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Internationale Rügen für Deutschland

Transparenz und Integrität bleiben Mangelware in Deutschland

Dreifach gerügt! Wir haben uns die Zeugnisse für Deutschland von der EU, dem Europarat und der OSZE genauer angeschaut: Wie gut begrenzt Deutschland politische Einflussnahme? Wie sehr werden Integrität und Transparenz gefördert?

von Lara Siever, 11.09.2025
Ein erhobener Zeigefinger und die Gebäude der OSZE, EU-Kommission und Europarat

Wenig Zeit? Der Artikel in 1 Minute:

  • Die neuen Berichte der EU-Kommission, des Europarates (GRECO) und der OSZE-Wahlbewertungsmission zur Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsprävention, Integritätsförderung sowie zur Parteienfinanzierung sind ein Armutszeugnis für Deutschland!
  • Die EU-Kommission und die GRECO bemängeln unter anderem die fehlende Transparenz über Lobbykontakte und Lobby-Einflüsse auf Gesetzgebungsprozesse sowie mangelhafte Regelungen bei finanziellen Interessenkonflikten und Seitenwechseln von der Politik in die Wirtschaft – Stichwort Karenzzeiten.
  • Die zu laxen Regeln im Bereich der Parteienfinanzierung und die fehlende unabhängige Transparenz-Kontrolle werden sowohl von der EU-Kommission als auch vom Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR/ODIHR) der OSZE kritisiert.
  • Besonders großen Nachholbedarf sehen die europäischen Institutionen für Deutschland in den folgenden Bereichen ab:
    • Vermögenstransparenz von Spitzenpolitiker:innen;
    • Unabhängige Kontroll- und Durchsetzungsmechanismen;
    • Transparenzgesetz bzw. Reform des Informationsfreiheitsgesetzes.

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Alle Jahre wieder erfüllt Deutschland die internationalen Erwartungen in Sachen Integrität und politischer Transparenz nicht! Sowohl die EU-Kommission, die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) und das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR/ODIHR) – das für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine Wahlbewertungsmission rund um die Bundestagswahl 2025 durchgeführt hat – haben die Transparenz- und Antikorruptionsvorgaben in Deutschland kürzlich neu bewertet. 

Ihre Hauptkritik: die mangelhafte Bilanz bei der Förderung von Transparenz und Integrität sowie bei der Begrenzung der politischen Einflussnahme – etwa durch Lobbyismus oder Parteispenden. Jahrelang liegen ihre Empfehlungen für Nachbesserungen Deutschlands bereits auf dem Tisch. Passiert ist seitdem: viel zu wenig. 

Die meisten Empfehlungen der drei Institutionen decken sich mit langjährigen Transparenz-Forderungen von abgeordnetenwatch. Doch, was wird genau kritisiert? Wir haben die neuen Berichte der drei oben genannten Organisationen ausgewertet. Dabei haben wir uns auf die aus unserer Sicht relevantesten sieben Punkte in den Bereichen Begrenzung politischer Einflussnahme sowie Förderung von Integrität und Transparenz konzentriert:

  • Kontakttransparenz im Lobbyregister

  • Lobby-Fußabdruck

  • Regelungen zu Karenzzeiten

  • Regelungen zur Vermögenstransparenz

  • Regelungen zur Parteienfinanzierung

  • Unabhängige Transparenz-Kontrolle

  • Transparenzgesetz/Reform des Informationsfreiheitsgesetzes

[Detaillierte Informationen zu den bewertenden Institutionen sowie die Links zu den vollständigen Bewertungs-Berichten sind am Ende dieses Artikels zu finden.]

Wie gut begrenzt Deutschland politische Einflussnahme? Wie sehr werden Integrität und Transparenz gefördert?

Infografik mit Deutschlands Bilanz zu Transparenz und Integrität

1. Lobbyregisterreform ja, Kontakttransparenz fehlt

Kritik: insbesondere von GRECO, aber auch von der EU-Kommission 

  • Sowohl die EU-Kommission als auch die GRECO begrüßen die Reform des Lobbyregistergesetzes, die zum 1. März 2024 in Kraft getreten ist und den Anwendungsbereich des Registers erweitert hat. Interessenvertreter:innen sind seither dazu verpflichtet, weitergehende Angaben zur Interessenvertretung und ihrer früheren Rolle als Amtsträger:innen zu machen sowie Stellungnahmen zu veröffentlichen.
  • Die GRECO bemängelt jedoch unter anderem die Ausnahmen von der Registrierungspflicht für Arbeitgeber:innen- und Arbeitnehmer:innenverbände sowie Kirchen bzw. Religions- und Weltanschauungsgesellschaften. Zudem kritisiert sie die weiterhin bestehende Intransparenz über direkte Kontakte zwischen Lobbyist:innen und hochrangigen Politiker:innen, die die parlamentarische und die Regierungsarbeit beeinflussen. Auch die EU-Kommission erwähnt in ihrem Bericht die fehlende „Verpflichtung zur Berichterstattung über persönliche Treffen zwischen Lobbyistinnen bzw. Lobbyisten und Beamtinnen bzw. Beamten“ (S. 12).
  • Die GRECO fordert aus diesen Gründen weitergehende Transparenz-Maßnahmen, etwa die Auskunft über die Art und Weise der Lobby-Kontakte sowie „die Offenlegung ausreichender Angaben über die mit diesen Kontakten verfolgten Zwecke, wie etwa die Identität der Person oder Personen, mit der oder denen (oder in deren Namen) das Gespräch oder die Gespräche geführt wurden sowie die jeweilige(n) konkrete(n) Gesprächsinhalt(e)“ (S.7).

Forderung von abgeordnetenwatch:

Als Transparenzorganisation fordern wir schon lange eine Kontakttransparenz im Lobbyregister. Denn die Öffentlichkeit muss wissen: Welche Lobbyist:innen sprechen wann mit welchen Regierungs- oder Parlamentsvertreter:innen über welche Themen? Aus dem aktuellen Lobbyregister geht dies nicht hervor. 

Hier geht es zu unserer Petition „Volle Lobbytransparenz jetzt!“, die bereits von 53.000 Menschen unterzeichnet wurde.

2. Exekutiver Fußabdruck - ohne Wirkung?

Kritik: insbesondere von der EU-Kommission

  • Die Ampelkoalition hat 2024 eine Änderung der Geschäftsordnung der Bundesministerien beschlossen und zu Juni 2024 einen sogenannten exekutiven Fußabdruck eingeführt. Dieser ist jedoch gesetzlich nicht verpflichtend und nur auf die Exekutive, nicht aber auf die legislative Ebene des Parlaments bezogen. Im Koalitionsvertrag gibt es keine Pläne für einen umfassenderen gesetzlichen Fußabdruck. Der exekutive Fußabdruck soll bis Ende 2025 vom Bundesinnenministerium evaluiert werden.
  • Während die GRECO der Ansicht ist, der eingeführte exekutive Fußabdruck verbessere die Transparenz von Gesetzgebungsprozessen, sieht die EU-Kommission weiteren Regulierungsbedarf: In ihrem neuen Bericht erkennt sie „keine weiteren Fortschritte […] den „legislativen Fußabdruck“ durch Offenlegung der Beiträge aller Interessenvertreter zur Gesetzgebung und durch Ausweitung seines Anwendungsbereichs auf die parlamentarische Phase des Gesetzgebungsverfahrens weiter zu stärken“ (S.3). Sie empfiehlt Deutschland daher, „die Anstrengungen zur Stärkung des „legislativen Fußabdrucks“ zu intensivieren, um Beiträge von Lobbyisten umfassend in einem öffentlichen Register zu erfassen“ (S.3). Eine gute Gelegenheit für die Einführung eines legislativen Fußabdrucks sieht die EU-Kommission in dem von der Regierung, dem Bundestag und den Bundesländern für 2027 geplanten gemeinsamen digitalen Gesetzgebungsportal.

Forderung von abgeordnetenwatch:

Wir fordern schon lange einen umfassenden Lobby-Fußabdruck per Gesetz, der sowohl auf legislativer Ebene – also bei Einflussnahmen auf den Bundestag – als auch auf exekutiver Ebene, also bei Einflussnahmen auf die Bundesregierung – alle Lobby-Fußspuren auf Gesetzen sichtbar macht. Nur durch ihn würde sichtbar, welche Akteur:innen an Gesetzgebungsprozessen beteiligt waren und welche Interessen sie vertreten haben. 

Hier geht es zu unserer Petition zum Lobby-Fußabdruck, die bereits von mehr als 15.000 Menschen unterzeichnet wurde!

3. Keine wirksamen Karenzzeitregeln

Kritik: insbesondere von GRECO, aber auch von der EU-Kommission 

Vom Regierungsamt oder Bundestag direkt in die Wirtschaftslobby? Diese Seitenwechsel sind höchst problematisch. Sie ermöglichen, dass ehemalige Regierungsmitglieder und hochrangige Beamt:innen ihre gut gefüllten Adressbücher direkt nach ihrer Amtszeit für private Interessen vergolden können. 

Es gibt in Deutschland Karenzzeitregelungen für Minister:innen und Parlamentarische Staatssekretär:innen von maximal 12 bis 18 Monaten, sowie für Beamt:innen von fünf bis sieben Jahren. Das Problem: Sie greifen nicht automatisch und betreffen nur die Exekutive. Für Bundestagsabgeordnete gibt es bislang gar keine Regelung. Sie können direkt nach ihrem Mandat, in einen Lobbyjob wechseln und müssen nicht mit Konsequenzen rechnen. 

Der Reformbedarf bei den Karenzzeitregelungen wird von Bundesregierung, EU-Kommission und GRECO unterschiedlich eingeschätzt:

  • Die EU-Kommission beschränkt sich in ihrer Bewertung vor allem auf hochrangige Beamt:innen und geht wenig auf die höchste Regierungsebene ein: Sie lobt „strengere Vorschriften für die Beschäftigung hochrangiger Amtsträgerinnen und Amtsträger nach dem Ausscheiden aus dem Dienst“ sowie die seit April 2024 geltende Verlängerung der Karenzzeiten für Staatssekretär:innen und Abteilungsleiter:innen auf fünf bis sieben Jahre (S.13). Auch wenn sie Fortschritte bei den Empfehlungen von Karenzzeiten erkennt, sieht sie Herausforderungen bei der systematischen Durchsetzung der Regelungen (S.13).
  • Die GRECO fordert „Maßnahmen zur Gewährleistung der Einheitlichkeit und Transparenz der Entscheidungen“ über Karenzzeiten bei Staatssekretär:innen und Abteilungsleiter:innen (S. 9). Darüber hinaus stuft sie die Karenzzeitregelungen auf der höchsten Regierungsebene als nicht ausreichend ein. Daher empfiehlt sie „die Karenzzeit für Bundesministerinnen und Bundesminister sowie für Parlamentarische Staatssekretärinnen und Parlamentarische Staatssekretäre zu verlängern, die Zusammensetzung des beratenden Gremiums zu ändern und Sanktionen einzuführen für Fälle, in denen Entscheidungen der Bundesregierung in dieser Hinsicht nicht Folge geleistet wird“ (S. 9-10).
  • Das Gremium, das bislang die Empfehlungen für Karenzzeiten im Fall von Ex-Regierungsmitgliedern ausspricht, setzt sich nämlich unter anderem aus Bundespolitiker:innen zusammen, was die GRECO negativ bewertet. Es wird auf Vorschlag der Bundesregierung jeweils für eine Wahlperiode des Deutschen Bundestages vom Bundespräsidenten berufen – in den nächsten Monaten müsste es also wieder neu besetzt werden. Die deutschen Behörden zeigten sich in früheren Evaluierungsrunden mit dem Gremium jedoch zufrieden und gaben an, „Keine Notwendigkeit für eine Sanktionierung möglicher Verstöße“ zu sehen. Vielmehr gingen sie bislang „grundsätzlich von der Eigenverantwortung ehemaliger Regierungsmitglieder für rechtstreues Verhalten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt aus.“ 

Unsere Recherche-Team von abgeordnetenwatch hat in mehreren Investigativ-Recherchen aufgezeigt, dass bei ehemaligen Minister:innen nicht von einem „rechtstreuen Verhalten“ ausgegangen werden kann. Auch verdeutlichen ihre Recherchen, wie zahlreich diese Seitenwechsel in der Vergangenheit vorkamen: 

  • Hier nachlesen: Die verdeckten Lobbynetzwerke der Konzerne
  • Hier nachlesen: Das sind die Abgeordneten, die vom Bundestag in den Lobbyismus wechselten
  • Hier nachlesen: Sigmar Gabriel lobbyierte bei Merkel für die Deutsche Bank 

Forderung von abgeordnetenwatch:

Als Transparenzorganisation setzen wir für uns für eine bessere und transparente Demokratie ein, die nicht von Lobbyinteressen unterlaufen wird. Wir fordern daher eine gesetzlich verpflichtende Karenzzeit von mindestens drei Jahren für alle ehemaligen Regierungsmitglieder und Parlamentarischen Staatssekretär:innen sowie Bundestagsabgeordnete, wenn sie in die Privatwirtschaft – und insbesondere in Lobbyjobs – wechseln möchten. 

Hier geht es zu unserer neuen Petition „Von der Macht zum Geld – jetzt Lobbysprünge stoppen!“, die seit ihrem Start Mitte Juli 2025 bereits von 20.000 Menschen unterzeichnet wurde. 

4. Keine Vermögenstransparenz bei Regierung und Exekutive

Kritik: von GRECO und EU Kommission

In anderen Ländern wie Frankreich, Großbritannien, der EU oder den USA ist es bereits Standard, dass Politiker:innen – Mitglieder der Exekutive und Legislative – ihre gesamte Finanz- und Vermögenslage bei Amtseintritt und dann in regelmäßig Abständen für die Öffentlichkeit zugänglich machen. In Deutschland sieht die Realität jedoch anders aus: Zwar müssen Abgeordnete des Bundestags detaillierte Informationen zu ihren Nebeneinkünften sowie Unternehmensbeteiligungen offenlegen, allerdings nur ab 5 Prozent der Gesellschaftsanteile – eine unrealistische Größenordnung. Denn angesichts hoher durchschnittlicher Börsenwerte von Konzernen, ist dieser Grenzwert nicht praxistauglich. Im Fall des Konzerns SAP, der einen Börsenwert von mehr als 313 Milliarden hat, würde ein 5-Prozent-Anteil beispielsweise mehr als 15,5 Milliarden Euro kosten. 

Für Regierungsmitglieder, die nicht zugleich Abgeordnete sind, gibt es gar keine Offenlegungspflichten. 

Sowohl die GRECO als auch die EU-Kommission kritisieren den mangelnden „greifbaren Fortschritt“ (GRECO-Bericht, S. 12) und die mangelnde Aufsicht in Sachen Vermögenstransparenz bei Spitzenpolitiker:innen:

  • Ihre Kritik bezieht sich sowohl auf die fehlenden Offenlegungspflichten von Bundesminister:innen und hochrangigen Entscheidungsträger:innen der Exekutive – inklusive ihrer Ehepartner:innen und Unterhaltsberechtigten (GRECO S.12) – aber auch auf die ungenügenden Transparenzpflichten von Abgeordneten. In Bezug auf Bundestagsabgeordnete bemängelt die EU-Kommission: „Nur […] bestimmte Unternehmensbeteiligungen, die zu einem finanziellen Interessenkonflikt führen könnten, fallen unter die Berichtspflicht, während erhebliche Investitionen in Unternehmen möglicherweise – nämlich wenn die Beteiligung die derzeit geltende Obergrenze von 5 % nicht überschreitet – nicht davon erfasst werden.“ (S.14) Nicht alle potenziellen Interessenkonflikte kommen so ans Licht.
  • Ein weiteres Problem sehen GRECO und EU-Kommission bei der Überprüfung der finanziellen Angaben der Abgeordneten: „Die Bundestagsverwaltung verfügt nur über begrenzte Befugnisse, Untersuchungen gegen das Präsidium des Bundestages durchzuführen, und ist ihm untergeordnet, und so weisen die Interessenträger erneut darauf hin, dass es kein völlig unabhängiges Aufsichtsgremium für die Untersuchung von Verstößen gibt“ (EU-Kommissionsbericht, S. 14). GRECO und EU-Kommission sehen hier klaren Handlungsbedarf, denn ihre bisherigen Empfehlungen gegenüber Deutschland wurden nicht umgesetzt.
  • Die Bundesregierung lehnt Offenlegungspflichten im Sinne einer Vermögenserklärung für die Exekutive jedoch weiterhin ab und beruft sich dabei auf ihre Stellungnahme zum vorherigen GRECO-Bericht: Sie sehe nicht, inwiefern eine solche Erklärung zur Korruptionsbekämpfung beitrage und befürchte eine Beeinträchtigung der Grundrechte der Regierungsmitglieder, indem private Informationen veröffentlicht würden.
  • Für abgeordnetenwatch keine überzeugende Argumentation: Die Länder, die eine Pflicht zur Vermögenstransparenz eingeführt haben, haben dies erst nach massiven Korruptionsskandalen von Regierungsmitgliedern getan. So weit muss es nicht kommen. Nur eine komplette Vermögenstransparenz kann Interessenkonflikte aufdecken und verhindern. Angesichts der Lobbyvergangenheit und teilweise immer noch bestehenden Lobbynähe einiger Regierungsmitglieder sind strengere Offenlegungspflichten wichtiger denn je. 

Forderung von abgeordnetenwatch:

Wir fordern eine gesetzlich verpflichtende Regelung für Mitglieder des Bundestags und der Bundesregierung sowie für hochrangige Regierungsvertreter:innen (etwa Staatssekretär:innen und Abteilungsleiter:innen) zur regelmäßigen Offenlegung ihrer finanziellen Interessen und Unternehmensbeteiligungen, unabhängig von ihrer Größenordnung. Die veröffentlichungspflichtigen Angaben sollten von einer unabhängigen Prüfinstanz mit umfassenden Ermittlungsbefugnissen kontrolliert werden.

Hier geht es zu unserer neuen Petition „Vermögen offenlegen – Vertrauen zurückgewinnen!“, die seit Juni 2025 bereits mehr als 20.000 Unterschriften erreicht hat.

Politiker:in wägt ab zwischen eigenem Geldbeutel und dem Wohl der Bürger:innen

Vermögen offenlegen – Vertrauen zurückgewinnen

21.618 Menschen unterstützen die Petition
25.000 Zeichnungen müssen erreicht werden

5. Reformbedarf bei den Parteispenden-Regelungen

Kritik: von EU-Kommission und vom Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE (BDIMR)

Die Regelungen zur Parteienfinanzierung wurden von der EU-Kommission und dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE (BDIMR) bewertet:

  • Auf der einen Seite begrüßt die EU-Kommission die schärferen Regeln – insbesondere die strengeren Offenlegungspflichten bei Großspenden (seit März 2024 müssen diese ab 35.000 Euro sofort gemeldet werden und nicht erst ab 50.000 Euro wie zuvor), zum Parteisponsoring sowie zum Verbot versteckter Wahlkampffinanzierung. Auf der anderen Seite hebt sie einige Schwachstellen hervor, etwa die fehlende Obergrenze für Partei- und Wahlkampfspenden, die verspätete und unzugängliche Veröffentlichung von Parteispenden sowie die mangelnde Regulierung von „Weiterleitungsspenden“. Darüber hinaus kritisiert sie die fehlenden “Untersuchungsbefugnisse“ der Bundestagsverwaltung bei der Kontrolle der Parteispenden und empfiehlt stattdessen die Einrichtung eines „weisungsunabhängigen Kontrollgremiums“ (S. 15).
  • Die BDIMR Wahlbewertungskommission teilt diese Kritik in all den von der EU-Kommission genannten Bereichen und dehnt sie noch auf die Wahlkampffinanzierung aus: „Die Kontrolle erfolgt durch den Präsidenten des Bundestages über eine Verwaltungsabteilung mit zehn Mitarbeitenden […]. Für den Wahlkampf ist keine spezifische Aufsicht vorgesehen. […] Die begrenzten personellen Kapazitäten der Abteilung sowie das Fehlen von Ermittlungsbefugnissen und die fehlende Unabhängigkeit vom Bundestag gewährleisten keine wirksame Kontrolle.“ (S. 29)
  • Besonders kritisch sieht sie, dass die früheren Empfehlungen des BDIMR und der GRECO zur Parteienfinanzierung und zur Transparenz über die Wahlkampffinanzierung bis heute nicht umgesetzt wurden (S. 24). Sie ist zudem der Ansicht, dass die Schwellenwerte für die sofortige Veröffentlichung von Spenden weiter gesenkt werden“ sollten (S.29) und mahnt eine bessere Transparenz über die Parteien- und Wahlkampffinanzierung an. Als Beispiel nennt sie die zeitnahe Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte der Parteien, um die öffentliche Kontrolle zu gewährleisten (S.28). 

Forderung von abgeordnetenwach:

Wir fordern schon lange die Deckelung von Privatspenden auf 10.000 Euro pro Jahr sowie darüber hinaus ein Verbot von Unternehmensspenden an Parteien. Zudem sollten unserer Meinung nach Parteispenden bereits ab 1.000 Euro transparent gemacht, alle Parteispenden von einer unabhängigen Prüfinstanz kontrolliert und Verstöße wirksam sanktioniert werden. 

Hier geht es zu unserer Petition „Unternehmensspenden an Parteien verbieten, Privatspenden deckeln!“, die bereits von mehr als 76.000 Menschen unterzeichnet wurde.

6. Unabhängige Prüfinstanz statt wirkungsloser Kontrolle

Kritik: von EU-Kommission und vom Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE (BDIMR)

  • Die EU-Kommission kritisiert im Rechtstaatlichkeitsbericht die mangelnde Kontrolle und Durchsetzung der Bundestagsverwaltung bei gesetzeswidrigem Handeln in verschiedenen Bereichen. Sie bemängelt vor allem die begrenzten Untersuchungsbefugnisse der Bundestagsverwaltung in den Bereichen:
  1. Lobbytransparenz (zur Überprüfung des Lobbyregisters),
  2. Abgeordnetentransparenz (zur Überprüfung von Nebeneinkünften und (finanziellen) Interessenkonflikten von Abgeordneten)
  3. Transparenz über die Parteienfinanzierung (zur Überprüfung von Parteispenden und Sponsoring)

Aus diesen Gründen empfiehlt die EU-Kommission die Einrichtung eines „weisungsunabhängigen Kontrollgremiums“ (S.15).

  • Die BDIMR Wahlbewertungsmission der OSZE teilt die Kritik der unwirksamen Kontrolle insbesondere mit Blick auf die Überprüfung der Parteien- und Wahlkampffinanzierung. Sie schreibt dazu: „Die begrenzten personellen Kapazitäten der Abteilung sowie das Fehlen von Ermittlungsbefugnissen und die fehlende Unabhängigkeit vom Bundestag gewährleisten keine wirksame Kontrolle.“ (S. 29) Bislang sind zwar Geldbußen bei Verstößen gegen das Parteiengesetz durch die Bundestagspräsidentin möglich und in bestimmten Fällen auch strafrechtliche Sanktionen, doch werden diese in der Praxis selten verhängt (S.29).
  • Die BDIMR bemängelt den ausbleibenden Fortschritt Deutschlands in diesem Punkt, obwohl frühere Wahlbewertungsmissionen und die GRECO wiederholt die Einrichtung einer „unabhängigen Aufsichtsbehörde mit angemessenen Kontrollbefugnissen, ausreichender personeller Ausstattung und entsprechender Fachkompetenz“ (S.24) empfohlen hatten. Auch für die Wahlkampffinanzierung empfiehlt die BDIMR im Einklang mit internationalen Standards, dass „der rechtliche Rahmen dahingehend geändert werden [sollte], dass eine unabhängige Aufsichtsbehörde für die Wahlkampffinanzierung eingerichtet wird“ (S. 29).
  • Kritisch sieht das BDIMR außerdem, dass die verpflichtenden Berichte der Bundestagspräsidentin – etwa über die Finanzierung politischer Parteien – „mit erheblicher Verzögerung veröffentlicht [werden], was den Zugang zu Informationen einschränkt.“ Der letzte Bericht zum Zeitraum 2015 bis 2019 stammt noch aus dem Jahr 2021, der nächste Bericht muss dem neu gewählten Bundestag erst noch vorgelegt werden (S. 29). 

Forderung von abgeordnetenwatch:

Wir kritisieren die fehlende Unabhängigkeit und die unwirksame Kontrolle durch die Bundestagsverwaltung schon lange. Die Bundestagsverwaltung ist nämlich der Bundestagspräsidentin unterstellt, aktuell also Julia Klöckner. Als Parteimitglied und Abgeordnete mit besonderer Lobbynähe sowie womöglich eigenen Nebeneinkünften und Unternehmensbeteiligungen ist die Bundestagspräsidentin in ihrer Kontrollfunktion für Nebeneinkünfte und (finanzielle) Interessenkonflikte von Abgeordneten, für das Lobbyregister sowie Parteispenden jedoch befangen. 

Daher fordern wir eine unabhängige Prüfinstanz, eine sogenannte Transparenz-Kontrolle, deren Mitglieder demokratisch gewählt und frei von eigenen Interessenkonflikten und parteipolitischen Einflüssen sind. Diese Stelle muss Nebentätigkeiten, Unternehmensbeteiligungen und (finanzielle) Interessenkonflikte von Abgeordneten, Lobbyregistereinträge und Parteispenden sowie Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft umfassend und transparent kontrollieren. Bei Verstößen müssen wirksame Sanktionen verhängt und zeitnah transparent gemacht werden. 

Hier geht es zu unserer Petition „Unabhängige Transparenz-Kontrolle jetzt!“, die bereits mehr als 22.000 Unterschriften erreicht hat. 

7. Reform des Informationsfreiheitsgesetzes – mit Mehrwert?

Kritik: von GRECO und EU-Kommission

  • Seit Jahren empfiehlt die GRECO der Bundesregierungdas Informationsfreiheitsgesetz einer unabhängigen und gründlichen Überprüfung zu unterziehen, […] und […] zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um – soweit notwendig – den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen auf Bundesebene zu verbessern“ (S. 5).
  • Zwar gab es in der vergangenen Legislaturperiode auf Basis des Koalitionsvertrags der Ampelregierung vorbereitende Arbeiten des Innenministeriums an einem Bundestransparenzgesetz, jedoch wurden diese nicht rechtzeitig vor dem Scheitern der Ampel-Koalition abgeschlossen. Sowohl die GRECO als auch die EU-Kommission bemängeln die ausgebliebenen Fortschritte bei der Stärkung der Informationsfreiheit. Die EU-Kommission weist in ihrem Bericht auf den zivilgesellschaftlichen Appell für ein „umfassendes bundesweites Transparenzgesetz“ hin (S.12).
  • Nun hat die schwarz-rote Regierung aus CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag eine Reform des Informationsfreiheitgesetzes „mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung“ angekündigt. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die angekündigte Reform auch tatsächlich einen Fortschritt oder vielmehr einen Rückschritt für die Bürger:innen darstellen wird. 

Forderung von abgeordnetenwatch:

Ein Bundestransparenzgesetz ist ein gutes und wichtiges Mittel, um die politische Teilhabe von Bürger:innen zu stärken und politische Entscheidungen transparent und nachvollziehbar zu machen. Dass es dieses dringend notwendige und bereits von der Vorgängerregierung versprochene Gesetz immer noch nicht gibt, ist nicht nachvollziehbar.

Bereits 2022 legten wir gemeinsam mit einem großen zivilgesellschaftlichen Bündnis, dem neun weitere Organisationen angehören, der Bundesregierung und dem Bundestag einen Gesetzentwurf für ein Bundestransparenzgesetz vor, das eine automatische Veröffentlichungspflicht vorsieht. Mit diesem Gesetz wäre die Empfehlung der GRECO umgesetzt. Im Juni 2024 haben wir dazu eine Petition mit über 50.000 Unterschriften an Abgeordnete der Ampelfraktionen übergeben. 

Wir werden uns im Bündnis weiter für ein Bundestransparenzgesetz und den Erhalt der Informationsfreiheit stark machen.

Notendurchschnitt mangelhaft - ein Alarmsignal für Deutschland! 

Die Bilanz der internationalen Korruptionswächter:innen fällt sehr enttäuschend aus: In den meisten kritisierten Themenfeldern ist in den letzten Jahren trotz Ankündigungen nichts passiert – etwa beim Transparenzgesetz oder einer unabhängigen Transparenz-Kontrolle. 

In anderen Bereichen wurden zwar Reformen auf den Weg gebracht – etwa beim Lobbyregister, dem Exekutiven Fußabdruck, den Karenzzeitregelungen, der Vermögenstransparenz oder der Parteienfinanzierung. Diese greifen in der Praxis jedoch viel zu kurz und zeigen kaum Wirkung, wie unsere Bilanz der Ampel-Regierung gezeigt hat. 

Drei Rügen für Deutschland – mit Konsequenzen?

Die GRECO kommt zum Schluss, „dass Deutschland die Empfehlungen des Evaluierungsberichts der fünften Runde […] nicht in ausreichendem Maße erfüllt." Eine klare Rüge, die anscheinend bald Konsequenzen nach sich ziehen könnte! Noch bis März 2026 hat Deutschland Zeit, die noch ausstehenden GRECO-Empfehlungen umzusetzen und darüber zu berichten. 

Auch die EU-Kommission wird sich den Umsetzungsfortschritt in ihrem nächsten Rechtsstaatlichkeitsbericht 2026 genau anschauen. 

Das internationale Ansehen Deutschlands hängt unter anderem davon ab, wie gut oder schlecht Deutschland die internationalen Erwartungen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Förderung der Integrität und Transparenz in Zukunft erfüllt.

Was bedeutet die internationale Kritik für die Demokratie und unsere Arbeit? 

Wir sind mit unserer Kritik und unseren Forderungen nicht alleine und die Bewertungen der EU-Kommission, der GRECO und dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE (BDIMR) haben Gewicht. Ob die schwarz-rote Koalition die internationalen Rügen jedoch ernst nimmt und sich glaubhaft für mehr Transparenz, Integrität und eine Begrenzung der Einflussnahme auf die Politik einsetzen wird, bleibt abzuwarten. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD dämpft die Erwartungen hinsichtlich Verbesserungen jedoch, wie unser Transparenz-Check zum Vertrag verdeutlicht. 

Wir lassen nicht nach! 

Mit unseren Forderungen, Petitionen und politischen Gesprächen werden wir weiter Druck auf die Regierung und insbesondere das Bundesinnenministerium machen, bis sich Deutschlands Transparenz-, Integritäts- und Antikorruptionsbilanz spürbar verbessert. 

Fest steht: Deutschland muss jetzt handeln. Sonst droht das Vertrauen der Bürger:innen in die Politik und ihre rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen weiter zu schwinden. Das wäre eine zu große Gefahr für unsere Demokratie!

Politiker:in wägt ab zwischen eigenem Geldbeutel und dem Wohl der Bürger:innen

Vermögen offenlegen – Vertrauen zurückgewinnen

21.618 Menschen unterstützen die Petition
25.000 Zeichnungen müssen erreicht werden

Über die bewertenden Institutionen und ihre Verfahren:

EU-Kommission: Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2025

Die EU-Kommission veröffentlicht jährlich einen Bericht, in dem sie die Rechtsstaatlichkeit der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten unter die Lupe nimmt, so auch im Juli 2025. In diesem Artikel haben wir den Fokus auf das Länderkapitel zu Deutschland und die Kritik sowie Empfehlungen in den Bereichen politische Einflussnahme, Integrität und Transparenz gelegt. 

Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO): 2. Umsetzungsbericht der 5. Evaluierungsrunde 2025

Die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates, GRECO, wurde 1999 gegründet und hat aktuell rund 50 Mitgliedsstaaten. Die GRECO hat ein Evaluierungsverfahren für die Mitgliedsstaaten aufgesetzt, das seit dem Jahr 2000 läuft. Bereits fünfmal wurde die Korruptionsprävention und Integritätsförderung in Deutschland evaluiert. Seit August liegt der Zweite Umsetzungsbericht vor, der die Maßnahmen der deutschen Behörden zur Umsetzung der Empfehlungen aus dem Evaluierungsbericht der fünften Runde über Deutschland bewertet. Er befasst sich mit der „Korruptionsprävention und Integritätsförderung in Zentralregierungen (hochrangige Entscheidungsträgerinnen und -träger der Exekutive) und Strafverfolgungsbehörden". In diesem Artikel beziehen wir uns auf diesen Zweiten Umsetzungsbericht. Wir haben dabei den Fokus auf die Empfehlungen in den Bereichen politische Einflussnahme, Integrität und Transparenz gelegt und die anderen Empfehlungen – etwa zu den Strafverfolgungsbehörden – ausgeklammert.

Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE: Abschlussbericht zur Wahlbewertungsmission 2025

Das BDIMR mit Sitz in Warschau, Polen, ist die menschenrechtliche Institution der OSZE – Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Es ist die führende Institution in Europa im Bereich der Wahlbeobachtung. Es wurde auf dem Pariser Gipfel 1990 als Büro für freie Wahlen gegründet und nahm im Mai 1991 seine Arbeit auf. Jedes Jahr koordiniert und organisiert es Wahlbeobachtungsmissionen im OSZE-Raum und kontrolliert, ob diese nach nationalen und internationalen rechtsstaatlichen sowie demokratischen Standards ablaufen. In diesem Artikel beziehen wir uns auf den Abschlussbericht des BDIMR zur Wahlbewertungsmission rund um die vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar 2025 und haben dabei den Fokus auf die Bereiche Parteien- und Wahlkampffinanzierung sowie unabhängige Transparenz-Kontrolle gelegt.

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