Hausausweisliste: Diese Interessenvertreter haben Zugang zum Bundestag

Seit 2016 dürfen Unternehmen keine Bundestagsausweise mehr beantragen, doch ihre Anliegen gelangen auch weiterhin bis in die Abgeordnetenbüros. Eine Hausausweisliste, die der Bundestag nun auf Antrag von abgeordnetenwatch.de herausgegeben hat, gibt Aufschluss darüber, welche Lobbyisten freien Zugang zum Parlament haben. Neben Umweltverbänden und Hilfsorganisationen sind dies u.a. die Verbandsvertreter der Auto-, Banken- und Rüstungslobby. (Die vollständige Liste finden Sie weiter unten im Text)

von Martin Reyher, 18.08.2017
Foto von Hausausweisliste 2017
Foto von Hausausweisliste 2017

 

Als zu Beginn des Jahres 2016 hunderte Lobbyisten von Unternehmen, Kanzleien und Agenturen ihren Bundestagsausweis verloren, kam das bei einigen gar nicht gut an. Der Cheflobbyist der Metro AG beklagte öffentlich einen „Vertrauensentzug“ durch die Politik und fühlte sich auf einer „emotionalen Ebene“ getroffen. Ein PR-Berater sah sogar einen „'Big Brother'-Staat nach dem Prinzip von George Orwells '1984'“ auf die Einflüstererbranche zukommen, sollten eines Tages weitere Regulierungen wie ein verbindliches Lobbyregister folgen.

So sehr sich einige Betroffene über ihren Ausschluss aus dem Bundestag auch ärgerten: Die Sorge, dass Anliegen von Unternehmen nicht länger bis in die Abgeordnetenbüros gelangen würden, erweist sich als unbegründet. Denn zahlreiche Wirtschaftslobbyisten können Dank einer Zugangskarte noch immer ungehindert im Parlament ein und aus gehen und dort die Wünsche der Industrie vortragen.

Mehr Interessenvertreter als Abgeordnete im Bundestag

Wer einen Ausweis beantragen darf

Seit 2016 dürfen nur noch Verbände, Vereine und andere Organisationen Hausausweise beantragen. Voraussetzung ist eine vorherige Registrierung in einer öffentlichen Verbändeliste. Von der Hausausweisvergabe ausgeschlossen sind seitdem Unternehmen, Agenturen und Kanzleien. Diese hatten sich zuvor einen Ausweis über die Fraktionen beschaffen können.

    Die Bundestagsverwaltung hat jetzt auf Antrag von abgeordnetenwatch.de eine Liste mit den Namen von Organisationen herausgegeben, die im Gegensatz zu Unternehmen noch immer das Recht haben, bis zu zwei Jahresausweise zu den Räumlichkeiten des Deutschen Bundestag zu beantragen: Verbände, Vereine und andere Organisationen wie Gewerkschaften. 506 von ihnen verfügten - Stand 12. Juni 2017 - über mindestens einen Bundestagsausweis, insgesamt wurden 787 Zugangsberechtigungen ausgestellt. Auf jeden der 630 Abgeordneten kommt damit mehr als ein Interessenvertreter.

    Bei Durchsicht der Namen fällt auf: In vielen Fällen handelt es sich um Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit den Schwerpunkten Soziales und Umwelt. Über eine Zugangsberechtigung zum Bundestag verfügen beispielsweise die Stiftung Lesen, der Deutsche Tierschutzbund, das SOS-Kinderdorf und der Malteser-Hilfsdienst. Auch bekannte Umweltorganisationen wie der NABU oder die Deutsche Umwelthilfe tauchen in der Liste auf, genauso wie die Gewerkschaften DGB und DpoIG.

    Verbandslobbyisten im Auftrag von VW, Rheinmetall und Dr. Oetker

    Nicht so leicht auszumachen sind dagegen die Unternehmen, deren Anliegen in den Bundestag getragen werden. Dies geschieht indirekt über Wirtschaftsverbände, zu denen sich die Konzerne zusammengeschlossen haben.

    Einige Beispiele, in wessen Interesse Lobbyisten im Bundestag vorstellig werden:

    Und natürlich verfügen auch die großen Autokonzerne über einen Lobbyvertreter mit Zugang zum Deutschen Bundestag. Volkswagen, BMW, Daimler, Porsche und andere haben sich im Verband der Automobilindustrie (VDA) organisiert. Dabei benötigte der Autoverband eigentlich gar keinen Ausweis um ins Parlament zu gelangen – dies kann sein Cheflobbyist auch auf andere Weise: Als früherem Bundestagsabgeordneten steht VDA-Präsident Matthias Wissmann das Recht zu, eine Zugangskarte zu den Parlamentsgebäuden zu erhalten.

    Die Namen der Verbände, Vereine und Organisationen mit Zugangsberechtigung zum Bundestag, die abgeordnetenwatch.de nun veröffentlicht, sind bislang nirgendwo einzusehen. Wer einen Jahresausweis beantragen will, muss sich dafür zwar in eine öffentlich zugängliche Liste des Parlaments eintragen. Doch wer von den aktuell 2.314 aufgeführten Organisationen einen Ausweis ausgestellt bekommen hat, ist dort nicht erkennbar.

    Die Hausausweisliste

    Die Liste zum Download: ods | xlsx | pdf

    Zahl der Zugangskarten ist stark zurückgegangen, aber...

    In den letzten Jahren ist die Zahl der ausgegebenen "grünen" Zugangskarten, die vor allem Lobbyisten, aber auch Parteien und Stiftungen erhalten, stark zurückgegangen. 2014 waren 2.270 Ausweise im Umlauf, 2016 lag die Zahl dann noch bei 1.270. Ein Grund hierfür liegt auch in einer abgeordnetenwatch.de-Klage gegen den Bundestag auf Offenlegung der Hausausweisinhaber, in deren Folge die Zugangsregeln zum Parlament stark eingeschränkt wurden (mehr zum Thema lesen Sie hier). Abgeschafft wurde beispielsweise die Möglichkeit, sich Hausausweise über die Fraktionen zu beschaffen. Hunderte Unternehmen, Kanzleien und Agenturen, die auf diesem intransparenten Wege an Ausweise gekommen waren, haben seitdem keine Möglichkeit mehr auf einen direkten Zugang zum Deutschen Bundestag.

    Doch natürlich haben Unternehmen ihre Lobbyarbeit seitdem nicht eingestellt, sondern an die Gegebenheiten angepasst: Wer einen Abgeordneten nicht mehr in dessen Büro besuchen darf, lädt ins Cafe oder Restaurant. Um die Kontakte zwischen Interessenvertretern und politischen Entscheidungsträgern für die Öffentlichkeit transparent zu machen, bräuchte es ein verbindliches Lobbyregister. Dafür könnten sich grundsätzlich sogar einige Interessenvertreter erwärmen - sie aber stoßen auf Widerstand ausgerechnet aus der Politik. Vehemente Gegner eines Transparenzregisters sind CDU und CSU.


    Unterzeichnen Sie hier die abgeordnetenwatch.de-Petition "Schluss mit geheimem Lobbyismus!" für ein verbindliches Lobbyregister

    Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.

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