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Wolfgang Methling
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Frage von Gudrun F. •

Frage an Wolfgang Methling von Gudrun F. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. Methling,
Die PDS (Linke) ist bekanntlich aus der SED (nach einem Demokratisierungsprozess) hervorgegangen.
Viele "Errungenschaften der SED-Führung", wie etwa die sog. "demokratische Bodenreform", schreibt sich Ihre Partei, Herr Dr. Methling, auf die neue Fahne; Sie selbst haben sich unter kandidatenwatch schon klar als eindeutiger Befürworter der Bodenreform bekannt.
Ich möchte Sie mit folgender historischer Wahrheit konfrontieren und sodann einige Fragen stellen:
Nach dem Mauerbau 1961 traten alle kollektivierten Bauern aus der LPG demonstrativ aus, worauf viele Leute im Dorf verhaftet wurden. Diese Aktion nutzte die SED für eine weitangelegte Propaganda. (Ort: Dorf Müsselmow / MV)
Übernimmt die PDS (Linke) heute - als Erbe der Bodenreformerrungenschaften der SED - die jur. Verantwortung für diese verhafteten Bauern, die für ihre Bürgerrechte mutig eintraten?
Was ist aber das heutige SED / PDS Ergebnis aus: JUNKERLAND IN BAUERNHAND
LPG-Rechtsnachfolger bewirtschaften heute mit ca. 4-8 Arbeitskräften Betriebe von 1500 - 5000 ha Größe; in Westdeutschland haben große landw. Betriebe eine Fläche von vielleicht 80 ha und werden eben- falls mit mehreren Arbeitskräften bewirtschaftet.
Was ist demnach aus Ihrer Bodenreform in Wahrheit geworden, für die Sie jetzt öffentlich eintreten?
Wird die PDS eine dringend notwendige neue Boden- reform anstoßen und Neusiedlungen und bäuerliche Landwirtschaft sowie Nebenerwerbsbetriebe fördern?
Wollen Sie Landflucht und Abwandern der Jugend oder wollen Sie vielleicht doch gesunde dörfliche Strukturen? Die ursprüngliche Bodenreform ist völlig tot - und die SED/PDS hat dafür sog. rote LPG-Barone geboren, die Sie heute hier verteidigen, Herr Dr. Methling.
Warum sagen Sie das den Menschen nicht, Herr Dr. Methling?
Hochachtungsvoll
Dr. G. Franke

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Dr. Franke,

bevor ich konkret auf Ihre Fragen eingehe, möchte ich grundsätzlich bemerken: Meine Partei hält eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR, mit obrigkeitsstaatlichem Sozialismus und den Strukturelementen des Stalinismus, für unabdingbar. Sie hat sich von Beginn an für die Ahndung politischer Verbrechen und für die Rehabilitierung und Haftentschädigung von Menschen eingesetzt, die Opfer politischer Repression wurden. Ohne diese prinzipielle Haltung wären die Abgrenzung von der SED-Politik und der Demokratisierungsprozess in der PDS, auf den Sie sich in Ihrem Brief beziehen, nicht gangbar.

Die Fraktion PDS / Linke Liste engagierte sich 1992/93 dazu in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages. Unsere Landtagsfraktion gehörte dann zu den Initiatoren der Enquete-Kommission "Leben in der DDR, Leben nach 1989 - Aufarbeitung und Versöhnung" 1994-1996. Die Historische Kommission beim Parteivorstand der PDS hat sich wiederholt in Konferenzen und Erklärungen mit dem Stalinismus und mit der Agrarpolitik von KPD/SED auseinandergesetzt. Ich verweise auf die Erklärung zum 60. Jahrestag der Bodenreform und auf die Analyse von Prof. Dr. Siegfried Kuntsche "Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse und der Produktionsstruktur in der Landwirtschaft" (Ansichten zur Geschichte der DDR, Hg. Bundestagsfraktion PDS/Linke Liste, Bd. I, Bonn / Berlin 1993).

Zu Ihren Fragen nehme ich wie folgt Stellung:

Erstens: Der von Ihnen angeführte massenhafte Austritt von LPG-Mitgliedern 1961 aus der LPG in Müsselmow im damaligen Kreis Sternburg ist meines Wissens bisher noch nicht von der zeithistorischen Forschung untersucht worden. Prinzipiell widersprach die strafrechtliche Verfolgung solcher Austritte den Gesetzen der DDR. In den rechtsverbindlichen, vom Ministerrat der DDR bestätigten Musterstatuten der LPG von 1952/53, die in den 60iger Jahren noch galten, war das Prinzip der Freiwilligkeit verankert. Meine Folgerung: Sollten sich die Dinge so verhalten, wie Sie andeuten, hätten die zu Unrecht kriminalisierten Bauern Anspruch auf Rehabilitierung und Haftentschädigung. Die betroffenen Bürger oder Ihre Erben sollten ermutigt werden, diesen Rechtsweg zu beschreiten.

Zweitens: Grundsätzlich vertritt die Linkspartei folgenden Standpunkt: Eine auf das Nachhaltigkeitsprinzip, auf ökologische Verträglichkeit und soziale Stabilität sowie auf EU-weite Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtete Landwirtschaft ist unverzichtbar für den ländlichen Raum und stellt ein Zukunftspotenzial in M-V dar. Landwirtschaftsbetriebe sollten unabhängig von Betriebsgröße, Rechtsform und Produktionsprofil gefördert werden, wobei aus der Sicht der Linkspartei den Agrargenossenschaften als mehrzweiglich organisierte Mehrfamilienbetriebe mit einem überdurchschnittlichen AK-Bestand besondere Bedeutung zukommt.

Ihrer Forderung, alles nur Mögliche gegen Landflucht und Abwanderung der dörflichen Jugend zu tun, ist völlig richtig. Ich sehe es wie Sie als einen großen Verlust an, dass die Landwirtschaft aller Betriebsformen seit 1990 in so hohem Maße Arbeitsplätze wegrationalisiert hat. Das ist leider die Konsequenz der kapitalistischen Marktwirtschaft und der von den EU-Gremien favorisierten neoliberalen EU-Politik. Notwendig und möglich ist in Mecklenburg-Vorpommern ein Wiederaufbau der 1990 reduzierten Viehwirtschaft; sie würde Arbeitsplätze bringen. Leider wird die Landwirtschaft nicht allein den Arbeitskräfteschwund abfangen können. Notwendig ist ein komplexes Programm zur Stabilisierung und Entwicklung des ländlichen Raums. Dafür werde ich mich im neuen Landtag einsetzen.

Zu Ihrem Verweis auf bäuerliche Familienbetriebe in den alten Bundesländern möchte ich anmerken: Seit Jahrzehnten besteht hier die Tendenz zum Nebenerwerb und jährlich werden 25.000 bis 30.000 Höfe aufgegeben. Mit den von Ihnen angeführten 80 ha wird heutzutage nur in Sonderfällen eine Familie ihr Auskommen finden. Eine Rückkehr zu bäuerlichen Kleinbetrieben in den neuen Bundesländern widerspräche den gegebenen Realitäten. In meinen Augen wäre dies auch kein zukunftsfähiger Weg.

Was die Bodenreformen in den Nachkriegsjahren angeht, so ist festzuhalten, dass sie in einem konkreten historischen Kontext standen: Konsens der vier Siegermächte hinsichtlich einer Bodenreform in allen Besatzungszonen im Rahmen ihrer Politik zur Demilitarisierung, Denazifizierung und Dezentralisierung.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Methling