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Wolfgang Wieland
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Frage von Tim K. •

Frage an Wolfgang Wieland von Tim K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Wieland,

vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage vom 17.09.07.

In diesem Zusammenhang bin ich mir etwas unsicher bezüglich einer Aussage, welche die afghanische Botschafterin Maliha Zulfacar in einem Interview gemacht hat (http://www.bundestag.de/dasparlament/2007/10/MenschenMeinungen/14192116.html)

Darin sagt sie u.a., "die Tornados dienen der Aufklärung gegenüber Bewegungen aufständischer Gruppen. Indem mehr Aufklärung über deren Bewegungen stattfindet, besteht die Möglichkeit, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu verhindern".

Liege ich falsch in meiner Vermutung, dass diese Aufklärungsflüge bezüglich der "Bewegungen aufständischer Gruppen" NICHT vom ISAF-Mandat gedeckt sind?
Nach meinem Dafürhalten sollen doch die Tornadoaufklärungsflüge ausschlieslich dem zivilen Wiederaufbau dienen (zB zerbombte Straßen aufspühren). Weiterhin bin ich der Ansicht, dass die Erklärung der Botschafterin dahin zu verstehen ist, dass mit dem Aufspüren Aufständiger zwar die Gefahr von Kollateralschäden eingedämmt werden soll, diese Kollateralschäden gleichwohl hingenommen werden! Ist das nicht Aufwiegen von Leben gegen Leben? Wären damit diese Auklärungsflüge nicht verfassungswidrig? Vielen Dank.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Karsten,

die afghanische Botschafterin hat mit ihrer Aussage durchaus Recht – auch wenn sie nicht den vollständigen Auftrag der Tornados damit wiedergibt.

Die Tornados sind Teil des ISAF-Mandates, weshalb sie jetzt ja auch zusammen im Bundestag abgestimmt werden. ISAF ist eine umfassende NATO-Mission, die ihre Rechtsgrundlage in diversen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates hat und auf Kapitel VII der UN-Charta basiert. Geschaffen wurde ISAF durch eine Resolution der UN sowie das im Dezember 2001 geschlossene Abkommen von Bonn.

In diesem Abkommen, das von einer großen Zahl von Vertretern und Vertreterinnen Afghanistans sowie dem damaligen UN-Sonderbeauftragten unterzeichnet wurde, ist unter anderem die Schaffung einer internationalen Sicherheitstruppe (ISAF) vereinbart worden. Ihr Auftrag ist, Sicherheit, Recht und Ordnung zu gewährleisten, bis die neuen afghanischen Behörden dazu selbständig in der Lage sind. Dieser Auftrag war zunächst auf Kabul beschränkt und wurde 2006 dann auf ganz Afghanistan ausgeweitet. Neben dieser militärischen Unterstützung wurden auch umfassende zivile Hilfen vereinbart.

ISAF hat also den Auftrag, sowohl die Stabilität des afghanischen Staates zu gewährleisten wie auch Aufbaumaßnahmen gegen militärische Angriffe zu schützen. ISAF ist also – zusammen mit den afghanischen Sicherheitskräften – vor allem defensiv tätig gegen die diversen bewaffneten Gruppen, deren Ziel die Bekämpfung und letztlich die Zerstörung der demokratisch legitimierten Regierung Afghanistans ist.

In diesem Kontext haben die Tornados die Aufgabe, durch Aufklärungsbilder die Bewegungen solcher bewaffneter Gruppen zu überwachen sowie Gefahren und Hindernisse für staatliche Einrichtungen und Akteure des zivilen Aufbaus zu erkunden.

Bezüglich der von Ihnen angesprochenen Kollateralschäden ist die Linie bei ISAF klar: Ziel ist die Vermeidung solcher Opfer unter der Zivilbevölkerung. Das wurde in der „Rigaer Erklärung“ der NATO vom November 2006 auch noch einmal explizit bestätigt.

Die Tornados können helfen, dieses Ziel umzusetzen. Denn mit ihren besseren Luftbildern ermöglichen sie, besser zwischen zivilen und bewaffneten Gruppen zu unterscheiden. Damit wird im Falle eines militärischen Einsatzes gegen eine bewaffnete Gruppe die Möglichkeit gegeben, zivile Opfer zu vermeiden. Aber auch bei noch so guter Aufklärung bleibt die Gefahr, dass Zivilisten und Zivilistinnen unbeabsichtigt zu Opfern werden.

Dennoch militärisch einzugreifen – wohlgemerkt gegen Kräfte, die ihrerseits weit seltener ausländische Truppen als vielmehr staatliche Einrichtungen und zivile Objekte angreifen – ist also kein Abwägen von Leben gegen andere Leben. Es wird gezielt gegen militärische Gruppen vorgegangen, nachdem die höchstmögliche Sicherheit besteht, dass keine zivilen Opfer zu befürchten sind. Aber diese Sicherheit kann nie vollständig sein, weswegen es leider auch bei ISAF-Aktionen zu zivilen Opfern kommen kann.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Wieland