch mich. Der Hauptgrund, warum uns die Situation in der Region so mitnimmt, ist das unerträgliche Leid der Menschen, das Leid von unzähligen unschuldigen Zivilisten. Wir sind empathisch, wir haben Mitgefühl und es tut uns weh, diese vielen Menschen leiden zu sehen. Und natürlich stellen wir uns die Frage, wie wir helfen können, wie wir dieses Leid lindern und schnellstmöglich beenden können.

Auf außenpolitischer Ebene wollen wir kurzfristig eine schnelle, deutliche Verbesserung der humanitären Not in Gaza und mittelfristig eine politische Lösung im Nahen Osten, welche den nachhaltigen Schutz von Zivilisten und die Einhaltung der Menschenrechte garantiert. Um dies zu erreichen, setzen wir gemeinsam mit unseren internationalen Partnern in unterschiedlichen Formaten (UN, G7, EU, NATO und regionale Formate wie E3) in erster Linie auf Diplomatie und Drängen auf die Einhaltung und Stärkung des Völkerrechts und einer regelbasierten Ordnung. Wir müssen verhindern, dass gewaltvolle oder gar kriegerische Handlungen Schritt für Schritt als „normales“ und legitimes außenpolitisches Mittel verstanden werden. Beim Einsatz von Gewalt sollte es sich immer um besondere Ausnahmen nach einer sorgfältigen Prüfung und Abwägung handeln. Stattdessen setzen wir auf Deeskalation, sowohl rhetorisch als auch militärisch. Wir stehen für eine Welt ein, in der die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gilt! 

Die humanitäre Lage in Gaza ist weiterhin katastrophal, die Versorgung ohne Beteiligung der UN sowie etablierter Hilfsorganisationen gelingt bislang aus diversen Gründen offensichtlich nicht. Als außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion habe ich in den vergangenen Wochen sowohl bei öffentlichen Auftritten als auch in internen Sitzungen immer wieder deutlich gemacht, dass ich keine Exporte von Rüstungsgütern unterstütze, durch deren Einsatz das Völkerrecht, insbesondere das Humanitäre Völkerrecht, gebrochen wird. Mit dieser Position bin ich in der SPD nicht allein. Auf dem Parteitag am 27.06.-29.06.2025 wurde der Antrag mit dem Titel „Für Deeskalation und Frieden im Nahen Osten!“ angenommen, in welchen noch einmal klargestellt wird: „Aus Deutschland gelieferte Rüstungsgüter dürfen nicht für völkerrechtswidrige Militäraktionen eingesetzt werden.“. 

Zeitgleich muss ich anmerken, dass die Exportentscheidung im Einzelfall beim Bundessicherheitsrat liegt. Ich als Parlamentarier habe formal keine rechtliche Entscheidungsbefugnis darüber. Meine Position ist jedoch, wie sie sehen, sehr klar. Ich weiß, die Situation ist schwer auszuhalten und wir möchten, dass dieser Krieg schnell beendet wird und es den Zivilisten in Gaza schnell deutlich besser geht. Bitte seien Sie versichert, dass ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten für eine schnelle Verbesserung der humanitären Lage in Gaza und eine nachhaltige Lösung für den gesamten Nahen Osten einsetze. 

Ich hoffe, diese Antwort hilft Ihnen weiter. Erneut vielen Dank für Ihre Anfrage. 

Mit freundlichen Grüßen 

Adis Ahmetović, MdB 

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