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Winfried Kretschmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Mechthild H. •

Frage an Winfried Kretschmann von Mechthild H. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Krteschmann,

eigentlich finde ich viele Ziele der GRÜNEN gut, vor allem den Standpunkt zur Atomkraft, zu Stuttgart 21, zu ökologischen Fragen usw. usw.
Allerdings habe ich auch gelesen, dass Ihre Partei die Beihilfe für pensionierte Beamte kürzen will, was letztlich eine Pensionskürzung bedeutet. Warum sollte ich also eine Partei wählen, die meine persönliche Lebensplanung, die sich neben privater Vorsorge auch auf Zusagen des Staates verlassen hat, so deutlich zum Schlechteren verändern will?

Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Herrmann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Herrmann,

Es geht bei den Vorschlägen der Grünen im Landtag um zwei Zielsetzungen:

Erstens um die Generationengerechtigkeit, d.h. die Pensionen gegenüber den heute jüngeren, aktiven Beamtinnen und Beamten. Ihre Pensionen sollen im Kern gesichert werden. Zweitens geht es um die Nachhaltigkeit der Landesfinanzen. Die von den Grünen vorgeschlagenen Maßnahmen beziehen sich ausschließlich auf die Beihilfeleistungen und auf die Sonderzahlungen (13.Monatspension) für die Versorgungsempfänger. Die eigentlichen Pensionen sollen in ihrem Kernbereich uneingeschränkt erhalten und gesichert werden. Die bei Beihilfe und Sonderzahlungen eingesparten Mittel sollen daher dem Pensionsfond des Landes zugutekommen. Die weiteren Vorschläge der GRÜNEN zum Besoldungsanpassungsgesetz 2009 stellen keine Kürzungen dar, sondern eine Stufung nach Laufbahnen in der Anhebung der Pensionen. Diese Einsparungen sollten den Haushalt in der Finanzkrise entlasten.

Was bedeutet Nachhaltigkeit der Landesfinanzen?
Wenn die Landespolitik weiterhin untätig bleibt, werden die Pensionslasten im Landeshaushalt von heute 3,2 Mrd. Euro auf über 7,6 Mrd. Euro im Jahr 2030 anwachsen. Dies kann man heute schon aus dem Altersaufbau der aktiven Beamten im Landesdienst und der Versorgungsempfänger berechnen. Diese Entwicklung würde auf der einen Seite die politische Handlungsfähigkeit des Landes in allen anderen Bereichen wie Bildung, Umwelt- und Sozialpolitik de facto blockieren. Andererseits wären die Pensionen selbst in ihrem Kernbestand gefährdet. Daher gilt:

Wer die künftigen Pensionen in ihrem Kern sichern will, muss sich um die künftige Finanzierbarkeit kümmern. Wir streben daher an, dass der Anteil der Steuereinnahmen, den das Land für Pensionszahlung reservieren muss – derzeit ca. 1/7 der Steuereinnahmen - im langfristigen Durchschnitt nicht steigt. Dies bedeutet, dass die Pensionszahlungen nicht stärker wachsen sollen als die zu erwartenden Steuereinnahmen. Bei den Steuereinnahmen gehen wir langfristig von einem (nominalen, d.h. nicht preisbereinigten) Wachstum von 3,0 bis 3,5 % aus. Dies ist eine eher optimistische Annahme. Damit ergibt sich – sozusagen mittelbar über das Steueraufkommen – ein Mechanismus, der einen gleichbleibenden Anteil der Versorgungsempfänger am wachenden Sozialprodukt garantiert und den man als „mittelbaren Generationenvertrag“ bezeichnen könnte.

Warum hat die Landespolitik die Problematik nicht früher erkannt?
Die Frage der Besoldung und Versorgung der Beamten war bis zur Föderalismus-Reform 2006 in der Zuständigkeit des Bundes. Während der Regierungszeit SPD-Grüne war das VersorgungsrücklagenG beschlossen worden, das es den Ländern ermöglicht eine Versorgungsrücklage für die Beamten aufzubauen, die aus einem Anteil von 0,2 % aus der Anpassung der Bezüge finanziert wird. Diese Versorgungsrücklage wurde auch in Baden-Württemberg eingerichtet, wird aber bei weitem nicht ausreichen, um die Pensionslasten in den Jahren ab 2018 so abzusenken, dass das Nachhaltigkeitsziel erreicht wird.

Warum reicht der vom Land eingerichtete Pensionsfonds nicht aus?
Richtig ist, dass die Politik insgesamt das Thema viele Jahre vor sich her geschoben hat. Allerdings helfen uns Schuldzuweisungen in der Finanzpolitik nicht weiter; wir müssen das Finanzierungsproblem für die Pensionen lösen, das sich für die nächsten Jahre und Jahrzehnte aufgrund der Lage der demografischen Fakten stellt.

Das Land hat nun im Jahr 2008 einen Pensionsfonds mit einem Startkapital von 500 Mio. Euro eingerichtet; für jeden neu eingestellten Beamten wird der Fond mit jährlich 6.000 Euro dotiert. Der Rechnungshof hat in seiner Denkschrift 2010 ermittelt, dass die nach Kapitalrechnung notwendige Einzahlung in den Fond pro Jahr nicht 6.000 Euro, sondern 13.600 Euro sein müsste. Die notwendige Kapitalrücklage, um die Pensionen in kaufmännischer Rechnung daraus finanzieren zu können, berechnet der Rechnungshof mit 70 Milliarden (!) Euro. Der aktuelle Stand des Pensionsfonds liegt bei deutlich unter 1 % dieses Wertes.

Was sind die Vorschläge der Grünen in Einzelnen?
Die wesentlichen Vorschläge der GRÜNEN im Landtag zu einer nachhaltigen Finanzierung der Pensionen sind
• Reduzierung der bei den Versorgungsempfängern beihilfefähigen Kosten von 70% auf 50%. Bei den Pensionären des einfachen Dienstes bleibt es bei der bisherigen Regelung (Der einfache Dienst entfällt 2011 nach der Dienstrechtsreform). Mit dieser Regelung erfolgt eine analoge Anpassung an die gesetzliche Rentenversicherung, die 50% des Beitrags der gesetzlichen Krankversicherung übernimmt. Diejenigen Pensionäre, die einen höheren Beitrag in der privaten Krankenversicherung vermeiden wollen, können in den „Basistarif“ ihrer PKV wechseln, der die gleichen Leistungen wie die gesetzliche Krankenversicherung anbietet (siehe unten).
• Der Verzicht auf die bestehenden Sonderzahlungen für die Versorgungs-empfänger des gehobenen und höheren Dienstes. Diese Sonderzahlungen wurden bereits von der Landesregierung für Pensionäre auf 30% eines Monatsbezugs abgesenkt –allerdings ohne soziale Staffelung, d.h. für alle Besoldungsgruppen. Eine solche Sonderzahlung („Weihnachtsgeld“) gibt es in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht.

Weiterhin haben die GRÜNEN im Landtag bei der Beratung des Besoldungsanpassungsgesetz 2009 eine Anhebung der Pensionen gestaffelt nach Laufbahnen vorgeschlagen. Im langfristigen Trend sollen die Pensionen im zeitlichen Mittel nicht stärker steigen als die Renten. Im Jahr 2009 bestand in der Rentenversicherung eine „Nullrunde“; die Renten wurden nicht angehoben, die Pensionen hingegen um 3%.

Warum machen die Grünen die Vorschläge gerade zum jetzigen Zeitpunkt? Müssen da Haushaltslöcher gestopft werden?
Nein, es geht nicht um das Stopfen von aktuellen Haushaltslöchern, sondern um die langfristige Nachhaltigkeit der Landesfinanzen und um die Sicherung der Beamtenversorgung. Durch die Föderalismusreform wurde den Ländern nun die Zuständigkeit für die Besoldung und Versorgung der Beamten übertragen. Das Grundgesetz wurde in Art 33, 5 dahingehend geändert, dass dabei die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums bestehen bleiben, aber weiter „fortentwickelt“ werden können. Das Land sollte diese neue Möglichkeit als Aufforderung und Verantwortung begreifen, jetzt zu handeln. Das Problem weiter hinauszuschieben würde unnötige weitere Risiken und zu weiteren Härten für die Beamten und Versorgungsempfänger führen.

Sind die Vorschläge der Grünen mit der Rechtslage vereinbar?
Wir sehen durch unsere Vorschläge den Kern des „Alimentationsprinzips“ nicht tangiert, solange die Beamten im Umfang und in der Entwicklung der Versorgung im Ruhestand nicht schlechter gestellt werden als die Rentner.

Welche Belastungen entstehen für die Beamten?
Die wesentliche Veränderung besteht bei der Krankenversicherung: Bei den Vorsorgungsempfängern steigt der Anteil der selbst zu versichernden Krankenkosten von 30% auf 50% also um 20%. Je nach Krankenversicherung kann dies einen monatlichen zusätzlichen Betrag von 100 bis 150 Euro ausmachen.

Die Versorgungsempfänger haben jedoch die Möglichkeit, bei ihrer privaten Krankenversicherung in einen günstigeren Tarif zu wechseln. Alle privaten Krankversicherungen sind verpflichtet, einen Tarif anzubieten, der im Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Die Versorgungsempfänger haben daher die Möglichkeit die Mehrkosten durch Anpassung ihres persönlichen Tarifs weitgehend zu kompensieren, wobei in keinem Fall das Leistungsniveau unter die gesetzliche Krankenversicherung sinkt.

Wie hoch sind im Durchschnitt die Pensionen im Vergleich zu den Renten?
Von den Interessenvertretungen der Beamtenschaft wird im Zusammenhang mit den künftigen Pensionen zutreffend immer wieder auf die in den letzten Jahren erfolgten Kürzungen bei den Beamtenbezügen (Abbau des Weihnachtsgeldes, Zuzahlung bei der Beihilfe usw.) hingewiesen. Auf der anderen Seite mussten jedoch auch die Rentner in der gesetzlichen Rentenversicherung Nullrunden (Jahre ohne Rentenpassung) hinnehmen, die einen realen Einkommensverlust bedeuteten.

Allerdings: Ein präziser, genereller Vergleich zwischen Altersrenten und Pensionen ist wegen unterschiedlicher Berechnungsgrundlagen schwierig (siehe aber Fallstudie unten) . Für die Berechnung des Netto-Einkommens (das Einkommen das einem Haushalt zur Verfügung steht) müssen verschiedene Einkommensarten, Besteuerung und Kosten berücksichtigt werden. Die Pensionen werden voll dabei versteuert, die Renten bisher nur zum kleinen Teil, der zu versteuernde Anteil der Renten wir künftig stetig steigen.

Das statistische Bundesamt ermittelt für den Haushalt eines Angestellten oder Beamten während des aktiven Beruflebens etwa die gleichen Einkommenswerte (Stand 2002). Die Unterschiede zeigen sich beim Eintritt in den Ruhestand. Es wird deutlich, dass die Pensionen im betrachteten Zeitraum die durchschnittlichen Nettopensionen sowohl bei der absoluten Höhe als auch bei den Zuwächsen deutlich über dem allgemeinen Vorsorgungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung lagen. Für den Eintritt in den Ruhestand ermittelt das Statistische Bundesamt selbst einen Rückgang der Nettoeinkommen von 44 % für Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Vergleich dazu von 13 % für einen Beamten mit Pensionsanspruch.

Vergleich Pension-Rente: Eine Fallstudie für eine tatsächliche Erwerbsbiografie
Das Fehlen von allgemeingültigen Vergleichen zwischen Pensionen und Renten hängt damit zusammen, dass es sich um unterschiedliche Systeme handelt, die in ihrer Gesamtheit nicht zu vergleichen sind. Im Rahmen einer Fallstudie wurde daher von der Fraktion GRÜNE ein anderer Weg gegangen, um berechnete und belastbare Hinweise zu erhalten: Wir berechnen die gesetzliche Rente für die Erwerbsbiografie eines tatsächlichen Beamten, der im Juli 2007 in Ruhestand ging und vergleichen diese mit seiner tatsächlichen Pension aus dem Beamtenverhältnis, Das Finanzministerium Baden-Württemberg hat dazu im Benehmen mit dem Landesamt für Besoldung und Versorgung die Erwerbsbiografie eines Beamten der Besoldungsgruppe A12 (Gewerbelehrer) für die vergangenen 41 Jahre ermittelt und in die Zahlen in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt. Die Deutsche Rentenversicherung hat auf unsere Bitte die zu erwartende Höhe der Altersrente für diese konkrete Erwerbsbiografie "als Angestellter" in der gesetzlichen Rentenversicherung berechnet.

Das Ergebnis ist wie folgt:

Der Beamte erhält eine Pension von 2747,00 Euro.
Diese Pension ist voll zu versteuern. In der Steuerklasse III ergeben sich Abzüge von insgesamt ca. 224,16 Euro
Somit ergibt sich ein Netto Ruhegehalt (Pension) von 2522,84 Euro

Als Angestellter etwa bei einer Privatschule würde sich bei dieser Erwerbsbiografie (Bruttobezüge) bei der Deutschen Rentenversicherung eine Altersrente von 1656,35 Euro. ergeben.

Dabei ist allerdings noch nicht berücksichtigt, dass der Angestellte seit 41 Jahren Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bezahlt hat; der Beamte jedoch nicht. Nicht nur bezüglich des Unterschiedes in den Ruhestandsbezügen, sondern auch bezüglich dieser Zahlungsreihe der „Beiträge“, die einen erheblichen Gegenwartswert aufweist, ist der Beamte im Vorteil gegenüber dem Angestellten mit gleicher Erwerbsbiografie. Zusammengefasst ist wohl zu sagen, dass trotz der Kürzungen bei den Beamtenbezügen und auch bei den Beamtenpensionen in den vergangenen Jahren das durchschnittliche Versorgungsniveau der Pensionäre nicht hinter das durchschnittliche Versorgungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgefallen ist, sondern im Durchschnitt weiterhin darüber liegt.

Mit freundlichen Grüßen
Winfried Kretschmann

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