Stephan Kreutz
DIE LINKE
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Frage von Max D. •

Frage an Stephan Kreutz von Max D. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Kreutz,

immer wieder fordert die Linkspartei einen Mindestlohn. Dabei werden sogar so irrational hohe Forderungen wie 10 Euro aufgestellt. Mit solchen Forderungen werden doch massiv Arbeitsplätze vernichtet! Es gibt doch nun mal jede Menge Jobs, die man einfach nicht in dieser Höhe bezahlen kann.

Sollen die Menschen, die auf solche Jobs angewiesen sind, dann vollständig vom Sozialamt leben? Da ist es doch wohl besser, wenn sie wenigstens einen Teil ihres Unterhalts selbst verdienen können. Den Rest, der ihnen dann vielleicht noch fehlt, kann dann immer noch die Gemeinschaft in Form von sogenannten "Aufstockerlöhnen" zuzahlen.

Außerdem gibt es doch ganz viele Menschen, die nur zusätzlich etwas verdienen wollen und dabei bereits versorgt sind - beispielsweise durch den Ehepartner oder eine Rente. Ich habe früher auch in den Ferien "gejobbt" und mir mit dem (zugegeben geringen) Verdienst kleine Extrawünsche erfüllt. Will die LInke das alles verbieten?

Mit bestem Gruße

Max Dunker

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Dunker,

Mit großem Interesse habe ich Ihre Frage zum Thema Mindestlohn gelesen, da sie einen interessanten Punkt zum Thema einbringen.

Oft wird von den etablierten Parteien der Mindestlohn als utopisch und schädlich für die Volkwirtschaft abqualifiziert. Zuerst möchte ich verdeutlichen, dass die Möglichkeit "sich etwas dazu zu verdienen" durch den Mindestlohn keinesfalls entfällt. Ich selbst habe in Meckenheim früher Zeitung ausgetragen um ein bisschen extra Geld in der Tasche zu haben. Arbeiten dieser Art wird es auch zukünftig geben, schließlich hat auch jeder seine Post bekommen, trotz des zeitweiligen Mindestlohns für Zusteller. Heute sind die freiwilligen Dazuverdiener eher die Ausnahme. Die wirklich allermeisten Menschen, die heute im Niedriglohnsektor arbeiten, tun dies um ihre Existenz zu sichern!

Ein paar Beispiele:

Rentnerinnen und Rentner können von ihrer gesetzlichen Rente nicht mehr leben. Zuzahlungen für Medikamente, Energiekosten und Versorgung sind zu teuer, um sie mit der normalen Rente abdecken zu können. Auf dem normalen Arbeitsmarkt, der unter Umständen noch Arbeit gemäß ihrer Qualifikation und Bedürfnisse hätte, haben sie keine Chance, weil sie zu alt sind.

Studentinnen und Studenten geraten ebenfalls in die Ausbeutung. Gerade hier wird die finanzielle Situationen überschätzt. BAföG wird nur bei wenigen Studenten in voller Höhe ausgezahlt, obwohl die Eltern sich tatsächlich keine Unterstützung ihrer Kinder leisten können. Studiengebühren (500 Euro), Semesterbeitrag (200 Euro), und Wohnung (6x 250 Euro) ergeben schon 2200 Euro Fixkosten für ein halbes Jahr Studium, wobei dann noch kein Euro für Kleidung, Nahrung, Gesundheit oder Lernmaterial ausgegeben wurde. Wer dann das fehlende Geld durch niedrige Löhne dazuverdienen muss, der findet keinen Schlaf, denn durch die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor+Master wird bereits das Studium zum Vollzeitjob!

Sowohl Frauen, als auch Migranten und Migantinnen verdienen schlechter! Obwohl sie gleiche Arbeit leisten, bekommen sie nicht das gleiche Geld. Anders als in größeren Unternehmen, wo man sich solch ein Unrecht aus Marketinggründen nicht mehr leistet und alle gleich (schlecht) bezahlt, geschieht die Benachteiligung täglich in kleineren Betrieben, wo es dem Einzelnen nicht möglich (oder nicht erlaubt) ist, zu vergleichen.

Die Speerspitze der Ausbeutung durch Niedriglöhne bildet die Leiharbeit. Ein ständig wechselndes Arbeitsumfeld, sowie weniger Rechte am Arbeitsplatz sind schon eine hohe Belastung. Wenn nun jemand deutlich weniger Geld für gleiche Arbeit bekommt, dann ist das kein Zustand den man mit Worten wie "flexibel" verharmlosen kann!

Und nicht zuletzt begeben wir uns mit den Niedriglöhnen in einen Teufelskreis. Denn der Arbeitgeber, der anständige Löhne zahlt, muss nun zusätzlich mit Unternehmen konkurrieren, deren Dumpinglöhne vom Staat subventioniert werden: Gute Arbeitsplätze werden - mit staatlicher Unterstützung - durch "Aufstockerplätze" verdrängt. Deutschland wird zum Billiglohnland...

Der Mindestlohn sichert nicht nur die Grundexistenz, sondern auch die Grundrechte! 20 von 27 Staaten in der EU haben das bereits erkannt!

Mit freundlichem Gruß
Stephan Kreutz