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Wolfgang Methling
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Frage von Adolf S. •

Frage an Wolfgang Methling von Adolf S. bezüglich Recht

Betrifft: "Demokratische" Bodenreform der SBZ/DDR

Guten Tag Herr Kandidat Dr. Methling!

Es fällt mir auf, daß - sobald das "Justiz-Thema" Bodenreform aufkommt - Sie unverzüglich in den alten Jargon Ihrer Vorgänger-Partei SED verfallen.

Vertreibung, Internierung, Ermordung von (auch vielen) unschuldigen deutschen Staatsbürgern verteidigen Sie mit dem Attribut "demokratisch". Der Raub der Ver- mögenswerte (auch vieler) Unschuldiger war nach Meinung Ihrer Vorgängerpartei SED rechtsstaatlich.

Sie sind aber nun im Rechtsstaat BRD seit geraumer Zeit angelangt - und im Rechtsstaat BRD wurden kommunistische Zwangsvertreibungen von (auch) unschuldigen Mecklenburgern niemals als demo- kratisch und rechtsstaatlich anerkannt - und dieses himmelschreiende (auch) Unrecht sollte nach der Wiedervereinigung aufgearbeitet und gesühnt werden.

In einem demokratischen Rechtsstaat gibt es auch keine Zwangskollektivierung von freien Bauern bzw. Neusiedlern; die "demokratische Bodenreform" der SBZ/DDR hat sich in monströse LPG-Betriebe und deren monströse Rechtsnachfolger aufgelöst.

Ich möchte Ihnen folgende Fragen stellen:

Sind Sie dafür, daß unschuldige und nicht NS-be- lastete deutsche Binnenvertriebene zumindest ihre dem Verfall geweihten Kulturgüter zurück erhalten, wenn dieses kulturelle Erbe noch in öffentlicher Hand ist?

Sind Sie ferner dafür, daß unschuldige und nicht NS-belastete deutsche Binnenvertriebene aus der SBZ/DDR strafrechtlich rehabilitiert werden, wenn Sie sich in einem rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahren eindeutig als unschuldig und NS-unbelastet erweisen?

Kollektivschuld und Sippenhaft darf es in einem wieder- vereinigten Rechtsstaat Deutschland niemals geben!

Ich denke, diese einfachen Fragen können Sie - auch als "Nicht-Jurist" - beantworten - oder jemanden aus Ihrer Partei fragen, der für das "Justiz-Ressort" Ver- antwortung übernimmt.

Mit freundlichen Grüßen

A. Schmidt

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schmidt,

sie müssen wohl Äußerungen von mir zur Bodenreform 1945/46 missverstanden haben, wenn Sie mir "den alten Jargon Ihrer Vorgänger-Partei SED" unterstellen.

Die PDS hat sich seit Anbeginn besonders verpflichtet gesehen, sich mit der Geschichte der DDR, mit obrigkeitsstaatlichem Sozialismus und den Strukturelementen des Stalinismus, kritisch auseinanderzusetzen. Das schloss auch die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands ein, die auf besatzungshoheitlicher Grundlage vor allem durch die KPD als Vorgängerpartei der SED durchgesetzt wurde.

Anlässlich des 60. Jahrestages im September 2005 hat die Historische Kommission beim Parteivorstand der Linkspartei in einer Erklärung die Bodenreform als einen Akt des gesellschaftlichen Fortschritts qualifiziert und zugleich deren Ambivalenz hervorgehoben. U. a. heißt es dort: "Der demokratische Charakter der Bodenreform wurde durch Willkürakte bei der Enteignung von Bauernhöfen, durch die rigide Ausweisungspolitik, durch die Verweigerung einer Entschädigung politisch Unbescholtener und die Widerrufung des Anspruchs auf Resthöfe für Teilnehmer des antifaschistischen Widerstandes beschädigt." Ich teile diese Wertung.

Soviel zur Bewertung der Bodenreform als historischen Prozess.

Was die Rechtslage nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Deutschen Bundesrepublik angeht, so hat das Bundesverfassungsgericht bekanntlich am 23. April 1991 entschieden, dass Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. -hoheitlicher Grundlage nicht rückgängig gemacht werden können, aus rechtsstaatlichen Gründen aber Entschädigungsleistungen geboten sind. Diese wurden durch das vom Bundestag am 27.9.1994 beschlossene Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG), das u. a. Ausgleichsleistungen an Bodenreform-Enteignete beinhaltet, geregelt. Die Abweisung der Klage von Bodenreform-Enteigneten gegen diese Regelung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am 30. März 2005 und das nachfolgende Urteil dieses Gerichtshofes vom 30. Juni 2005 zur Klage von Erben von Bodenreformparzellen haben einen Schlußstrich unter die bundesrepublikanische Abwicklung der Bodenreform gesetzt.

Zu Ihrer ersten Frage bemerke ich: Sofern Sie die Rückgabe von beweglichen Kulturgütern an Bodenreform-Enteignete bzw. deren Erben meinen, so ist dies durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 geregelt. Sollten Sie mit vom "Verfall geweihten Kulturgütern" ehemalige Herrensitze meinen, so handelt es sich um Immobilien, die von der 1990 eingerichteten Treuhandveraltung den Kommunen übereignet worden sind. Seit Jahren werben die meisten Kommunen um einen Investor, dem sie diese Immobilie lieber heute als morgen gegen ein im Grunde symbolisches Entgelt übereignen möchten.

Bei Ihrer zweiten Frage vertrete ich folgenden Standpunkt: Bürger der seinerzeitigen Länder der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands bzw. der DDR, die entgegen der Gesetzeslage strafrechtlich verfolgt wurden, also Opfer politischer Repressionen wurden, sind in einem rechtsstaatlichen Prozess zu rehabilitieren. Da sich Ihre Frage auf die Bodenreform-Enteignungen konzentriert, möchte ich ausdrücklich auf Folgendes hinweisen: Die auf besatzungshoheitlicher Grundlage von den 5 Provinzial- bzw. Landesregierungen der SBZD erlassenen Bodenreform-Verordnungen schrieben die generelle Enteignung aller Personen mit einem landwirtschaftlichen Besitz von mehr als 100 ha Gesamtfläche unabhängig vom politischen Verhalten vor - anders als im Falle der Enteignung von Höfen unter 100 ha, wo Kriegs- und Naziverbrechen nachzuweisen waren. Bei dieser Rechtslage haben m. W. Gerichte bereits Klagen von Erben Bodenreformenteigneter der erstgenannten Kategorie selbst dann zurückgewiesen, wenn seitens der Staatsanwaltschaft der Russischen Republik eine NS-Nichtbelastung festgestellt worden ist.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Methling