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Susanne Hennig-Wellsow
DIE LINKE
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Frage von Björn B. •

Wie steht Ihre Partei zu der Idee, die Sperrklausel bei Bundestagswahlen um eine Ersatzstimme zu ergänzen?

Sehr geehrte Frau Hennig-Wellsow,
da Sie als Obfrau Ihrer Partei in die letzte Wahlrechtskommission gewählt worden sind, möchte ich Sie fragen, wie denn Die LINKE zu einer (klassischen) Ersatzstimme steht?

Damit ist nicht eine Ersatzstimme für Erststimmen gemeint, wie sie die Ampel im Mai 2022 in die öffentliche Debatte eingebracht hat. Vielmehr bezieht sich meine Frage auf eine Ersatzstimme für Zweitstimmen, mit welcher sich die negativen Auswirkungen von Sperrklauseln - die sowohl Wähler/innen wie auch Parteien jeder Größe treffen können - abmildern lassen.

Ich stelle Ihnen diese Frage, weil der Verein Abstimmung21 demnächst eine bundesweite Probe-Volksabstimmung zur Einführung einer Ersatzstimme starten wird, vgl.: https://abstimmung21-mitmachen.de/proposals/21

Damit wir im Abstimmungsheft angeben können, welche der im Bundestag vertretenen Parteien sich positiv, neutral oder negativ zur Ersatzstimme positionieren, würden wir uns über eine zeitnahe Antwort freuen. Vielen Dank!

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Björn B.,

das Konzept der Ersatzstimme wie sie es in Ihrer Frage vorschlagen wurde nicht in der Wahlrechtskommission thematisiert.
Dem Ansinnen von einer höheren demokratischen Beteiligung und Repräsentanz stehe ich offen gegenüber und halte es für dringend notwendig, dass mehr Menschen an demokratischen Prozessen partizipieren können. Die Stimmabgabe ist jedoch nur ein Teil davon.

Das Konzept einer Erstsatzstimme sehe ich eher kritisch. Das hat mehrere Gründe und kommt auch auf die genaue Ausgestaltung an. Wichtig wäre aus meiner Sicht z.B., dass die Abgabe einer Ersatzstimme nicht verpflichtend sein dürfte.

Das Grundproblem einer Ersatzstimme liegt aus meiner Sicht aber in der Annahme, dass dadurch eine höhere demokratische Repräsentanz erreicht würde. Wenn ich eine Partei wähle, die dann aber aufgrund der Sperrklausel nicht in das Parlament einziehen darf, erhöht sich die Repräsentanz nicht zwingend durch eine Ersatzstimme. Die Partei, die die Ersatzstimme in dem Fall erhalten würde, wird meine Interessen vermutlich nicht so stark vertreten, weil es eben nur meine zweite Wahl ist. Die politische Vertretung könnte auch außerparlamentarisch erfolgen. Hinzu kommt, dass sich Menschen eventuell von gar keiner zweiten Partei vertreten fühlen.

Das Problem ist aus meiner Sicht die Sperrklausel und andere ausschließende Wahlgesetze. Millionen Menschen in Deutschland dürfen nicht wählen, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, ihren Wohnsitz aber schon seit Jahren in Deutschland haben. Darum hat meine Fraktion ein Wahlrecht für Menschen gefordert, die seit 5 Jahren ihren Wohnsitz in Deutschland haben. (https://dserver.bundestag.de/btd/20/053/2005356.pdf).
Ein weiterer Punkt zur höheren Beteiligung und Repräsentanz wäre die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. (https://dserver.bundestag.de/btd/20/053/2005358.pdf).
Das Problem der Sperrklausel könnte recht einfach dadurch gelöst werden, indem man sie auf 3% herabsetzt oder sie komplett abschafft. Die Arbeitsfähigkeit eines Parlaments würde dadurch nicht beeinträchtigt werden. Die Geschäftsordnung des Bundestags, in der die Fraktionsgröße geregelt wird, würde ja immer noch gelten.

 

Mit freundlichen Grüßen
Susanne Hennig-Wellsow

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