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Frage von Konrad K. •

Frage an Wolfgang Tiefensee von Konrad K. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Tiefensee,

mit Blick auf die Bundestagswahl hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Sachsen fünf Fragen erarbeitet, die die radfahrenden Wählerinnen und Wähler bei ihrer Wahlentscheidung unterstützen sollen.

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns aus Ihrer Sicht als ehemaliger Bundesverkehrsminister folgende Fragen beantworten könnten:

1. Wie bewerten Sie die Arbeit des Bundesverkehrsministers in Bezug auf den Radverkehr in der Legislatur 2009-2013?
2. Werden Sie sich in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, dass die von der derzeitigen Bundesregierung beschlossenen Mittelkürzungen des Nationalen Radverkehrsplans wieder zurückgenommen werden?
3. Wie bewerten Sie die Anbindung Sachsens an den Eisenbahnfernverkehr in Hinblick auf den Fahrradtourismus an Mulde-, Spree- und Neißeradweg? Werden Sie sich für einen besseren Anschluss Sachsens an den Eisenbahnfernverkehr einsetzen?
4. Welche Position vertreten Sie in Bezug auf die Einführung einer Regelgeschwindigkeit 30 km/h in Städten (Die Ausweisung von Strecken mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h wäre weiterhin möglich)?
5. Der ADFC fordert jährlich 250 Mio. Euro pro Jahr, damit der vorhandene Altbestand von Radwegen an Bundesstraßen saniert und auf den für den modernen Radverkehr geltenden Standard der aktuellen „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA)“ gebracht werden kann. Unterstützen Sie diese Forderung?

Mit freundlichen Grüßen,
Konrad Krause
Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Sachsen e.V.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Krause,

vielen Dank für Ihre Fragen.

1) Aus Sicht der SPD-Fraktion darf Radverkehr nicht länger als unbedeutende Größe in der Verkehrspolitik betrachtet werden. Es müssen vielmehr die Vorteile des Radfahrens in den Vordergrund gestellt werden. Radverkehr hat längst die Nische verlassen und bietet erhebliche Potentiale gerade für große Städte. Deshalb richten wir unseren Blickwinkel insbesondere auf Erhalt und Schaffung von Infrastruktur, Verkehrssicherheit, E-Mobilität und die Verknüpfung mit dem ÖPNV.

Der Radverkehr in Deutschland ist beim CSU-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer aber in schlechten Händen. Er bedient populistisch mit öffentlichen Äußerungen über sogenannte Kampfradler negative Vorurteile und leistet der weiteren Förderung des Fahrradverkehrs (auch der Arbeit für eine verbesserte Verkehrssicherheit im Radverkehr) einen Bärendienst. Statt sich für den Schutz der Radfahrer einzusetzen, schiebt er die Verantwortung für die Sicherheit im Straßenverkehr allein den Radfahrern zu und beunruhigt die Bevölkerung, indem er öffentlich über eine Helmpflicht für Radfahrer spekuliert. Investitionen in die Aufklärung über die Wichtigkeit der freiwilligen Helmnutzung unterlässt Herr Raumsauer dagegen.

In gleicher Form ignorierte Herr Ramsauer die hervorragende Arbeit der Deutschen Verkehrswacht und des Deutschen Verkehrssicherheitsrates mit ihren Aktionen für mehr Sicherheit im Radverkehr und sah im Entwurf des Bundeshaushalts 2010 eine Halbierung der Finanzmittel für die beiden Institutionen vor. Nur unter tatkräftiger Unterstützung der SPD-Fraktion konnte 2010 der Deutsche Bundestag das Streichkonzert der schwarz-gelben Bundesregierung verhindern.

Außerdem trocknet Herr Ramsauer unverantwortlich die Finanzierung des Baus von Radwegen an bestehenden Bundesstraßen aus (siehe Frage 5).

Was den Nationalen Radverkehrsplan (NRVP) betrifft: er bietet eine gute Analyse, bleibt aber an vielen Stellen im Unklaren. Es fehlen konkrete ambitionierte Ziele und die verbindliche Finanzierung einer engagierten Fahrradpolitik des Bundes. Also viel Prosa, wenig Konkretes. Die SPD-Fraktion hat ihre Vorstellungen zu neuen Impulsen für den Radverkehr und zur Überarbeitung des NRVP (die Ihnen sicherlich bekannt sind) in einem Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, der von allen Expertinnen und Experten gelobt wurde – aber weder bei Herrn Ramsauer noch in den Mehrheitsfraktionen von CDU/CSU und FDP Berücksichtigung fanden.

2) Ja.

3) Der Fahrradtourismus wird immer beliebter. In ganz Deutschland wie auch in Sachsen. Die Touristinnen und Touristen, die mit dem Fahrrad anreisen, wollen nicht nur eine gute Infrastruktur vor Ort, sondern auch eine gute Fernverkehrsanbindung. Hier geht es um die Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung vor Ort. Die gegenwärtig schlechte Möglichkeit zur Fahrradmitnahme im Fernverkehr in Sachsen hemmt leider diese touristische und wirtschaftliche Entwicklung. Deshalb werde ich mich auch zukünftig für eine verbesserte Mitnahmemöglichkeit von Fahrrädern im Fernverkehr einsetzen, was nicht nur, aber vor allem zu Hochzeiten im Sommer sinnvoll ist.

Übrigens: Sachsen ist das einzige Bundesland, das seine touristischen Radwege nicht selbstständig vermarktet. Das ist Sache der schwarz-gelben Staatsregierung in Sachsen – und definitiv verbesserungswürdig.

4) Das sollten Bundespolitiker lieber den Kommunalpolitikern überlassen. Die können das besser beurteilen. In den Kommunen vor Ort kann das besser entschieden werden als zentral von Berlin aus.

5) Die Bundesländer haben in den vergangenen Jahren einen Bedarf von 100 Millionen Euro für die Finanzierung des Baus von Radwegen an bestehenden Bundesstraßen angemeldet. Die SPD-Bundestagsfraktion hat diese 100 Millionen Euro in den Beratungen für den diesjährigen Bundeshaushalt angemeldet. CDU/CSU und FDP haben das auf 60 Millionen Euro gekürzt. Das ist im Vergleich zum Haushalt 2010 fast eine Halbierung.

Die Kürzungen und mangelnde bzw. nur halbherzigen Initiativen in den letzten Jahren zur Förderung des Radverkehrs sind keine guten Voraussetzungen für eine Stärkung des Radverkehrs. Während Länder und Kommunen längst die Chance des Radverkehrs – auch im Hinblick auf den Tourismus (siehe Frage 3) – erkannt haben, steht der Bund auf der Bremse.

Die SPD-Fraktion setzt sich außerdem dafür ein, dass die Mittel der Städtebauförderung auch für den Bau neuer Radwege genutzt werden kann. Voraussetzung dafür ist aber, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung die Mittel für die Städtebauförderung entsprechend dem vorhandenen Bedarf auf mindestens 700 Millionen Euro erhöht und in der mittelfristigen Finanzplanung verstetigt werden. Unter CDU/CSU und FDP wurde die wichtige Städtebauförderung drastisch gekürzt. Wir haben uns in den Haushaltsberatungen für eine Anhebung der Mittel auf den Stand von Rot/Grün eingesetzt. Leider vergeblich.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Tiefensee