Ganz sicher haben Sie sich dieses Jahr auch ganz anders vorgestellt. Bevor ein hoffentlich gutes 2021 anbricht, möchten wir Ihnen mit unserem Jahresrückblick noch ein bisschen Lesestoff geben. Teil II erscheint in den kommenden Tagen.
Unsere Themen:
- Das verdienen Ihre Abgeordneten im Nebenjob
- Scheuer wusste frühzeitig von drohendem Schadensersatz bei PKW-Maut
- Letzte Chance: Warum wir vors Bundesverfassungsgericht ziehen
- Die diskreten Lobbydienste von Karl-Theodor zu Guttenberg
- Eine dubiose FDP-Parteispende – und was dann geschah
- Der CDU-Bundestagsabgeordnete und die Corona-Schutzmasken
- Freiwillige Transparenzoffensive: Abgeordnete stellen Steuerbescheid und Lobbykontakte ins Netz
- „Unfassbar“: Was Moderator Oliver Welke als Privatperson zum fehlenden Lobbyregister zu sagen hat
- Fragen und Antworten aus diesem Jahr
Das verdienen Ihre Abgeordneten im Nebenjob

© | DBT/Thomas Trutschel/photothek.net |
165.000 Euro von der Pharmalobby, ein gut bezahlter Beraterjob bei einem Kohlekonzern: Bundestagsabgeordnete wie Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und der frühere Unions-Fraktionschef Volker Kauder haben beträchtliche Zahlungen aus der Wirtschaft erhalten. Das zeigen gemeinsame Recherchen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL.
Auch andere bekannte Parlamentarier:innen haben seit der Bundestagswahl hohe Nebeneinkünfte erhalten. So meldete FDP-Chef Christian Lindner dem Bundestagspräsidenten mindestens 420.000 Euro, darunter zahlreiche Honorare für die Teilnahme an firmeninternen Netzwerktreffen. Insgesamt gehen gut 30 Prozent der Bundestagsabgeordneten mindestens einer bezahlten Tätigkeit nach.
Was verdienen Ihre Abgeordneten im Nebenjob? Finden Sie es hier heraus (durchsuchbare Tabelle am Ende des Artikels)
Der SPIEGEL berichtete in diesem Artikel über die gemeinsame Recherche.
Scheuer wusste frühzeitig von drohendem Schadensersatz bei PKW-Maut

© | picture alliance/dpa-Pool | Michael Kappeler |
Als Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor einiger Zeit vor dem Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen musste, plagte ihn ein erstaunlicher Gedächtnisverlust. Klar ist aber in jedem Fall: Die gescheiterte PKW-Maut des Ministers wird die Allgemeinheit hunderte Millionen Euro kosten – auch deshalb, weil Scheuer Warnungen seiner Fachleute offenkundig ignorierte. Eine vertrauliche Vorlage aus dem Bundesinnenministerium belegt, dass der CSU-Minister frühzeitig über drohende Schadensersatzzahlungen informiert war. Wir veröffentlichen die als Verschlusssache ("Nur für den Dienstgebrauch") eingestufte Ministervorlage, die unsere Partnerorganisation FragDenStaat.de erhalten hat.
Scheuer wusste frühzeitig von drohendem Schadensersatz bei PKW-Maut
Schon im Mai hatten wir pikante Unterlagen aus dem Verkehrsministerium publik gemacht. Lesen Sie hier noch einmal unsere Recherche: Wie das Verkehrsministerium die Maut-Aufklärung erschweren wollte
Letzte Chance: Warum wir vors Bundesverfassungsgericht ziehen

© | picture alliance / dpa | Uli Deck |
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat im Juni ein Parteispenden-Urteil gegen uns gefällt, das fatale Konsequenzen für die Allgemeinheit hat: Die Prüfung der Parteifinanzen durch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und seine Verwaltung findet künftig in einer Dunkelkammer statt – eine öffentliche Kontrolle ist nicht mehr möglich. Die Auswirkungen des Urteils dürften aber noch sehr viel weitreichender sein. Für uns gibt es nur noch eine Möglichkeit, gegen den Richterspruch vorzugehen: mit einer Verfassungsbeschwerde. Diese haben wir im September in Karlsruhe eingereicht.
Warum wir vor das Bundesverfassungsgericht ziehen
Wir wollen die Entscheidung über mehr Transparenz aber nicht allein dem Bundesverfassungsgericht überlassen. Deswegen haben wir eine Petition an den Bundestag gestartet, in der wir strengere Transparenzgesetze für Parteispenden fordern. Bitte unterzeichnen und teilen Sie jetzt unsere Petition "Macht die Finanzen der Parteien endlich öffentlich!"
Die diskreten Lobbydienste des Karl-Theodor zu Guttenberg

© | picture alliance / dpa | Tobias Hase |
Als Karl-Theodor zu Guttenberg 2011 wegen der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit als Verteidigungsminister zurücktrat, wurde es erst einmal ruhig um ihn. Doch damit ist es seit einigen Monaten vorbei. Seitdem gelangen immer neue Einzelheiten zu Guttenbergs diskreten Lobbytätigkeiten an die Öffentlichkeit:
- Im August deckten wir auf, dass der frühere Verteidigungsminister einen Kontakt für eine US-Investmentbank zur Bundesregierung vermittelte
- Dann enthüllten wir ein Lobbytreffen von Karl Theodor zu Guttenberg mit Bundeskanzlerin Merkel zu Wirecard, das die Bundesregierung geheim hielt
- Später machten wir publik, dass eine Guttenberg-Firma auch beim deutschen Botschafter in Peking für den Skandalkonzern Wirecard Klinken putzen ging
- Schließlich machten wir interne Dokumente öffentlich, die zeigen, wie Kanzlerin Merkel ihren ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg für eine bevorstehende China-Reise um Argumentationshilfe zu Wirecard bat.
Dass Lobbyisten wie Karl-Theodor zu Guttenberg im Verborgenen schalten und walten, kommt in aller Regel nur durch Recherchen ans Licht. Diese Recherchen sind ungemein wichtig: Sie erzeugen einen Handlungsdruck, dem sich unsere Abgeordneten irgendwann nicht mehr entziehen können. Bestes Beispiel dafür ist die Amthor-Affäre, deren Enthüllung durch Journalist:innen dazu geführt hat, dass die GroKo um die Einführung eines Lobbyregisters nicht mehr herumgekommen ist.
Lobbydienstleistern wie Guttenberg ist es natürlich ein Dorn im Auge, wenn abgeordnetenwatch.de und andere offenlegen, was eigentlich vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll. Machen Sie weitere Recherchen möglich und werden Sie jetzt Förder:in von abgeordnetenwatch.de. So bilden Sie gemeinsam mit uns ein unverzichtbares Gegengewicht zu geheimem Lobbyismus!
Unterstützen können Sie uns schon ab 5 Euro im Monat. Ihr Förderbeitrag ist übrigens steuerlich absetzbar.
Eine dubiose FDP-Parteispende – und was dann geschah

© | Pixabay License |
In Zeiten von Schulschließungen wegen der Corona-Pandemie sind digitale Lernkompetenzen eigentlich wichtiger denn je. Doch in Nordrhein-Westfalen liegt nach abgeordnetenwatch.de-Recherchen seit 2019 ausgerechnet ein Schulprojekt auf Eis, bei dem es um die Vermittlung von Digitalkompetenzen geht. Es rächt sich, dass der Auftrag vorschnell und unter fragwürdigen Umständen an die Firma einer FDP-Großspenderin ging – abgezeichnet von einem FDP-Staatssekretär und ohne Ausschreibung.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete und die Corona-Schutzmasken

© | Martin Kraft | CC BY-SA 3.0 (Foto Irmer) |
In der Corona-Pandemie versuchen zahlreiche Unternehmen, von der großen Nachfrage nach Schutzmasken und Desinfektionsmitteln zu profitieren – Verbraucherschützer:innen warnen vor unseriösen Angeboten und „Mondpreisen“. Recherchen von abgeordnetenwatch.de und dem Magazin STERN haben den CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer in Erklärungsnot gebracht: Über seine Gratiszeitung „Wetzlar Kurier“ nahm Irmer für den windigen Onlineshop eines Parteifreundes Bestellungen für Schutzmasken und Desinfektionsmittel entgegen. Bei einer Testbestellung von abgeordnetenwatch.de wurde von dem Shopbetreiber zwar Geld abgebucht, geliefert wurde die Ware nicht.
CDU-Abgeordneter nahm Bestellungen für dubiosen Masken-Shop entgegen
Der STERN veröffentlichte die gemeinsame Recherchere mit abgeordnetenwatch.de auf seinem Internetportal: Der CDU-Abgeordnete Irmer und seine Verbindung zu einem Maskenhändler
Freiwillige Transparenzoffensive: Abgeordnete stellen Steuerbescheid und Lobbykontakte ins Netz

© | Screenshot: abgeordnetenwatch.de |
Transparenz schafft Vertrauen: Weil ihnen die bestehenden Transparenzpflichten des Bundestages zu lasch sind, stellen zahlreiche Abgeordnete den Steuerbescheid ins Netz und legen ihre Lobbytreffen offen. Doch volle Transparenz geht einigen von ihnen zu weit. Seine finanziellen Verhältnisse mache er gerne öffentlich, sagt ein Parlamentarier, doch seine Lobbytreffen nicht. Denn dann würde niemand mehr ein vertrauliches Gespräch mit ihm als Abgeordneter führen wollen.
Diese Abgeordnete stellen Steuerbescheid und Lobbytreffen ins Netz
„Unfassbar“: Was Moderator Oliver Welke als Privatperson zum fehlenden Lobbyregister zu sagen hat
In der ZDF heute-show gibt Oliver Welke jeden Freitag den Satire-Onkel. Doch vor einiger Zeit redete sich der Moderator bei einer Diskussionsveranstaltung ganz ironiefrei zum Thema Lobbyregister in Rage. Dass es ein solches noch immer nicht gebe, sei "unfassbar", so Welke. "Das haben bestimmte Parteien bis heute verhindert – die werden ihre Gründe haben". Auch Ministerin Julia Klöckner und Journalist:innen kommen in seiner Gardinenpredigt nicht gut weg.
Hier können Sie das Video sehen:
„Unfassbar“: Was Moderator Oliver Welke als Privatperson zum fehlenden Lobbyregister zu sagen hat
Fragen und Antworten aus diesem Jahr
- Antifa | Ein Fragesteller wollte von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wissen, wie er heute zu seinem früheren Antifa-Engagement steht. „In einem Interview haben Sie erwähnt, das sie in Ihrer Jugend Mitglied bei der Antifa waren. Es ist nur menschlich als Jugendlicher andere Haltungen zu haben als heute. Wie beurteilen Sie die Antifa und was kritisieren Sie an der Antifa Bewegung. Würden Sie als Jugendlicher nochmals so handeln?“ Klingbeil wollte die Frage öffentlich nicht beantworten.
- Klima-Rettung | Auf die Frage, wie weit er für die Rettung des Klimas gehen würde, antwortet der Berliner Grünen-Abgeordnete Georg Kössler, er sei „schon ziemlich weit gegangen“: „So habe ich z.B. Kohlebagger symbolisch blockiert.“ Aktuell widme er einen Großteil seiner Lebenszeit dem Klimaschutz: „Im politischen System – als Abgeordneter“.
- Marvel-Comicuniversum | Ein Fragesteller schrieb an den CDU-Europaabgeordneten Axel Voss: „In diesem Interview mit Herrn Anders wurden sie auf digitale Zentren in der Welt angesprochen: Wakanda in Afrika und Latveria. Nun existieren diese Staaten aber nur im Marvel-Comicuniversum.“ Voss' erklärte in seiner Antwort, er sei bei dem Interview „zwischen Tür und Angel“ angesprochen worden. „Allerdings konnte ich ob der Situation vor dem Veranstaltungsraum akustisch nicht alles verstehen, sodass der Eindruck entstehen konnte und ja wohl auch sollte, dass ich z.B. Wakanda und Latveria für reale Staaten halten würde. Ich hätte auch nach einem langen Tag hier sicherlich aufmerksamer sein müssen, aber man lernt ja bekanntlich nie aus…“
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Im Namen des gesamten abgeordnetenwatch.de-Teams wünschen wir Ihnen alles Gute für 2021. Kommen Sie gut ins neue Jahr und bleiben Sie gesund!