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Sylvia Kotting-Uhl
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Frage von Vanessa M. •

Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Vanessa M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Kotting - Uhl,

wir beschäftigen uns gerade im Politik Unterricht mit dem Fall Edathy und haben darüber diskutiert, dass wir das eine Frechheit finden, dass es zu diesem Deal gekommen ist. 5000 € ist nichts, im Gegensatz zu dem was er gemacht hat.

Wir sind der Meinung, dass kein Mensch und schon gar kein Politiker so etwas machen darf. Wir möchten jetzt gerne mal wissen, wie Sie zu diesem Deal stehen?

Mit freundlichen Grüßen

Vanessa Müller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Müller,

der Fall Edathy hat mehrere Facetten.

Ich kann Ihre Empörung und die ihrer Klasse gut verstehen. Die Herstellung und der Konsum kinderpornographischer Filme und Bilder muss mit aller Entschiedenheit bekämpft werden, da stimme ich mit Ihnen völlig überein. Meine Fraktion hat deshalb auch Verschärfungen im Sexualstrafrecht - der Verschiebung des Verjährungsbeginns und der Ausweitung der Strafbarkeit von Kinderpornographie - im Bundestag zugestimmt.

Bei aller Empörung ist in einem Rechtsstaat aber wichtig, die Grundlagen des Rechtsstaats nicht zu vergessen. Dazu gehört die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Das ist in diesem Fall ignoriert worden. Ohne nachweislich zu wissen, ob er sich kinderpornographisches Material besorgt hatte, wurde Edathy öffentlich vollkommen vernichtet.

Die Frage weiterer Bestrafung ist angesichts des vollkommenen Verlusts von Reputation und existenzieller Grundlage für Edathy persönlich vermutlich relativ irrelevant. Ich kann allerdings sehr gut nachvollziehen, dass der "Deal" des Gerichts erneut empört.

Rein juristisch betrachtet ist der Fall folgendermaßen zu sehen: Die Strafprozessordnung gestattet nach § 153a die Einstellung eines Verfahrens gegen Geldauflage, wenn dadurch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt werden kann und die Schwere der Schuld dem nicht entgegensteht. Voraussetzung dafür ist, dass alle Verfahrensbeteiligten dem zustimmen. Ein Geständnis des Angeklagten ist de lege lata nicht erforderlich, die Forderung danach stellen aber viele Gerichte. Die Einstellung eines Verfahrens gegen Geldauflage wird in Deutschland häufig angewendet (über 140.000 Mal in 2013), denn die Justiz ist mit der hohen Anzahl an Gerichtsverfahren überfordert.

Im Fall Edathy hat Staatsanwalt Thomas Klinge ein baldiges Ende angekündigt: er könne sich wegen des strafrechtlich überschaubaren Anklagevorwurfs eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Geldauflage vorstellen. Denn das bei Edathy aufgefundene Material wurde als „nicht eindeutig kinderpornographisch“ eingestuft. Voraussetzung für den Deal: ein "glaubhaftes" Geständnis Edathys.

Edathy ließ im März 2015 erklären: „Die Vorwürfe treffen zu. Die in der Anklage genannten Gegenstände wie der Bildband und die CD habe ich in meinem Besitz gehabt. Das gleiche gilt auch für die Logdaten, ich habe die Dateien heruntergeladen und geöffnet. Der Inhalt war mir bekannt. Ich habe eingesehen, dass ich einen Fehler begangen habe. Ich habe lange gebraucht dazu. Je stärker ich in der Öffentlichkeit angegriffen wurde, desto mehr meinte ich mich verteidigen zu müssen. Ich bereue, was ich getan habe.“ Das Strafverfahren wurde daraufhin wegen geringer Schwere der Schuld gegen Zahlung von 5.000 Euro zugunsten eines gemeinnützigen Projektes eingestellt.

Die Einstellung des Verfahrens ist endgültig, eine Revision nicht möglich und die nachgeschickte Aussage Edathys: „Ich weise darauf hin, dass ein Geständnis ausweislich meiner heutigen Erklärung nicht vorliegt.“, hat keine Wirkung mehr auf das Verfahren.

Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl