Frage zum Abstimmungsverhalten im Landtag
Sehr geehrter Herr Schütz,
warum haben sie persönlich im Thüringer Landtag den Antrag der Fraktion „Die Linke“ Drucksache 8/2231 vom 22.10.2025 „Aufrüstung ist keine Chance für Thüringen…“ abgelehnt.
Dieser Antrag stimmt in meiner Wahrnehmung in großen Teilen mit den Inhalten ihrer Partei, des BSW, überein. Friedenspolitik ist einer der Markenkerne des BSW.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas B.
Hallo Herr B.,
vielen Dank für Ihr Frage. Da Sie dem BSW bekanntermaßen nahe stehen, kennen Sie sicher die Stellungnahme, die wir genau zu diesem Thema veröffentlicht haben:
Der Antrag verbindet geschickt das BSW-Thema „Frieden“ mit seinen Unterthemen „diplomatische Konfliktlösung“, „Aufrüstung“, „Militarisierung der Gesellschaft“, „Rüstungsexporte“ und „nachhaltige Wirtschaftsentwicklung statt Rüstungsproduktion“ mit weltanschaulich/wirtschaftlich linken und ideologisch-ökologischen Konzepten und Ideen (Pazifismus, staatliche Wirtschaftslenkung, starke, undifferenzierte Umverteilung und ideologiegetriebene, ökologische Umgestaltung) Diese linksideologischen pazifistischen und wirtschaftstransformativen Elemente sind „weltanschauliche Träumereien“, die für die reale Politik aufgrund der Realitätsferne keine Bedeutung haben können.
Frank Augsten, Fraktionsvorsitzender:
“Ich habe viele intensive Kontakte zu Thüringer Wirtschaftsverbänden und Unternehmen. Ich bin jede Woche in mindestens einer Firma, die in den kommenden Monaten ihre Tore schließen muss.
Dahinter stehen Arbeiter und Arbeiterinnen und ihre Familien. Ich werde gefragt, warum ich sie nicht unterstütze, wenn die Unternehmen in die Produktion von Dual-Use-Produkten einsteigen könnten. Wir wollen die Arbeitsplätze erhalten und arbeiten aktuell an einer industriepolitischen Strategie, die aufzeigt, dass die Zukunft Thüringens in vielen zivilen Bereichen, und eben nicht ausschließlich in der Rüstung liegt. Deshalb mussten wir den wirtschaftspolitisch realitätsfernen LINKEN-Antrag ablehnen.”
Anke Wirsing, Friedenspolitische Sprecherin:
“Der Antrag der LINKEN enthält einige Punkte, die in ihrer Zielrichtung nachvollziehbar sind – insbesondere das Anliegen, zivile Forschung zu stärken und Rüstungsproduktion kritisch zu hinterfragen.
Dennoch sehe ich den Antrag teilweise kritisch, weil er eine weitreichende staatliche Steuerung wirtschaftlicher Prozesse vorsieht. Die vorgesehenen Maßnahmen würden tief in Standortentscheidungen und unternehmerische Freiheit eingreifen. Statt auf verlässliche Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Entwicklung zu setzen, verlagert der Antrag die Verantwortung stark auf staatliche Vorgaben und Lenkung. Dies halte ich für problematisch, weil Thüringen wirtschaftlich vor der Aufgabe steht, industrielle Strukturen zu sichern und Beschäftigung zu erhalten.
Auch sicherheitspolitisch ist der Antrag aus meiner Sicht nicht ausgewogen. Das Konzept der sogenannten „strukturellen Nichtangriffsfähigkeit“ hat in der sicherheitspolitischen Theorie der 1980er Jahre eine Rolle gespielt, passt aber nichtohne Weiteres auf die gegenwärtige Lage, die von neuen multiplen und hybriden Bedrohungsformen und komplexen internationalen Abhängigkeiten geprägt ist. Wir wollen keine Kriegstüchtigkeit, aber eine Verteidigungsfähigkeit. Auch der Frieden muss bewaffnet sein. Ich hätte mir gewünscht, dass diese unterschiedlichen Sichtweisen im Ausschuss ausführlicher diskutiert werden. Das forderte auch im Plenum Roberto Kobelt. Leiderwollte das DIE LINKE nicht. Deshalb habe ich mich bei der Abstimmung enthalten.”
Matthias Herzog, Wirtschaftspolitischer Sprecher:
“Wer sich für Diplomatie, Abrüstung, Verständigung ausspricht, der steht grundsätzlich auf der richtigen Seite. Aber warum haben DIE LINKE dann im Bundesrat für das größte Rüstungspaket in der Geschichte der Bundesrepublik gestimmt? Darüber hinaus enthält der Antrag allerdings auch viel Träumerei, unrealistische Maximalforderungen und wirtschaftspolitischen Nonsens. Aber Träumerei darf Realpolitik nicht ersetzen.
Deshalb werden wir gemeinsam mit Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden ein Konzept für Zukunftsindustrien erarbeiten. Das ist eine zielorientierte Friedenspolitik mit Verstand und Augenmaß. Der vorliegende Antrag ist trotz vieler guter und wichtiger Aspekte nicht zustimmungsfähig, weil es genau daran mangelt. Die enthaltene wirtschafts- und sicherheitspolitische Naivität können wir uns nicht leisten.
Wenn DIE LINKE eine strukturelle Nichtangriffsfähigkeit fordert, würde das in der Konsequenz bedeuten, Deutschland seine Verteidigungsfähigkeit aufgibt. Das ist in einer Welt voller Konflikte schlicht realitätsfremd. Wir als BSW wollen keine Interventionsarmee, keine Kriegstreiberei, aber eine Bundeswehr, die unser Land verteidigen kann. Das geht nicht gänzlich ohne Rüstungsgüter, so ehrlich muss man sein. Auch die Thüringer Wirtschaft muss daran mitwirken können, unsere Verteidigungsfähigkeit sicherzustellen. Und natürlich können wir auch nicht mitgehen, wenn eine planwirtschaftliche Abrüstungspolitik propagiert wird, denn gerade in Thüringen müssen wir in diesen Zeiten um jeden Betrieb, jeden Arbeitsplatz kämpfen. Da sind ideologische Eingriffe und Verbote, wie DIE LINKE sie vorschlägt, wirklich fehl am Platz.
Es ist richtig, ein kurzfristiger Rüstungsboom ist kein nachhaltiges Wirtschaftsmodell, aber die Alternative kann doch nicht der staatlich verordnete Stillstand sein. Mit überhöhten, unrealistischen, unglaubwürdigen und ideologischen Forderungen sichern wir weder Wohlstand noch Frieden. Deshalb war der Antrag für uns nicht zustimmungsfähig. Frieden ist Verantwortung. Und die übernehmen wir.”
Ausschuss-Überweisung lehnte DIE LINKE ab
Unsere Fraktion hätte den Antrag der LINKEN in den Ausschuss überwiesen, um über die für uns kritischen Punkte zu diskutieren. Das lehnte DIE LINKE von vornherein ab. Das zeigt, dass es ihr eben nicht um einen friedenspolitischen Schulterschluss mit uns ging, sondern darum, das BSW vorzuführen. Sonst hätten sie der von uns angebotenen Ausschussüberweisung zugestimmt.
Sofern Sie weitere Fragen haben, können Sie mich jederzeit über die bekannten Wege auch direkt erreichen.
Beste Grüße
Steffen Schütz, MdL

