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Svenja Stadler
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Frage von Peter V. •

Frage an Svenja Stadler von Peter V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Stadler,

die Pegida-Bewegung stellt m.E. eine Herausforderung für Bürger und Politiker dar. Voraussetzungen für eine Versachlichung der Diskussion wären m.E. u.a.

eine Definition des Begriffes Islamisierung und
die Auseinandersetzung mit dem Pegida-Positionspapier.

Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie

1. um Ihre persönliche Einschätzung der Beeinflussung/Veränderung unserer Kultur durch die vermutlich zunehmende Migration mit Blick auf eine Zunahme des Migrantenanteiles an der Gesamtbevölkerung.

2. eine Aufzählung der Punkte des Pegida-Positionspapiers, die inhaltlich von den aktuellen Koalitionszielen abweichen (möglichst mit Begründung).

3. Welche (aufklärenden) Maßnahmen halten Sie ggf. für erforderlich, um den Ängsten breiter Bevölkerungskreise entgegen zu wirken?

Mit freundlichen Grüßen
Peter Vollmer

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Vollmer,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an einer sachlichen politischen Auseinandersetzung. Dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aufgrund von Sicherheitsbedenken eingeschränkt wird, wie vor wenigen Wochen in Dresden geschehen, muss und wird hoffentlich eine absolute Ausnahme bleiben. Inzwischen gibt es einige Turbulenzen innerhalb der PEGIDA, insofern bietet sich derzeit ein verzerrtes Bild über die Stärke des hinter PEGIDA stehenden gesellschaftlichen Unmutes. Zahlen aus den Vorwochen, insbesondere das Zahlenverhältnis zwischen Anhängern und Gegnern bundesweit betrachtet, legen nahe, dass dem lautstark skandierten Vertretungsanspruch „Wir sind das Volk“ eine tatsächliche Vertretungserwartung in der Bevölkerung kaum zugrunde liegen kann.

Dennoch hielte ich es für fahrlässig, sich einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen „PEGIDA“ zu verweigern.

Eine Punkt-für-Punkt-Erörterung des Positionspapiers von PEGIDA, wie von Ihnen erbeten, halte ich dabei weder für notwendig noch für ausreichend. Das Problem dabei liegt darin, dass das Positionspapier nur sehr unzureichend widergibt, für was PEGIDA steht. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Punkten im Positionspapier, die sich als Konsens mit Vorhaben oder der Haltung der Regierungskoalition darstellen, z.B. die Bekenntnisse, für die Aufnahmen von Kriegsflüchtlingen und politisch und religiös Verfolgten, für die sexuelle Selbstbestimmung, sowie die Ablehnung frauenfeindlicher, gewaltbetonter politischer Ideologie. Im Zusammenhang mit den anderen Positionspunkten und vor allem mit der Sprache, die auf den Demonstrationen gesprochen wird, entlarvt sich diese vorgegebene menschenfreundliche Haltung doch leider als eine, die von Vorurteilen geprägt ist und zur Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit beiträgt. Gleichzeitig gehe ich dennoch davon aus, dass ein großer Teil sich nicht von rassistischen Absichten getrieben bei PEGIDA einreiht, sondern aus Verbitterung über die Politik, von der sie sich benachteiligt, ignoriert oder ausgegrenzt fühlt. Der daraus entspringenden Wut geht ein Jahrzehnte währender Entsolidarisierungsprozess in unserer Gesellschaft voraus und sie entlädt sich – paradoxerweise - gegenüber schwächeren Gruppen, die aber mitnichten dafür verantwortlich zu machen sind – Flüchtlingen, Zuwanderern, Muslimen. Wollen wir der Hetze gegen Menschen anderer Religionszugehörigkeit oder nichtdeutscher Herkunft Einhalt gebieten, müssen wir die Behauptungen über ihre angebliche Gefährlichkeit und ihre angebliche Bevorzugung in unserem Sozialsystem widerlegen. Dies geschieht in vielen Quellen der Medien, zum Teil als sogenannter „Faktencheck“ zu den PEGIDA-Thesen. Ich verzichte daher an dieser Stelle, auf eine Vertiefung. Diese Tatsachen und Argumente werden vielleicht auch dann die Mitläufer oder noch unschlüssigen Sympathisanten von PEGIDA überzeugen, wenn wir deren Wut und Verunsicherung nicht ignorieren oder abtun und insgesamt eine glaubwürdige Politik für ein allgemeines Klima der Solidarität machen.

Ich wünsche mir einen, keineswegs gleichgültigen aber entspannten politischen und gesellschaftlichen Umgang mit Migration. Es hat sie schon immer gegeben, in sich abwechselnden Phasen kleineren und größeren Ausmaßes. Der damit verbundenen Begegnung mit anderen Kulturen verdankt die „abendländische“ Kultur wertvolle Bereicherungen. Weiterentwicklung ist immer auf die Auseinandersetzung mit Neuem, Fremden angewiesen. Ich will nicht leugnen, dass das Aufeinandertreffen verschiedener Mentalitäten auch konfliktreich und explosiv sein kann. Das aber haben doch die Beteiligten selbst in der Hand. Und ich bin davon überzeugt, dass gerade wir in Deutschland über beste Voraussetzungen verfügen, den Integrationsprozess gewinnbringend für beide Seiten zu gestalten, wenn wir uns für diesen Weg entscheiden.

Mit freundlichen Grüßen

Svenja Stadler

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