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Frage von Norbert T. •

Frage an Ulrike Flach von Norbert T. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Flach,

wie Sie der Presse entnehmen können, wird zur Zeit sehr kontrovers diskutiert, ob eine Sperre von Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten das geeignete Mittel ist, um diesem Straftatbestand mit angemessener Schärfe zu begegnen.

Viele Menschen bezweifeln dies und halten die vorgeschlagenen Maßnahmen für technisch mangelhaft und befürchten darüber hinaus, dass durch das geplante Verfahren für die Sperre von anderen Inhalten geeignet ist. Da das diskutierte Verfahren ohne Richtervorbehalt auskommen soll, entspricht es nach Meinung vieler Menschen nicht den geltenden rechtsstaatlichen Normen. Über 60.000 Menschen haben sich bereits einer Petition angeschlossen, die die von Frau von der Leyen initierte Maßnahme für nicht sachdienlich halten.

Da nicht klar ist, ob die unter der URL https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=3860 abrufbare Petition vor der nächsten Wahl zur Vorlage kommt, möchte ich IHRE GANZ PERSÖNLICHE Meinung zu diesem Thema.
Wie stehen Sie als Mensch und Abgeordneter, der nur seinem Gewissen verpflichtet ist, diesem Thema gegenüber?
Halten Sie es nicht für sinnvoller, die Anbieter mit den schon jetzt zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln zu verfolgen?
Halten Sie eine Einschränkung des Art. 5 GG für eine verhältnismäßige Maßnahme?
Wäre es nicht sinnvoller, das Strafmaß für Kindesmißbrauch über das von Ladendiebstahl zu erhöhen?
Sind Sie der Meinung, dass noch immer von einer generellen Unschuldsvermutung gesprochen werden kann, wenn selbst das versehentliche Ansurfen einer Sperrseite ein nahezu automatisiertes Ermittlungsverfahren auslöst?

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Ulrike Flach
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Tuschen,

vielen Dank für Ihre Frage zur Bekämpfung der Kinderpornographie, zu dem ich gerne Stellung nehme.

Kinderpornographie muss effektiv bekämpft werden. Kinderpornographie, bei der der Missbrauch von Kindern in Bild oder Film wiedergegeben wird, ist ein widerliches und schreckliches Verbrechen, denn der vorangegangene Missbrauch hinterlässt unheilbare Wunden an Seele und Körper der missbrauchten Kinder.

Notwendig ist die konsequente Verfolgung von Kinderpornographie. Die Erfolge der Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern in diesem Bereich müssen fortgesetzt werden. Insbesondere ist für ausreichende personelle und sächliche Mittel, gerade bei der IT-Ausstattung, bei Polizei und Staatsanwaltschaften, die richtigerweise sehr sensibel auf Anzeigen und Erkenntnisse in diesem Bereich reagieren, zu sorgen.

Den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes, nach dem die Zugangsprovider dazu verpflichtet werden sollen, Internetseiten nach Vorgabe einer Sperrliste des Bundeskriminalamts durch Umleitung auf eine Stopp-Seite zu sperren, lehnt die FDP-Bundestagsfraktion ab.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Straftaten, die im oder mittels des Internets begangen werden, müssen konsequent verfolgt werden. Zugleich müssen sich staatliche Maßnahmen an den geltenden rechtsstaatlichen Vorgaben messen lassen.

Der Gesetzentwurf wirft darüber hinaus verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit auf. Von den geplanten Sperrungen können auch legale Internetseiten erfasst sein, wie die Bundesregierung selbst darlegt. Daher muss sehr sorgfältig geprüft werden, ob die vorgeschlagene Maßnahme verhältnismäßig ist.
Betroffen von der Sperrung von Internetseiten sind die Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit. Selbstverständlich schützen die Grundrechte nicht rechtswidriges Verhalten. Das Verbreiten und das Sich-Beschaffen wie auch schon der Besitz von Kinderpornographie sind strafbar.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit den geplanten Sperrungen durch die Manipulation in den sog. Domain-Name-Servern (DNS), die dazu dienen, eine vom Nutzer eingegebene Internetadresse in die zugehörigen numerischen IP-Adressen aufzulösen, die gesperrten Seiten nach wie vor zugänglich sind, wenn z.B. ein anderer DNS verwendet oder aber die IP-Adresse direkt eingegeben wird. Wenngleich die Umgehbarkeit die Geeignetheit nicht grundsätzlich in Abrede stellt, muss jedoch bedacht werden, dass die Nutzung anderer DNS, z.B. einer Universität, gang und gäbe ist und so eine nicht unerhebliche Zahl der Nutzer gar nicht erfasst wird. Ebenfalls nicht erfasst werden sog. Peer-to-Peer-Netzwerke, da diese nicht in den Domain-Name-Servern verzeichnet sind. Insoweit wird ein für die Begehung von Straftaten im Bereich der Kinderpornographie wesentlicher Verbreitungsweg schon von vornherein nicht erfasst. Schließlich wechseln die Server nach Angabe des BKA häufig, teilweise nach nur wenigen Stunden. Sperrlisten, die binnen sechs Stunden wirksam werden müssen, verfehlen dann aber ihr Ziel.

Von der Bundesregierung wird vorgetragen, dass die Maßnahme aber deshalb erforderlich sei, weil ein strafrechtliches Vorgehen gegen die Betreiber ausländischer Server schwierig bis unmöglich sei. Nach Erkenntnissen aus anderen Ländern befindet sich die weit überwiegende Zahl der Server in den Vereinigten Staaten, die übrigen sogar vielfach in Europa. Hier ist Rechtshilfe regelmäßig möglich und auch Erfolg versprechend.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat das Vorgehen der Bundesregierung kritisiert, die Provider durch Verträge mit dem BKA zu Sperrungen zu verpflichten, da Grundrechtseingriffe stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird aber unter keinem Gesichtspunkt den Anforderungen an eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage gerecht. So fehlen in dem Gesetzentwurf Vorgaben für ein rechtsstaatliches Verfahren oder für klare Haftungsregelungen der Provider. Auch die Ausweitung der Befugnisse des BKA im Bereich der Gefahrenabwehr ist abzulehnen.

Die FDP-Bundestagsfraktion wird das nun anstehende parlamentarische Verfahren dazu nutzen, ihre Bedenken sachlich und kritisch vorzutragen, um eine ernsthafte Debatte anzustoßen.

Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Flach