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Frage von Bernd S. •

Frage an Wolfgang Gunkel von Bernd S. bezüglich Deutsche Einheit / Innerdeutsche Beziehungen (bis 1990)

Sehr geehrter Herr Gunkel

beim diesjährigen 30. Evangelischen Kirchentag wartete auf die Besucher unseres Standes neben dem Thema Energiemix auch ein „Fragenwald“ zur aktuellen gesellschaftlichen Debatte über den Arbeitsmarkt und das Sozialsystem.

Unsere Standbesucher waren aufgerufen, mit einer Hand voll Bohnen die Themen zu kennzeichnen, die sie persönlich für besonders wichtig hielten und bei denen sie dringenden Handlungsbedarf sahen. Es ging uns nicht um ein einfaches Ja oder Nein zu den Fragen. Der Leitgedanke war, zum Nachdenken und zur Diskussion anzuregen.

Unseren etwa 1500 Standbesuchern versprachen wir, Politikern das Ergebnis der Umfrage zugänglich zu machen und sie zu bitten, sich persönlich an der Diskussion zu beteiligen.

Je zwei Fragen aus dem Themenkomplexen Arbeitsmarkt und Sozialpolitik wurden anhand der Bohnen als die dringlichsten Fragen gewichtet. Es waren:

· Sind Schulbildung, Ausbildung, Weiterbildung nur Kostenfaktoren? (11,61%)

· Wie können Unternehmer verpflichtet werden, einen angemessenen Beitrag für mehr soziale Sicherheit zu leisten, egal wo sie produzieren? (10,45%)

· Soziale Gerechtigkeit – Utopie oder frommer Wunsch?

Was bedeutet für Sie „Soziale Gerechtigkeit“?

… Chancengleichheit?

… Vollbeschäftigung?

… in sozialer Not, einheitliches Hilfsangebot? (10,97%)

· Brauchen wir, trotz hoher Arbeitslosigkeit, kürzere Ausbildungszeiten und eine längere Lebensarbeitszeit? (9,28%)

Wir möchten Sie bitten, in diesem Forum zu den als dringlich gewichteten Fragen Stellung zu nehmen.

Sollten Sie oder Besucher dieser Plattform an den weiteren Fragen und deren Bewertung interessiert sein, können sie die Unterlagen gerne unter 0175 377 6116 anfordern.

Wir wünschen Ihnen, dass Sie viele Chancen haben, den Menschen in Ihrem Wahlkreis Ihre politischen Ziele und Lösungsvorschläge vorzustellen.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Schnabel

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Antwort von
SPD

- Sind Schulbildung, Ausbildung, Weiterbildung nur Kostenfaktoren? (11,61%)

Bildung, Weiterbildung und Ausbildung sind selbstredend nicht nur Kostenfaktoren. Ein Staat, der Bildungspolitik betreibt, muss dies aber auch nachhaltig tun. Das heißt, daß wir ein Bildungssystem schaffen und erhalten müssen, das auch in 10 Jahren noch in der Lage ist, Wissen zu vermitteln und Infrastrukturen wie z.Bsp. Schulen und Lehrer bereitzustellen. Momentan verändert sich die Bildungslandschaft sehr, weil immer weniger Kinder geboren werden. Wir müssen das Bildungssystem auf diese neuen Bedingungen anpassen. Das geht nur mit den Bürgern zusammen, weil diese direkt davon betroffen sind. Es bleibt nur eines zu sagen: Bildung ist eine der wichtigsten sozialen Kapitalanlagen Deutschlands. Das Angebot an qualitativ hochwertigen Bildungsmöglichkeiten darf nicht auf diejenigen Menschen begrenzt sein, die in der Lage sind, sich diese auch finanziell leisten zu können.
Wir haben dazu u.a. das Tagesbetreuungsausbaugesetz für Kinder im Vorschulalter (ca. 230.000 zusätzliche Plätze in Kindergärten, Krippen und in der Tagespflege bis 2010), das Ganztagesschulprogramm (4 Mrd. Euro für ca. 10.000 zusätzliche Ganztagesschulen bis 2008), die Gleichstellung in der Förderung, Qualifizierung und Jobvermittlung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern durch HARTZ IV und die Planung eines Verbraucherinformationsgesetztes auf den Weg gebracht.
Bildung ist auch deshalb nicht nur ein Kostenfaktor, sondern eine Investition, weil gut informierte und ausgebildete Menschen gute Ideen für unser Land haben und aktiv an der Zukunft mitwirken können.

- Wie können Unternehmer verpflichtet werden, einen angemessenen Beitrag für mehr soziale Sicherheit zu leisten, egal wo sie produzieren? (10,45%)

Unternehmer tragen schon heute einen wesentlichen Teil der Sozialabgaben. Besonders der Mittelstand leistet hier einen großen Beitrag, da er insgesamt die meisten Beschäftigten hat. Zugriff über ein Steuer- und Abgabensystem kann man nur auf Unternehmen haben, die auch in Deutschland ansässig sind. Deutsche Unternehmen haben auf jedes Nettoeinkommen eines Angestellten nochmals einen hohen Anteil an Lohnnebenkosten zusätzlich zu zahlen. Das ist ein Faktor, der sich negativ auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Wir haben im Bereich niedrigbezahlter Tätigkeiten für geringqualifizierte Menschen diese Lohnnebenkosten gesenkt. Dadurch kommen mehr Menschen zu akzeptablen Löhnen in Arbeit und das Sozialsystem wird entlastet. Deutschland ist europaweit eines der wenigen Länder, welches die Sozialabgaben über Lohnnebenkosten direkt von den Unternehmen bezieht.
Unternehmen, die in Deutschland ihren Sitz haben und im Ausland produzieren, müssen sich darüber bewußt werden, daß sie auf vieles verzichten müssen. So haben wir in Deutschland sehr gut ausgebildete Arbeitnehmer, eine hervorragende Infrastruktur, ein zuverlässiges Rechtssystem und ein stabiles Verhandlungssystem für Löhne und Gehälter. Viele Unternehmen, die ins Ausland gegangen sind, haben diese Vorteile inzwischen erkannt und sind zurückgekehrt - auch wenn die Arbeitsplätze hier oft teurer sind.

- Soziale Gerechtigkeit - Utopie oder frommer Wunsch?

Soziale Gerechtigkeit ist weder ein frommer Wunsch noch eine Utopie. Aber sie ist ein Ideal, das wir sicher noch nicht erreicht haben. Sie entsteht nicht nur staatlicherseits, sondern auch durch das solidarische Miteinander der Menschen. Soziale Gerechtigkeit kann nur dann Wirklichkeit sein, wenn alle für die Bedürfnisse und Sorgen derjenigen aufkommen, denen es schlechter geht. Der Staat kann hierfür die Rahmenbedingungen schaffen, indem er Steuern erhebt und das Geld so ausgibt, daß die Schwächeren besonders gefördert werden. In der Praxis kommt es jedoch auf alle an. Dabei müssen alle Bürger bereit sein, füreinander einzustehen. Um zu gewährleisten, daß die Verteilung der Mittel in unserem Land sozial und gerecht geschieht, brauchen wir einen Staat, der über die Verteilung auch entscheiden kann. Der Neoliberalismus von Union und FDP, der ausschließlich auf Eigenverantwortung setzt, ist in meinen Augen der falsche Weg.

- Was bedeutet für Sie "Soziale Gerechtigkeit"?

siehe oben

- ... Chancengleichheit?

Jeder soll - nach seinen Möglichkeiten - die gleichen Chancen bekommen. Chancengleichheit beinhaltet, daß es keinerlei Diskriminierung nach Bildungsstand, Rasse, Geschlecht, sexueller Ausrichtung, Alter, Behinderung usw. gibt. Hierzu hat die Koalition das von der Union scharf kritisierte Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet. Einige Bestandteile dieses Gesetzes gab es sicherlich in anderer Form schon, sie sind jetzt aber endlich gebündelt worden und so für alle besser nachvollziehbar. Wichtig ist, daß jeder unabhängig von seinem Elternhaus die gleichen Bildungschancen eingeräumt bekommt und dadurch keine Nachteile in seiner persönlichen Biografie erleidet.

- ... Vollbeschäftigung?

Vollbeschäftigung ist ein Medallie mit zwei Seiten. Sie meint, daß alle arbeitsfähigen Menschen eines Landes einen Arbeitsplatz haben. Sie sagt leider nichts darüber aus, ob man von diesem Arbeitsplatz dann auch angemessen leben kann. Niemand kann Interesse daran haben, daß es auf dem Papier keine Arbeitslosen mehr gibt und die kleinen Leute trotzdem nicht genug zum Leben haben. Die Reformen am Arbeitsmarkt, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, sind erste Schritte zu mehr Beschäftigung unter sozial ausgewogenen Bedingungen. Diese Reformen brauchen aber Zeit, bis sich Unternehmer und Arbeitnehmer darauf eingestellt haben. "Echte" Vollbeschäftigung werden wir sicherlich nie erreichen, aber wir können intensiv daran arbeiten, möglichst viele Menschen in eine sinnvolle, gut bezahlte Arbeit zu bringen. Mich persönlich stört, dass im Moment niemand mehr über Arbeits(ver)teilung spricht. Ich sehe nicht ein, warum es nicht möglich sein soll ordentlich bezahlte Job´s z.B. im 4/5 Ansatz (ohne Lohnausgleich) zu organisieren um so mehr Menschen in Arbeit zu bringen.

- ... in sozialer Not, einheitliches Hilfsangebot? (10,97%)

Dieses ist heute schon Realität. Die soziale Grundsicherung, auf die jeder Mensch in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch hat, ist ein einheitliches Hilfsangebot vom Staat. Allerdings muss man auch sehen, daß Menschen in sozialer Not nicht nur materielle Hilfe benötigen. Wichtiger ist darüber hinaus, die Motivation zur eigenverantwortlichen Gestaltung des eigenen Lebens aufrecht zu erhalten und den Menschen eine Perspektive zu geben. Menschen in sozialer Not darf man nicht abschreiben, sondern muss dafür sorgen, daß sie Teil der Gesellschaft bleiben.

- Brauchen wir, trotz hoher Arbeitslosigkeit, kürzere Ausbildungszeiten und eine längere Lebensarbeitszeit? (9,28%)

Die Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Es wurden immer weniger Kinder geboren. Eine moderne Familienpolitik muss hier helfen gegenzusteuern (u.a. Kita-Plätze/Kindergeld etc.) Das aus meiner Sicht gravierendere Problem ist allerdings eine Werteorientierung, die zunehmend Kinder als finanzielle Belastung definiert. Als katholischer Christ wünsche ich mir an dieser Stelle ein Umdenken in der Gesellschaft, die Kinder als etwas Elementares, Einzigartiges und Unersetzbares erkennt.
In Sachen Lebensarbeitszeit gilt es das gesetzliche mit dem tatsächlichen Renteneintrittsalter (z.Zt. ca. 60 Jahre) schrittweise in Einklang zu bringen. Kürzere Ausbildung ist kein guter Weg, weil Ausbildung dadurch nicht besser wird. Richtig ist allerdings, dass wir durch ein effizienteres Bildungssystem das Berufseintrittsalter senken müssen.
Die Arbeitslosigkeit betrifft zu einem großen Teil diejenigen Menschen in unserem Land, die keine Ausbildung und eine schlechte Schulbildung haben. Hier müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden, um die Arbeitslosen fit für den Arbeitsmarkt zu machen.