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Yvonne Gebauer
FDP
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Frage von Agnes R. •

Frage an Yvonne Gebauer von Agnes R. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Gebauer,

die Wissenschaftsministerin von NRW bemängelte im September, dass die Abbrecherquoten an den Universitäten zu hoch seien. Sie forderte die Universitäten auf, "[...] mehr Brückenkurse [anzubieten], um Absolventen der vielen verschiedenen Schulen auf den erforderlichen Stand zu bringen."

http://www.news4teachers.de/2012/09/nrw-wissennschaftsministerin-findet-abbrecherquote-von-28-prozent-elitar/

Hierzu habe ich einige Fragen an Ihre Partei.

1. Sollte nicht das Abitur auf das Studium vorbereiten, d.h. den erforderlichen Stand sicherstellen?

2. Welche Schlüsse zieht Ihre Partei aus dem Umstand, dass die Wissenschaftsministerin selbst feststellt, dass das Abitur dies offensichtlich nicht (mehr) leistet?

3. Welche Maßnahmen schlägt Ihre Partei vor, um die Abbrecherquote zu senken, ohne dabei "[...] die Qualitätsanforderungen zu senken" (ebenda).

Mit freundlichen Grüßen

Agnes Reker

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Reker,

ich bedanke mich für Ihre Anfrage auf www.abgeordnetenwatch.de und Ihr Interesse an der Hochschulpolitik.
Ich kann Ihre skeptische Betrachtungsweise der Aussagen der Wissenschaftsministerin nachvollziehen. Selbstverständlich ist es die Aufgabe des Abiturerwerbs, nachzuweisen, dass ein junger Mensch grundsätzlich über die Fähigkeiten und die Fertigkeiten verfügt, ein Hochschulstudium erfolgreich zu absolvieren. Der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung ermöglicht einen solchen Eintritt und sollte aus liberaler Sicht dann auch solche Fähigkeiten und Fertigkeiten voraussetzen. Selbstverständlich sind die Begründungen für einen Studienabbruch an einer Hochschule oftmals auf sehr unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Es kann sich um persönliche Gründe handeln, die im privaten Leben zu suchen sind, auch kann ein solcher Abbruch beispielsweise auf die falsche Studienwahl zurückzuführen sein.

Die FDP hält es für erstrebenswert, dass möglichst viele junge Menschen bestmögliche Bildungs- und Berufsabschlüsse erreichen. Dennoch erachten wir einen öffentlichen Diskurs sehr kritisch, der bisweilen den Eindruck erweckt, wonach ein Mensch ohne einen Hochschulabschluss weniger wert sei. Insbesondere Grüne und SPD vermitteln in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass nahezu jeder Jugendliche eine Hochschulzugangsberechtigung erreichen sollte und auch kann. Junge Menschen sind aber sehr individuell. Die Neigungen, die Interessen und Begabungen unterscheiden sich. Für manche Jugendliche kann daher für das persönliche Lebensglück und den beruflichen Erfolg das Absolvieren einer Ausbildung einen deutlich sinnvolleren Weg darstellen. Ausbildung und ein Hochschulabschluss sind zwar nicht gleichartig, aber als ein Bestandteil einer Lebensbiographie gleichwertig. Auch kann über vielfältige Wege, die u.a. in der Zeit der Regierungsverantwortung der FDP eröffnet worden sind, der weitere Erwerb zusätzlicher Bildungsabschlüsse ermöglicht werden. Von zentraler Bedeutung ist daher, dass allen Jugendlichen qualitative Wege der Qualifizierung und der Weiterqualifizierung offen stehen müssen. Politik hingegen sollte nicht den Eindruck erwecken oder sogar vermitteln, dass z.B. eine Ausbildung über einen minderen Wert verfügt.

Die rot-grüne Landesregierung vermittelt jedoch bereits in der Schulpolitik den Anspruch, dass der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung das schulische Bildungsziel nahezu aller Jugendlichen sein sollte. So werden im Zuge des sogenannten längeren gemeinsamen Lernens allgemeine „gymnasiale Standards“ verankert. Gleichzeitig werden durch unterschiedliche Maßnahmen schrittweise die Qualitäts- und Leistungsstandards gesenkt. Aus liberaler Sicht müssen Kinder und Jugendliche durch eine umfassende Förderung zu bestmöglichen Abschlüssen geführt werden; eine Standardabsenkung führt mittelfristig zu einer Entwertung von Bildungsabschlüssen.

Wenn also Bildungsabschlüsse entwertet werden und sie nicht mehr ein Beleg für den Erwerb entsprechender Fähigkeiten und Fertigkeiten darstellen, kann dies in der Folge durchaus zu einem fachlichen Scheitern von jungen Menschen an den Hochschulen führen. Dass dann ausgerechnet die sozialdemokratische Wissenschaftsministerin den Hochschulen vorwirft, sie seien am Scheitern der jungen Menschen schuldig, da sie sie unzulänglich fördern, verdeutlicht, dass hier offensichtlich die Folgen des eigenen politischen Handelns mit den mittelfristigen Auswirkungen nicht erfasst werden. Aus liberaler Sicht müssen wir die Studierfähigkeit dadurch steigern, indem wir erstens die oftmals als mangelhaft beklagten Kenntnisse in den Kernfächern stärken. Mittelfristig streben wir eine qualitative Reform der gymnasialen Oberstufe an. Zweitens dürfen aus unserer Sicht in den Schulen keine Leistungs- und Qualitätsstandards gesenkt werden, da so zwar zunächst scheinbar bessere statistische Werte entstehen, Jugendlichen aber schlimmstenfalls nicht in ausreichender Weise vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten suggeriert werden. Drittens müssen wir bei erfreulicherweise steigenden Studierendenzahlen intensiv eine bessere Verzahnung des Übergangs zwischen den gymnasialen Oberstufen und den Hochschulen diskutieren. Und viertens ist es aus unserer Sicht unverzichtbar, dass die Hochschulen über die finanziellen und damit personellen Mittel verfügen, um die Studierenden fördern, aber auch fordern zu können.

Unter der rot-grünen Landesregierung sind die sozial verträglichen Studienbeiträge bei einer gleichzeitig unzureichenden Kompensation für die Hochschulen abgeschafft worden. Wenn die zuständige Wissenschaftsministerin Schulze dann tatsächlich beklagt, dass die Hochschulen keine umfassende Förderung leisten würden, ist dies damit letztlich auch auf ihr eigenes Agieren als Ministerin zurückzuführen. Ich kann Ihnen versichern, dass sich die FDP weiter konsequent für die Sicherung von Qualitäts- und Leistungsstandards einsetzen wird. Die FDP wird hierbei nicht aus den Augen verlieren, dass junge Menschen unterschiedlich sind und der Staat diese vielfältigen Talente und Fähigkeiten gleichberechtigt anerkennen und fördern muss. Von zentraler Bedeutung sind Ab- und Anschlussmöglichkeiten für junge Menschen, nicht eine Uniformität, die unterschiedliche Lebensentwürfe be- und schlimmstenfalls abwertet.  
 
Mit freundlichen Grüßen
 
 
Yvonne Gebauer MdL

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