Bundestag schafft geheime Hausausweise für Lobbyisten ab

Monatelang hatten sich Union und SPD geweigert, ihre Lobbykontakte offenzulegen. Doch diese Geheimniskrämerei wird es künftig nicht mehr geben. Nach Informationen von abgeordnetenwatch.de können Lobbyisten keine Hausausweise mehr über die Fraktionen bekommen. Ab sofort werden neue Zugangsscheine nicht mehr ausgestellt - eine transparentere Regelung ist in Vorbereitung.

von Martin Reyher, 08.01.2016

 

 

Beitrag der ZDF-Sendung "Berlin direkt" über die Verschärfung der Zugangsregeln für Lobbyisten


Der Bundestag hat die intransparente Vergabepraxis von Hausausweisen gestoppt. Derzeit können Lobbyisten keine Hausausweise mehr über die Fraktionen beantragen, wie abgeordnetenwatch.de am Freitagnachmittag aus Parlamentskreisen bestätigt wurde. Zuvor hatte das ZDF darüber berichtet. Alle derzeit im Umlauf befindlichen Hausausweise von Interessenvertretern würden im Februar auslaufen, schrieb ZDF-Korrespondent Andreas Kynast auf Twitter. Neue seien nicht ausgestellt worden.

Mit dieser überraschenden Maßnahme reagierte der Bundestag u.a. auf ein Gerichtsurteil, das abgeordnetenwatch.de mit einer Transparenzklage auf Offenlegung der Lobbykontakte von CDU/CSU und SPD erwirkt hatte.

Künftig werden alle Bürgerinnen und Bürger öffentlich einsehen können, welche Unternehmen unbegrenzten Zugang zu unseren Abgeordneten haben. Wie weitreichend die neuen Transparenzregeln sein werden, ist noch nicht klar, eine komplette Neuregelung der Vergabepraxis wird derzeit vorbereit. Ziemlich sicher scheint aber zu sein, dass Lobbyisten ihre Hausausweise künftig nicht mehr im Geheimverfahren über die Fraktionen erhalten werden. Bislang benötigten Interessenvertreter, die für Unternehmen oder PR- bzw. Lobbyagenturen arbeiten, für ihren Zugangsschein die Unterschrift eines Parlamentarischen Geschäftsführers einer Bundestagsfraktion. Auf diesem intransparenten Weg waren seit Beginn der Legislaturperiode 1.103 Hausausweise vergeben worden. Dadruch hatten u.a. Vertreter von Rüstungsunternehmen, Autokonzernen und der Frackinglobby jahrelang weitgehend ungehinderten Zugang zum Deutschen Bundestag. Dass Union und SPD sich endlich durchgerungen haben, mehr Transparenz in Sachen Lobbyismus zu schaffen, ist ein wichtiger erster Schritt. Doch selbst wenn der Bundestag künftig von sich aus die Namen der Hausausweisinhaber öffentlich bekannt machen würde, wäre es damit noch nicht getan. Denn noch immer wissen wir nicht:

  • mit welchen Politikern sich die Lobbyisten wann getroffen haben,
  • worum es bei diesen Treffen ging,
  • an welchen Gesetzen Lobbyisten mitgewirkt haben.
In Kanada sind diese und andere Angaben in einem öffentlichen Lobbyregister einsehbar und müssen jeden Monat von den Interessenvertretern auf Änderungen überprüft und aktualisiert werden. Verstöße gegen das Transparenzgesetz können mit umgerechnet mit 140.000 Euro oder bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden. Wie umfangreich die Daten in Kanada sind, zeigt das Beispiel der Treffen von Shell Canada mit Politikern. Allein für die vergangenen zwölf Monate werden in der Datenbank mehr als drei Dutzend Zusammenkünfte von Konzernchefin Lorraine Mitchelmore mit Abgeordneten und Regierungsvertretern aufgeführt. Zusätzlich muss die Shell-Chefin angeben, an welchen gesetzlichen Regelungen sie mitgewirkt hat. Das Problem ist nicht der Lobbyismus an sich, sondern der Lobbyismus im Geheimen. Wenn nicht bekannt ist, welche Konzernvertreter Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, ist eine wirksame Kontrolle des Parlaments und des Regierungshandelns kaum möglich. abgeordnetenwatch.de fordert für Deutschland ein verbindliches Lobbyregister, aus dem u.a. hervorgeht, welche Lobbyisten Zugang zum Deutschen Bundestag haben und an welchen Gesetzentwürfen sie mitwirken. Am Abend äußerte sich unser Kollege Gregor Hackmack im ZDF zu der überraschenden Entwicklung in Sachen Lobbyisten-Hausausweisen.

 

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