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Transparenz-Check des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD

Wie viel Transparenz steckt im neuen Koalitionsvertrag?

Transparenz, Kontrolle, Vertrauen – große Worte im politischen Alltag. Doch was hat sich die neue Regierung konkret vorgenommen? Wir haben uns den frisch unterzeichneten Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD genau angesehen.

von Lara Siever, 07.05.2025

Gestern wurde mit Friedrich Merz ein neuer Bundeskanzler gewählt und das schwarz-rote Kabinett vereidigt. Für uns als Transparenzorganisation ist das ein guter Anlass, um den Koalitionsvertrag genauer unter die Lupe zu nehmen. Schließlich ist er richtungsweisend für die Politik der nächsten vier Jahre. Wir schauen uns an: Welche Rolle spielen Transparenz sowie die Kontrolle von Lobbyismus und Parteispenden im neuen Regierungsprogramm? Was bedeuten die Regierungspläne für das Vertrauen der Menschen in die parlamentarische Demokratie? 

Bei der Analyse des Koalitionsvertrags – wie zuvor schon bei der Analyse der Wahlprogramme – konzentrieren  wir uns auf acht zentrale Themen. Sie sind für uns entscheidend, wenn es darum geht, Parteispenden und Lobbyismus zu begrenzen, mehr Transparenz zu schaffen und so das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. 

Diese Themen sind: 

  • Deckelung von Privatspenden
  • Verbot von Unternehmensspenden an Parteien
  • Kontakttransparenz im Lobbyregister
  • Lobby-Fußabdruck
  • Verlängerung der Karenzzeit
  • Reform der Veröffentlichungspflichten von Abgeordneten zu Nebentätigkeiten
  • Unabhängige Transparenz-Kontrolle
  • Transparenzgesetz / Reform des Informationsfreiheitsgesetzes

Was verspricht die schwarz-rote Koalition in Sachen Transparenz, Lobbyismus und Parteispenden?

 

I) Regierungsvorhaben zur Regulierung von Parteispenden – keine 

Der Koalitionsvertrag sieht keine schärferen Regeln für Parteispenden vor. Doch gerade dieser Wahlkampf hat gezeigt, wie dringend wirksamere Regeln gebraucht werden – umso enttäuschender, dass die neue Koalition hier nicht konsequenter handelt.

Deckelung von Privatspenden & Verbot von Unternehmensspenden an Parteien - nicht enthalten

Auf Basis des Koalitionsvertrags ist in den nächsten vier Jahren weder mit einem Verbot von Unternehmensspenden an Parteien, noch mit einer Begrenzung von Privatspenden an Parteien oder schärferen Transparenzvorschriften für Parteispenden allgemein zu rechnen. 

Dabei hatten wir einen Rekordspenden-Wahlkampf, in dem insgesamt 24 Millionen Euro zwischen dem Bruch der Ampelkoalition und der Bundestagswahl an die Parteien flossen. Wie notwendig Nachschärfungen im Parteiengesetz wären, offenbarten mehrere Millionenspenden, verdächtige Lobbyspenden sowie dubiose Parteispenden nicht geklärter Herkunft. 

Auch für das Vertrauen der Bürger:innen in die Parteien und die Demokratie, wären politische Maßnahmen in diesem Themenfeld dringend erforderlich. Mehr als 177.000 Menschen haben bereits unsere Petition „Unternehmensspenden an Parteien verbieten, Privatspenden deckeln!“ unterzeichnet. Als wir die Petition während der Koalitionsverhandlungen an den SPD-Verhandler und Bundestagsabgeordneten Dr. Johannes Fechner übergeben haben, sagte er zu, sich für unser Anliegen einsetzen zu wollen. 

Laut einer von uns in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage Anfang 2025 sind 91 % der Bürger:innen der Ansicht, dass Großspenden politische Entscheidungen beeinflussen. Zwei Drittel fordern sogar eine gesetzliche Obergrenze für private Spenden an Parteien. Ihre Meinung wurde von den künftigen Regierungsparteien im Koalitionsvertrag nicht berücksichtigt. Wir bleiben dran und setzen uns auch im Rahmen der nächsten Legislaturperiode für eine Reform der Parteispendenregelungen ein.  

II) Regierungsvorhaben zur Regulierung von Lobbyismus – keine 

Auch beim Thema Lobbyismus und Seitenwechseln von der Politik in die Wirtschaft mangelt es der neuen Bundesregierung am Problembewusstsein und an einer Vision. Laut Koalitionsvertrag sieht sie keinen Bedarf für Reformen. Dabei sorgen Lobbyskandale wie Maskendeals, Porschegate oder auch der Lobbyeinfluss der Gastronomiewirtschaft auf den Koalitionsvertrag immer wieder für negative Schlagzeilen. Grund dafür ist die zu große Nähe zwischen Politiker:innen und Interessenvertreter:innen, bei der oft viel Geld im Spiel ist.

Kontakttransparenz im Lobbyregister - nicht enthalten

Das Lobbyregister wurde vor vier Jahren beschlossen und bereits einmal reformiert. Der erste Bericht zum Zeitraum 2022 bis 2024 liegt nun vor und zeigt auf, welche Lobbyist:innen und Lobbyagenturen mit welchen Budgets Lobbyarbeit gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag für bestimmte Gesetzesvorhaben betreiben. Auffällig dabei ist, dass das Lobby-Budget von Konzernen und Verbänden ein Vielfaches über dem liegt, was gemeinnützige Akteur:innen wie NGOs dafür ausgeben. 

Was jedoch weiter im Verborgenen bleibt, ist, welche Lobbyist:innen sich wann zu welchem Thema mit Politiker:innen treffen, um Einfluss auf die Politik zu nehmen. So konnte beispielsweise erst durch unsere eigenen Recherchen aufgedeckt werden, dass der DVAG-Cheflobbyist sich zum Zwecke einer Parteispenden-Scheckübergabe mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz getroffen hat, oder dass Sigmar Gabriel im Interesse der Deutschen Bank bei der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel lobbyierte. Damit derartige Verstrickungen zwischen Lobbyist:innen und Politiker:innen sichtbar werden, braucht es dringend eine gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung von Lobbykontakten, eine sogenannte Kontakttransparenz.

Gemeinsam mit knapp 46.000 Menschen fordern wir in unserer Petition „Volle Lobbytransparenz jetzt!“ eine solche Kontakttransparenz, also die Offenlegung aller Lobbykontakte im Lobbyregister. 

Volle Lobbytransparenz jetzt

Volle Lobbytransparenz jetzt!

50.742 Menschen unterstützen die Petition
50.000 Zeichnungen müssen erreicht werden

Lobby-Fußabdruck - nicht enthalten

Neben der Kontakttransparenz vermissen wir auch eine Gesetzesinitiative für einen umfassenden Lobby-Fußabdruck im Koalitionsvertrag. Die Ampel-Koalition hat zwar vor gut einem Jahr einen „exekutiven Fußabdruck“ beschlossen. Doch handelt es sich dabei nur um eine überschaubare Änderung der Geschäftsordnung der Bundesministerien mit vielen Lücken. Da es keine gesetzliche Verpflichtung gibt, wird der exekutive Fußabdruck bislang eher schlecht und nicht einheitlich umgesetzt – somit verfehlt er die beabsichtigte Wirkung. Immerhin hatte die Ampelregierung vereinbart, den exekutiven Fußabdruck bis Ende 2025 zu evaluieren. Es bleibt abzuwarten, ob die schwarz-rote Koalition sich diesem Vorhaben annimmt und ob sie – genauso wie wir – zu dem Ergebnis kommt, dass es an dieser Stelle Reformbedarf gibt. Mit uns fordern bereits knapp 15.000 Menschen im Rahmen unserer Petition einen wirksamen Lobby-Fußabdruck per Gesetz.

Verlängerung der Karenzzeit - nicht enthalten

Das Thema Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft wird im Koalitionsvertrag ausgeklammert. Das lässt darauf schließen, dass die schwarz-rote Koalition keine Verlängerung der Karenzzeit – eine Art „Abkühlphase“ der politischen Kontakte – von ausscheidenden Regierungsmitgliedern und Parlamentarischen Staatssekretär:innen bevor sie in die Wirtschaft wechseln dürfen, anstrebt.

Wir fordern eine mindestens drei Jahre dauernde verpflichtende Karenzzeit zwischen einem politischen Amt und dem Wechsel in die Wirtschaft. Nur so wird sichergestellt, dass die Kontakte und das Insider:innenwissen aus der Politik beim Wechsel in die Wirtschaft nicht mehr „heiß“ sind. Wie relevant schärfere Karenzzeit-Regeln sind, zeigen die zahlreichen Seitenwechsel von ehemaligen Politiker:innen und Regierungsbeamten unter der Ampel-Regierung in die Privatwirtschaft. 

Die ehemalige FDP-Bundestagsfraktion hatte intern sogar einen Stellenmarkt für die Privatwirtschaft beworben, um ihre Mitarbeiter:innen zu “versorgen”. 

Die Problematik dieses sogenannten Drehtür-Effekts hat auch unser Lobbyismus-Experiment in Kooperation mit dem ZDF offengelegt: Undercover im Bundestag haben wir selbst miterlebt, dass sich mit ausreichend finanziellen Mitteln Kontakte zu Minister:innen kaufen lassen. Unseren vermeintlichen Lobbyist:innen wurden gegen hohe Summen Treffen mit Minister:innen und Staatssekretär:innen in Aussicht gestellt. Mehr dazu in der kompletten Recherche zum Lobbyismus-Experiment

III) Regierungsvorhaben für mehr Transparenz – unklar

Spannend bleibt es im Themenbereich Transparenz - und vage. Der Koalitionsvertrag sieht weder eine unabhängige Transparenz-Kontrolle für die Überprüfung von Parteispenden, dem Lobbyregister oder den Nebentätigkeiten von Abgeordneten vor, noch Nachschärfungen bei den Veröffentlichungspflichten der Abgeordneten zu Nebentätigkeiten. Auch an anderen Stellen bleibt der Vertrag unkonkret. Zum Beispiel ist unklar, wie die Reform des Informationsfreiheitsgesetzes zu bewerten ist. 

Reform der Veröffentlichungspflichten von Abgeordneten zu Nebentätigkeiten - nicht enthalten

Die neuen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD sehen offenbar keinerlei Nachbesserungsbedarf bei den Veröffentlichungspflichten von Abgeordneten zu Nebentätigkeiten. Dabei greift das Abgeordnetengesetz an dieser Stelle bisher zu kurz: Es erlaubt ihnen eine verzögerte Veröffentlichung ihrer Nebentätigkeiten und verlangt von den Abgeordneten bislang keine vollständige Transparenz zu den Nebeneinkünften auf Euro und Cent, sondern nur eine grobe finanzielle Einordnung. 

Unabhängige Transparenz-Kontrolle - nicht enthalten

Parteispenden, Lobbyregistereinträge, Nebentätigkeiten und Interessenkonflikte von Abgeordneten - all das wird bislang von der Bundestagsverwaltung überprüft, der die Bundestagspräsidentin vorsteht. Letztere hat jedoch einen Interessenkonflikt: Sie hat als Abgeordnete eigene Nebeneinkünfte, wird selbst von Lobbyist:innen lobbyiert und gehört zum Spitzenpersonal einer Partei, die – wie die meisten Parteien – Spenden entgegennimmt. Im Fall der neuen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner ist dieser Interessenkonflik besonders heftig. In der Vergangenheit sorgte sie immer wieder für Schlagzeilen wegen ihrer Lobbynähe. 

Daher ist es längst überfällig und dringend notwendig, dass die Bundestagsverwaltung diese Prüfkompetenzen an eine unabhängige Stelle abgibt. Doch die neue Regierungskoalition scheint kein Problem mit diesem offensichtlichen Interessenkonflikt zu haben. Da es keine Reformpläne gibt, wird sie aller Voraussicht nach die oben genannten Prüfbereiche bei der Bundestagsverwaltung belassen, statt sie an eine unabhängige Transparenz-Kontrolle auszulagern, die wirklich hält, was sie verspricht. Dabei zeigten sich schon die ehemaligen Bundestagspräsident:innen Norbert Lammert und Bärbel Bas offen für eine solche Reform. Im Herbst 2024 haben wir die Petition „Unabhängige Transparenz-Kontrolle jetzt!“ gestartet, die bereits von mehr als 20.000 Menschen unterzeichnet wurde. 

Transparenzgesetz / Reform des Informationsfreiheitsgesetzes - unklar

Medial besonders viel Aufmerksamkeit hat die umstrittene Passage zum Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erhalten. Wir haben das IFG verteidigen müssen, da es während der Verhandlungen sogar Bestrebungen seitens der Union gab, es ganz abzuschaffen. Immerhin haben unser zivilgesellschaftlicher Protest und öffentlicher Druck gewirkt - wir konnten die geplante Abschaffung verhindern. Die finale Passage im Koalitionsvertrag gibt zumindest etwas Grund zur Hoffnung: 

„Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung reformieren.“ (Zeile 1895-1896)

Was unter dieser „Reform mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung“ zu verstehen ist, bleibt offen. Dass ein von der Union geführtes Innenministerium ausgerechnet bei der Informationsfreiheit vorangeht, erscheint angesichts ihrer bisherigen Transparenzpolitik mehr als fraglich. Doch es bleibt ein Hoffnungsschimmer, dass das Informationsfreiheitsgesetz ggf. doch noch zu einem richtigen Transparenzgesetz weiterentwickelt werden könnte. Solch ein Gesetz wäre in der Tat bürger:innenfreundlich, da es proaktiv Regierungsinformationen bereitstellen würde. Zudem könnte es tatsächlich auch die Verwaltung entlasten – wenn es so ausgestaltet werden würde, wie wir es im Bündnis mit anderen NGOs in einem Gesetzesentwurf gefordert haben. Wir werden uns weiter für ein Bundestransparenzgesetz sowie den Erhalt der Informationsfreiheit stark machen. 

Fazit: Welche Rolle spielt Transparenz im Koalitionsvertrag?

Unsere Bilanz des Koalitionsvertrags fällt als Transparenzorganisation ernüchternd aus: Es gibt kaum Fortschritte – und noch weniger Hoffnung auf echte Reformen. Zentrale Transparenzthemen wurden ausgeklammert: Kein Wort zu gesetzlichen Regelungen für Parteispenden, zu einem gesetzlich verpflichtenden Lobby-Fußabdruck, einer Kontakttransparenz im Lobbyregister, zu schärferen Offenlegungspflichten von Nebentätigkeiten oder zu wirksameren Karenzzeiten. Das lässt tief blicken: Die neue Bundesregierung misst Transparenz und demokratischer Kontrolle offenbar keine Priorität bei.

Besonders kritisch sehen wir die Rolle des Bundesinnenministeriums, das künftig von Alexander Dobrindt (CSU) geführt werden soll. Ohne konkrete Vereinbarungen im Koalitionsvertrag ist kaum zu erwarten, dass ausgerechnet dieses Haus Reformen aus eigener Initiative anstößt. Im Gegenteil: Es besteht Anlass zur Sorge, dass bestehende Errungenschaften – etwa das Informationsfreiheitsgesetz – ausgehöhlt werden könnten.

Was bedeuten die Regierungspläne für das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie und für unsere Arbeit? 

Angesichts des ohnehin schon geringen Vertrauens der Bürger:innen in die Parteien und die Demokratie, ist es ein fatales Signal, dass die neue Bundesregierung den Themen Transparenz und demokratische Kontrolle so wenig Beachtung schenkt. Sie unterschätzt die Gefahr, dass sich noch mehr Menschen politisch machtlos fühlen – und sich abwenden. Gerade in Zeiten eines spürbaren Rechtsrucks braucht es jedoch mehr demokratische Stärke, nicht weniger.

Unsere Rolle als regierungsunabhängige und kritische Transparenzorganisation ist in dieser Legislaturperiode wichtiger denn je. Trotz des Gegenwinds geben wir nicht auf. Unsere Erfolge – oft hart erkämpft, aber wirkungsvoll – zeigen, dass sich Beharrlichkeit lohnt. Mit politischen Gesprächen, Recherchen und Kampagnen werden wir die Regierungsarbeit in den nächsten vier Jahren weiterhin kritisch begleiten. Und der Rückhalt durch unsere Unterstützer:innen motiviert uns, weiter Druck zu machen. 

Es kommt jetzt auf uns alle an. Lassen Sie uns gemeinsam noch lauter werden – und den politischen Druck erhöhen. Für mehr Transparenz. Für echte Kontrolle. Für eine gerechtere Demokratie – für ALLE.

Volle Lobbytransparenz jetzt

Volle Lobbytransparenz jetzt!

50.742 Menschen unterstützen die Petition
50.000 Zeichnungen müssen erreicht werden

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