Energielobbyisten gehen im Kanzleramt ein und aus

Vattenfall, E.ON und Co.: Wenn es um die Gestaltung der Energiewende geht, hört die Bundesregierung bevorzugt auf Ratschläge von Lobbyisten großer Energiekonzerne. Wie jetzt bekannt wurde, bat allein Kanzlerin Merkel ein gutes Dutzend Mal zum Einzelgespräch. Vertreter der erneuerbaren Energie haben dagegen kaum Zugang zum Zentrum der Macht.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 20.11.2013

Vertreter der Energiekonzerne waren in der vergangenen Wahlperiode gern gesehene Gesprächspartner der Bundesregierung. Allein Kanzlerin Angela Merkel nahm sich Zeit für 13 Einzelgespräche, ihr Kanzleramtschef Roland Pofalla traf sich sogar 42 Mal mit Vertretern der Energiebranche. Das geht aus einer Liste hervor, die die Regierung nach einer Anfrage des SPD-Bundestagsabgeordneten Marco Bülow erstellt hat. Demnach schenkte die Kanzlerin zwischen Februar 2010 und August 2013 u.a. den Chefs von E.ON, RWE, EnBW, Shell und ExxonMobil ihr Ohr.

Am 2. April 2012 kam es zu einer Zusammenkunft der besonderen Art, als Merkel ihre frühere Staatssekretärin Hildegard Müller empfing. Müller ist inzwischen in ganz anderer Mission unterwegs: Als Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft vertritt sie nun Wirtschaftsinteressen.

In der Liste der Lobbykontakte finden sich außerdem elf Gruppentreffen der Kanzlerin, u.a. ein Abendessen mit dem norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg am 20. Februar 2013, zu dem auch die Chefs mehrerer Energiekonzerne geladen waren.

Sehr viel häufiger noch trafen sich Kanzleramtschef Roland Pofalla und der frühere Staatsminister Eckart von Klaeden, inzwischen Lobbyist bei Daimler, mit Vertretern aus der Energiebranche. Dokumentiert sind u.a. Zusammenkünfte mit dem Europachef von Vattenfall, dem damaligen Präsidenten des Lobbyverbandes Deutsches Atomforum sowie dem früheren RWE-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Großmann. Erneut findet sich auch Hildegard Müller auf der Liste der Gesprächspartner.

Kaum Gehör fanden dagegen Vertreter der Erneuerbaren Energien; sie tauchen in der Aufstellung so gut wie gar nicht auf. Ein Treffen der Kanzlerin am 18. Mai 2011 mit einem Vertreter des Bundesverbandes Erneuerbare Energien ist einer der wenigen offiziellen Kontakte mit Regierungsmitgliedern.

Wenn Union und SPD in den nächsten Wochen ihren Koalitionsvertrag vorlegen dürfte sich zeigen, wer im Kanzleramt den bleibenderen Eindruck hinterlassen hat: Die Lobbyisten der Energieriesen - oder die Ökostromvertreter.

Mit welchen Energielobbyisten trafen sich Regierungsmitglieder? Die Liste als Download (www.marco-buelow.de)

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