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Verschärfung der Zugangsregeln für den Bundestag macht Lobbyisten nervös

Dass der Ältestenrat vergangene Woche die Zugangsregeln für Lobbyisten zum Bundestag verschärft hat, macht einige Interessenvertreter zusehends nervös. Die einen beklagen einen "Vertrauensentzug" der Politik gegenüber der Wirtschaft, andere sehen jetzt sogar einen "'Big Brother'-Staat nach dem Prinzip von George Orwells '1984'" auf ihre Zunft zukommen.

von Martin Reyher, 26.02.2016
  • zu den verschärften Zugangsregeln für Lobbyisten:
    "Wie es aussieht, werden die Lobby-Kritiker - zumindest ein Stück weit - ihren Willen bekommen."
  • zu den Auswirkungen auf den Lobbyismus:
    "Wer glaubt, dadurch den Krieg gegen den ach so bösen, bösen Lobbyismus gewonnen zu haben, irrt gewaltig."
  • zu einer weiteren Regulierung des Lobbyismus:
    "Einstein, Borchardt, Machiavelli... Adressen, wo sich Tag ein, Tag aus Lobbyisten mit Vertretern der Politik verabreden. Wollen wir als Nächstes also auch ein Restaurantverbot für Lobbyisten fordern?"
  • zu weiteren Transparenzregeln für Lobbyisten:
    "Die zahlreichen E-Mails, Telefonate etc. zwischen Lobby und Politik, die fernab des Bundestages geschehen zu kontrollieren, ohne einen "Big Brother"-Staat nach dem Prinzip von George Orwells "1984" zu errichten, möchte ich sehen." 

In Sorge um ihr Geschäftsmodell

Der PR-Berater fürchtet offenkundig um das Geschäftsmodell der Einflüstererbranche – den ungehinderten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern. Christian P. Krohne arbeitet für die Berliner Agentur elfnullelf, die nach eigenen Angaben auch "klassische Lobbyarbeit" betreibt und bemüht ist, für ihre Klienten "die richtigen Ansprechpartner" in der Politik auszuwählen. Doch eben diese Kontaktpflege mit politischen Entscheidern dürfte für die elfnullelf-Kunden künftig schwieriger werden, zum Beispiel für den Zigarettenhersteller Reemtsma, einem der Referenzkunden der Agentur. Denn der Zigarettenhersteller ist einer von hunderten Konzernen, Agenturen und Kanzleien, die ab sofort keine Zugangsscheine mehr erhalten. Bislang war es der Reemtsma-Lobbyist gewohnt, nach Belieben im Bundestag ein und aus gehen zu können – dank seines Hausausweises, den ihm die CDU verschafft hatte.

Auch bei der Metro AG, die über die Grünen einen ungehinderten Zugang zum Parlament erhielt, kam der Entzug ihres Hausausweises nicht gut an. Der Cheflobbyist der Unternehmensgruppe, Michael Wedell, war sogar persönlich enttäuscht. "Es ist schwer, eine solche Entscheidung nicht als Vertrauensentzug zu verstehen: auf der operativen wie auf der emotionalen Ebene. Und dieser Vertrauensentzug sagt etwas aus über das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft", schrieb Wedell wenige Stunden nach dem Beschluss des Ältestenrates auf der Unternehmenswebsite.

Das Geheimverfahren für Hausausweise sei auch nie geheim gewesen, behauptet der Lobbyist

In Verlaufe des ausführlichen Artikels, in dem er die eigene Transparenz in Sachen Lobbyismus mehrfach betont, kommt der Leiter der Abteilung "Politik und Außenbeziehungen" auch auf abgeordnetenwatch.de zu sprechen. Dass Lobbyisten ihre Zugangsscheine bislang per Geheimverfahren über die Fraktionen bekamen, wie abgeordnetenwatch.de es darstelle, sei unwahr, behauptet Wedell -  "das Verfahren zur Erlangung von Hausausweisen war nie geheim, sondern auf der Internetseite des Bundestages jederzeit nachlesbar, auch der Antrag für Hausweise steht online und es ist transparent, wie und durch wessen Unterschrift ein Hausausweis für wen möglich werden konnte."

Auf Nachfrage via Twitter, wo genau die Vergabepraxis über die Fraktionen auf der Bundestagswebseite nachzulesen sei, vermochte Wedell keine Antwort zu geben, auch korrigieren wollte er die falsche Darstellung bislang nicht.

In einem sind sich abgeordnetenwatch.de und der Metro-Cheflobbyist aber einig: der Notwendigkeit eines verbindlichen Lobbyisten-Registers. "Aus Sicht der METRO AG bleibt die Idee eines Transparenzregisters gut und richtig. Es war nie richtig, die vergebenen Hausausweise nicht zu veröffentlichen, denn was im Parlament geschieht, hat öffentlich zu geschehen." In einem solchen Register müsste unserer Auffassung nach u.a. stehen, an welchen Gesetzentwürfen Interessenvertreter mitwirken, für welche Auftraggeber sie arbeiten und mit welchen Politikern sie sich treffen.

Nachtrag 10. März 2016:

Die Frankfurter Rundschau schreibt: "Die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung, Degepol, behält sich sogar rechtliche Schritte vor, sollten Ausweise für ihre Mitglieder abgelehnt werden. „Das wäre allerdings die letzte Option“, sagte Jannis Feller, Referent des Degepol-Vorstandes, der Frankfurter Rundschau."
 

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