Affäre um Wirecard

Guttenberg-Firma lobbyierte auch bei deutschem Botschafter in Peking

Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich mit seiner Lobbyfirma auch beim deutschen Botschafter in Peking für den inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard eingesetzt. Die Botschaft wandte sich schließlich an die Behörden in Peking, um Wirecard beim Markteintritt in China zu unterstützen. Dies zeigen interne Mails, die wir nun erstmals veröffentlichen. 

von Martin Reyher, 11.09.2020
K.T. zu Guttenberg

Lange bevor sich der frühere Verteidigungsminister Guttenberg im Herbst 2019 bei Bundeskanzlerin Angela Merkel für den Zahlungsdienstleister Wirecard stark machte, ging seine Lobbyfirma Spitzberg Partners beim deutschen Botschafter in Peking Klinken putzen. Ziel war eine Unterstützung beim Markteintritt von Wirecard im Reich der Mitte.

Interne Unterlagen belegen, wie intensiv Guttenbergs Lobbyfirma Kontakte zum deutschen Botschafter in China nutzte, um für Wirecard Telefonate und Treffen mit dem Spitzen-Diplomaten zu arrangieren. Dies ergibt sich aus Korrespondenzen, die die Bundesregierung jetzt auf einen Antrag von abgeordnetenwatch.de nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) herausgeben musste. Wir veröffentlichen die Dokumente hier erstmals.  

Die Kontaktanbahnung verlief zunächst schleppend. Im Herbst 2018 holte sich Guttenbergs Firma, die ein Treffen zwischen ihrem Klienten Wirecard und dem neuen deutschen Botschafter in Peking vermitteln wollte, zunächst eine Abfuhr ein. Er würde sich zwar gerne treffen, schrieb der Top-Diplomat in einer Mail vom 5. September 2018 an einen hochrangigen Vertreter von Spitzberg Partners. Doch angesichts zahlreicher Antrittsbesuche kurz nach seinem Dienstantritt in Peking werde er es „beim besten Willen leider nicht schaffen.“ Er freue sich aber "auf eine andere Gelegenheit, Sie zu sehen".

"Herzlichen Dank für die Einladung in Ihr sehr gemütliches Domizil"
 

Wirecard-Zentrale in Aschheim beim München
Wirecard-Zentrale in Aschheim bei München

Die Wirecard-Manager mussten deswegen bei dem Treffen, das am 29. Oktober 2018 in der deutschen Vertretung in Peking stattfand, mit Botschaftsmitarbeitern vorlieb nehmen. 

Einige Wochen später kam es zu einer weiteren Zusammenkunft, diesmal im privaten Ambiente. Im Nachgang bedankte sich einer der anwesenden Wirecard-Vertreter am 17. Dezember 2018 per Mail bei dem gastgebenden Botschaftsmitarbeiter: „Ihnen und Ihrer Gattin noch einmal herzlichen Dank für die Einladung in Ihr sehr gemütliches Domizil.“ Er habe „gute Gespräche“ mit einigen der weiteren Gäste führen können.   

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Anfang 2019 gelang es Spitzberg Partners schließlich, für Wirecard die erhoffte persönliche Begegnung mit dem deutschen Botschafter in Peking zu arrangieren. Zu dem Treffen selbst, das am 23. Januar 2019 in der Botschaft stattfand, finden sich keine näheren Informationen in den internen Unterlagen, die das Auswärtige Amt an abgeordnetenwatch.de herausgegeben hat.

In den Folgemonaten wurden die Korrespondenzen zwischen Spitzberg Partners und der deutschen Botschaft in der Causa Wirecard weniger, dies jedenfalls ist der Eindruck, der sich aus den Ministeriumsunterlagen gewinnen lässt. 

Lobbyaktivitäten verlagerten sich nach Berlin

Statt dessen verstärkte die Guttenberg-Firma ihre Lobbybemühungen für Wirecard an einem ganz anderen Ort: in Berlin. Wie der SPIEGEL kürzlich aufdeckte, wandte sich Spitzberg Partners Mitte 2019 mehrfach an das Bundesfinanzministerium und bat darum, der Regierung in Peking das Wirecard-Interesse an einem Markteintritt in China zu übermitteln. Im Juni 2019 tat ein Finanzstaatssekretär genau das. Einige Monate später, am 3. September 2019, sprach Spitzberg-Chef Karl-Theodor zu Guttenberg bei Bundeskanzlerin Merkel persönlich im Kanzleramt vor – augenscheinlich mit Erfolg: Bei Merkels China-Reise wenige Tage später wurden die Ambitionen von Wirecard gegenüber den chinesischen Gastgebern laut SPIEGEL thematisiert. 

Im Herbst 2019 nahm auch der Austausch zwischen Spitzberg Partners und der deutschen Botschaft laut der Ministeriumsdokumente wieder an Fahrt auf. Für den 14. November gelang es der Guttenberg-Firma, ein kurzfristiges Telefonat mit dem deutschen Botschafter zu arrangieren. Anlass sei der „geplante Markeintritt Wirecards in China - welchen mein Unternehmen Spitzberg Partners als strategischer Berater seit Anfang 2018 gezielt vorbereitet hat“, heißt es in einer Mail an den Botschafter am Vortag des Gesprächs. „Gerne würde ich … Ihre politische Einschätzungen bezgl. des weiteren Vorgehens erhalten,“ schrieb der Vertreter von Spitzberg Partners, dessen Namen in den Dokumenten geschwärzt ist.

"Im 3. Schritt könnte Wirecard Peking besuchen"
 

Botschaftsinterne Mail vom 14.11.2019
Botschaftsinterne Mail nach Gespräch mit Wirecard-Managern am 14. November 2019

Bei dem Telefonat am 14. November mit den Wirecard-Managern skizzierte der deutsche Botschafter ausweislich der Ministeriumsunterlagen, wie man Wirecards Markteintritt gegenüber den chinesischen Behörden unterstützen könnte: zunächst auf Arbeitsebene, in einem zweiten Schritt - „je nach Stand der Dinge“ - bei einem bevorstehenden Peking-Besuch eines Staatssekretärs des Bundesfinanzministeriums im Januar 2020 auch auf „politischer Ebene“. Je nach Ausgang dieser Gespräche „könnte im 3. Schritt im März/April 2020 Wirecard Peking besuchen und … auf die Dringlichkeit der Genehmigung hinweisen.“ Dabei ging es um die Übernahme des chinesischen Zahlungsabwicklers AllScore Payments durch Wirecard. 

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Allerdings mahnte der Botschafter intern zunächst einen „eher zurückhaltenden Umgang“ mit dem Dax-Konzern an, da „Wirecard bislang dem Vorwurf der Bilanzfälschung ausgesetzt ist und die Klärung … erst Anfang nächsten Jahres ansteht“, heißt es in einer botschaftsinternen Mail vom 14. November 2019, wenige Stunden nach dem Telefonat mit den Wirecard-Managern.

"Unerhörter Vorgang"

Acht Tage später schrillten in der deutschen Vertretung in Peking dann alle Alarmglocken. Ein Diplomat mailte am 22. November an den Botschafter, es hätten sich mittlerweile "neue Ungereimtheiten im Zusammenhang mit angeblichen Bilanzfälschungen bei Wirecard ergeben":  Bei der Singapurtochter des Konzerns sei das Wirtschaftsprüfertestat für das Geschäftsjahr 2017 verweigert worden, und ein Testat für 2018 gebe es bislang auch nicht. Auf das Fehlen des Bestätigungsvermerkes angesprochen, habe ein Wirecard-Vertreter gegenüber den Medien geantwortet, dass mit Ausnahme von Indien und Singapur keine Einschränkungen in Testaten vorlägen. Dies, so der Botschaftsmitarbeiter, "ist als ein unerhörter Vorgang zu werten, zumal es sich hier um ein Dax-Unternehmen handelt." Solange die Vorwürfe nicht vorbehaltlos aufgeklärt worden seien, empfehle er, "den Genehmigungsprozess nur auf Arbeitsebene weiter voranzutreiben".

Das Auswärtige Amt erklärte am gestrigen Donnerstag, der Kontakt der deutschen Botschaft mit den chinesischen Stellen sei „nicht über einen Informationsaustausch“ hinaus gegangen, so ein Ministeriumssprecher gegenüber dem SPIEGEL, dem wir die internen Unterlagen vorab zur Verfügung gestellt haben (SPIEGEL-Bericht "Guttenberg lobbyierte in China für Wirecard").

Dokumente:


Mitarbeit: Josephine Andreoli

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