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Thomas Bareiß
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Frage von Astrid H. •

Frage an Thomas Bareiß von Astrid H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Bareiß,

der Entwurf für den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ist von Ihnen zur Kenntnis genommen worden. Der Vertrag stellt m.E. ein Ermächtigungsgesetz zur faktischen Abschaffung weitreichender und grundlegender demokratischer Befugnisse der Euro-Länder dar. Die Einrichtung soll quasi als Bank agieren dürfen und dann auch von der EZB Geld leihen können. Der ESM begründet wesentliche Einschränkungen unserer staatlichen Souveränität, die Budgethoheit des Parlaments ist beendet.
1. Das Grundkapital des ESM beträgt € 700 Mrd (Art. 8 Abs. 1). Gemäß Abs. 4 verpflichten sich die ESM-Mitglieder sich bedingungslos und unwiderruflich, ihre Einlage auf das Grundkapital zu leisten. Dem Wortlaut nach sind damit auch zukünftige Regierungen gebunden.
2. Nach Art. 10 Abs. 1 kann der "Gouverneursrat" Änderungen des Grundkapitals beschliessen. Was nichts anderes heisst, als das über die € 700 Mrd hinaus "bedingungslos und unwiderruflich" weitere Einlagen zu leisten wären, fiele ein solcher Beschluss.
3. Gem. Art. 17 Abs. 1 ist der ESM ermächtigt, Kredite aufzunehmen. Eine parlamentarische Kontrolle ist nicht vorgesehen.
4. In Art. 25 heisst es: "Die Prüfung der Rechnungsführung des ESM erfolgt durch unabhängige externe Prüfer, die vom Gouverneursrat bestätigt werden." Der Gouverneursrat sucht sich also selbst diejenigen aus, die ihn prüfen sollen. Eine Kontrolle von aussen oder irgendeines demokratisch legitimierten Staates soll es also nicht geben.
5. Durch die Immunitätsregeln (Art. 27 und 30) sind das Konstrukt ESM und dessen Organe jeglicher gerichtlicher und parlamentarischer Kontrolle vollständig entzogen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie Ihre Abgeordnetenrechte ( und die Ihrer Nachfolger) an Bank- Bürokraten in Brüssel abgeben wollen und frage Sie daher: Wie gehen Sie persönlich und wie geht Ihre Partei mit dem ESM und damit mit unser aller Zukunft um?

Astrid Hobbing

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hobbing,

vielen Dank für Ihre E-Mail in dem Sie die Schuldenkrise und die Maßnahmen zur Stabilisierung des Euros kritisch hinterfragen.

Ich habe großes Verständnis für die von Ihnen geäußerten Fragen. Die aktuelle Finanzsituation in Griechenland sowie anderer europäischer Staaten und die deshalb notwendigen finanziellen Hilfen bereiten mir ebenfalls große Sorgen. Dennoch gibt es zurzeit keine Alternative zu der angesprochenen Unterstützung, da die betroffenen Staaten Mitglieder der Eurozone sind. Die damit zusammenhängende Stabilität des Euros liegt im ureigenen Interesse Deutschlands und unserer Wirtschaft und hat damit oberste Priorität.

Um die Stabilität des Euros zu gewährleisten, brauchen wir eine neue Stabilitätskultur aller Mitgliedsstaaten. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss wiederbelebt werden, indem er wieder an Verbindlichkeit gewinnt. Genau darauf zielen die Ergebnisse des EU-Gipfels am 8./9. Dezember 2011. Dort wurden weitreichende Maßnahmen beschlossen, um den Euro dauerhaft und nachhaltig zu stabilisieren.

Die Wirtschafts- und Währungsunion wird um eine Fiskalunion erweitert. So haben sich die Staaten verpflichtet, eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild einzuführen. Die deutsche Schuldenbremse ist somit zu einem herausragenden Instrument für eine nachhaltige Haushaltsdisziplin geworden. Auch gibt es ein klares Bekenntnis zu den Maastricht-Kriterien. Ich begrüße, dass somit dem von Rot-Grün damals eingeschlagene Weg ein Ende bereitet wird. So soll festgeschrieben werden, dass das Haushaltsdefizit eines Staates nicht mehr als 3 Prozent betragenen darf. Als weiteres Defizitkriterium auf Vertragsebene wird zudem eingeführt, dass Staaten mit einer Schuldenlast von mehr als 60 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts diese kontinuierlich verringern muss. So muss jedes Jahr ein Staat 5 Prozent der über 60 Prozent liegenden Schulden abbauen.

Damit die Stabilitätskriterien beachtet werden, wurden sowohl sanktionsbewehrte Durchgriffsrechte der europäischen Ebene als auch eine Ausweitung des Automatismus bei der Verhängung von Sanktionen bei Verletzung des Stabilitätspakts beschlossen. Dies ist richtig, denn nur so können die Staaten zur Einhaltung der Defizitquote einerseits und der Gesamtverschuldungsquote andererseits erzogen werden.

Ein wichtiger deutscher Erfolg bei den Verhandlungen war auch, dass ein Fahrplan zur langfristigen Einführung von Euro-Bonds verworfen wurde. So ist es gelungen, zentrale deutsche Forderungen durchzusetzen und damit den Weg für eine tragfähige Lösung der Schuldenprobleme in der Eurozone zu ebnen. Die beschlossenen Maßnahmen müssen nun zügig umgesetzt werden.

Alle diese Maßnahmen sind notwendig, da die Stabilität des Euro im deutschen Interesse liegt. Ohne die eingeleiteten Rettungsmaßnahmen wären einzelne Länder von einer Staatspleite bedroht gewesen. Da es bisher kein Verfahren für eine geordnete Insolvenz eines Euro-Landes gibt, hätte eine unkontrollierte Staatspleite eines dieser Länder für die Stabilität des Euro und damit auch für Deutschland unvorhersehbare und möglicherweise gravierende Auswirkungen. Zum einen profitiert unsere exportorientierte Wirtschaft, an der etwa ein Drittel unserer Arbeitsplätze hängen, wie kaum eine andere von der gemeinsamen Währung. Zum anderen sind Staatsanleihen wegen des normalerweise sehr geringen Risikos Bestandteil vieler Lebensversicherungen und Vorsorgeplänen. Bei einem Staatsbankrott der gefährdeten Länder hätten diese Anlagen ihren Wert verloren und damit auch viele Deutsche Teile ihrer Altersvorsorge verloren, weil auch die deutschen Banken und Versicherungen in Anleihen dieser Länder investiert haben.

Der Euro ist eine Erfolgsgeschichte. Seit fast einem Jahrzehnt können die Menschen in Berlin und Paris, in Rom und Lissabon mit der gemeinsamen Währung bezahlen - mit vielen Vorteilen. Der Euro ist stabil: Seit seiner Einführung hat er gegenüber dem Dollar deutlich an Wert gewonnen. Die Inflationsrate ist geringer als in den letzten zehn Jahren der D-Mark. Weltweit ist der Euro neben dem Dollar zur zweiten Leitwährung geworden. Auch kurbelt der Euro unser Wachstum an. So hat unsere Währung nach Untersuchungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau Deutschland allein in den vergangenen beiden Jahren einen Wachstumsvorteil zwischen 50 und 60 Milliarden Euro gebracht. Vor allem als Exportspitzenreiter haben wir vom Euro profitiert. Denn die deutsche, stark auf das Auslandsgeschäft ausgerichtete Wirtschaft profitiert davon, dass der Außenwert des Euro günstiger ist als es der einer fiktiven D-Mark wäre.

Für mich persönlich ist das Hauptargument für den Euro, dass der Euro mehr als eine Währung ist: Er verbindet Europa. Die Geschichte sagt uns: Länder mit einer gemeinsamen Währung führen keinen Krieg gegeneinander. Ein Auseinanderbrechen des Euro würde Europa stark zurückwerfen. Auch Deutschland ist auf ein starkes Europa angewiesen. Es ist notwendig, um unsere Werte und unseren Wohlstand in einer globalisierten Welt mit sieben Milliarden Einwohnern zu sichern. Es ist an uns, die Erfolgsgeschichte fortzuschreiben und unseren Kindern und Enkeln ein intaktes Europa zu übergeben.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Bareiß

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