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Sven Giegold
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Frage von Susanne W. •

Frage an Sven Giegold von Susanne W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Giegold, was werden Sie baldmöglichst unternehmen, um abzuwenden, dass demokratischen Bürgerbewegungen unrechtmäßig die Gemeinnützigkeit aberkannt wird ?

Und woran werde ich (er)messen können, das Sie auch im Laufe Ihres Abgeordnetenmandates nicht von Lobbyisten beeinflusst sein werden ? Wie stellen Sie sich diesbezüglich der Wählererwartung nach Transparenz und z.B. Offenlegung Ihrer Nebeneinkünfte und Ihrer Lobbyistenverbindungen ? Denn es wird wohl nicht möglich sein, auch bei edelster Grundeinstellung diesen Einflüssen nicht ausgesetzt zu sein, oder ?

Mit freundlichen Grüßen S. Weber

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau W.,

Die politische Kampagne der Unionsparteien und der AfD für eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe, die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von attac und die Gefahr auch für campact machen mir große Sorgen um unsere Demokratie.

In Deutschland entscheiden aus guten Gründen die Finanzämter über die Gemeinnützigkeit von Vereinen. Nicht die Parteien! Gegen Attac wurde eine ähnliche Strategie gefahren wie Sie nun auch bei der Deutschen Umwelthilfe sichtbar wird.
Eines ist klar, müssen uns gegen diese Versuche wehren, die kritische Zivilgesellschaft kaltzustellen! Aus diesem Grund habe ich im Januar 2019 auf Change.org eine Petition für die Deutschen Umwelthilfe gestartet, die sich mit einem Appell an die CDU und ihre Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer richtet.
https://www.change.org/p/stoppt-den-angriff-auf-die-zivilgesellschaft-deutsche-umwelthilfe-soll-kaltgestellt-werden

Gemeinnützigkeit und politische Arbeit sind keine Widersprüche.
Es muss gesetzlich geregelt werden, dass gemeinnützige Vereine an der politischen Willensbildung mitwirken dürfen. Viele gemeinnützige Vereine machen Demokratiearbeit, die wir heute dringender denn je brauchen. Wir müssen verhindern, dass das Kräfteverhältnis zwischen finanzstarken Wirtschaftsverbänden und kritischer Zivilgesellschaft weiter auseinander klafft. Auch zu finanzstarken Privatinteressen braucht es eine handlungsfähige Zivilgesellschaft als Gegengewicht. Eine kritische Zivilgesellschaft ist existenziell für eine lebendige Demokratie. Wer sich uneigennützig für Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie einsetzt, muss als gemeinnützig anerkannt werden. Wenn der Staat nur diejenigen als gemeinnützig einstuft, die vermeintlich neutral sind, wird einer kritischen Zivilgesellschaft der Boden entzogen. Über 100.000 Menschen haben bereits meine Petition https://www.change.org/p/stoppt-den-angriff-auf-die-zivilgesellschaft-deutsche-umwelthilfe-soll-kaltgestellt-werden an die CDU und Annegret Kramp-Karrenbauer unterschrieben: „Stoppen Sie Ihre Kampagne gegen die Deutsche Umwelthilfe! Es ist nicht die Aufgabe von Parteien, über die Gemeinnützigkeit von Vereinen zu urteilen!“

Lobbyismus wollen wir ebenso nicht verbieten, sondern garantiert transparent machen. Ich habe in 10 Jahren im Europaparlament sehr viele Lobbyisten getroffen und durchaus viel in Gesprächen gelernt, sowohl mit Lobbyisten der Zivilgesellschaft, aus NGOs und Gewerkschaften als auch mit Vertreter*innen von Unternehmen. Ich habe auch Vorschläge von Änderungsanträgen an EU-Gesetzen übernommen, die Quelle des Vorschlags aber in der Begründung immer transparent gemacht. Von Anfang an meines Mandats, habe ich alle meine Treffen mit Lobbyisten veröffentlicht unter: www.sven-giegold.de/lobbytransparenz

Am 31. Januar 2019 haben wir es nach jahrelangem Ringen endlich durchsetzen können, dass alle Europaabgeordneten, die an EU-Gesetzen mitschreiben, ihre Lobbytreffen online veröffentlichen müssen. Die Regel tritt voraussichtlich zu Beginn des nächsten Europaparlaments in Kraft. Dieser Beschluss geht auf unsere Grüne Initiative zurück. Er ist unter unseren Grünen Erfolgen einer, der mir persönlich am wichtigsten ist. Die Bürgerinnen und Bürger bekommen in Zukunft Klarheit über den Lobbyeinfluss auf Gesetze. Durch den sogenannten “Legislativen Fußabdruck” erfahren sie schon bei der Entstehung eines Gesetzes, welche Lobbyisten darauf Einfluss nehmen. Das bedeutet, sobald der Beschluss umgesetzt ist, praktisch Transparenz in Echtzeit. Der Einfluss mächtiger Interessen auf EU-Gesetze lässt sich in Zukunft besser einhegen. Das bisher freiwillige Transparenzregister erlaubt nur einen groben Überblick über die rund 12.000 Lobby-Organisationen in Brüssel. Der verpflichtende Legislative Fußabdruck des Parlaments erlaubt zusammen mit den verpflichtenden Lobbyregeln für die EU-Kommission ein viel höheres Maß an Transparenz. Die neuen Regeln stärken die Europäische Demokratie in vielfacher Hinsicht: Künftig wird transparent, ob Abgeordnete viel zu viel einseitigen und finanzstarken Interessen zuhören. Vier Jahre lang habe ich auf diesen Erfolg hingearbeitet. Viele Anfeindungen musste ich mir im Parlament anhören. All das hat sich gelohnt!

Meine Nebeneinkünfte muss ich wie alle Abgeordneten bereits transparent machen. Sie finden meine Liste hier: http://www.europarl.europa.eu/meps/en/96730/SVEN_GIEGOLD/declarations#mep-card-content
Wir hatten bei der Reform der Geschäftsordnung des Parlaments mehr beantragt. Die Geschäftsordnung enthält auch den Verhaltenskodex und damit die Vorschriften für die Offenlegung von Nebeneinkünften. Wir wollten auch die Offenlegung von Vermögen und Schulden von Abgeordneten, wie sie in vielen Mitgliedstaaten schon üblich ist. Die Mehrheit der anderen Fraktionen hat dies aber abgelehnt. Wir werden das wieder einbringen. Auch fordern wir eine unabhängige Behörde, um die Abgeordneten bei der Einhaltung der Regeln kompetent zu überwachen. Die EU-Kommission hatte dafür schon im Jahr 2000 eine gemeinsame Behörde von EU-Kommission, Europaparlament und anderen EU-Institutionen und Organen vorgeschlagen. Dies ist eine unsere Prioritäten für die nächsten Jahre, denn Regeln sind nur wirksam, wenn sie auch durchgesetzt werden.