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Stefan Gelbhaar
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christian K. •

Warum wird Vattenfall erlaubt, prompt seine Preise (~40ct/kWh) direkt bis knapp unter die Strompreisbremse zu erhöhen selbst bei bestehendem Natur12-Tarif mit nur billig produzierten EE?

Herr Gelbhaar, Sie sind der Bundestagsabgeordnete meines Wahlkreises. In den letzten Jahren habe ich beim Strom stets darauf geachtet, nur noch Naturstrom aus EE zu beziehen, zuletzt bei Vattenfall (Natur12-Tarif). Mit Auslauf der Preisgarantie (~29ct/kWh) für die letzten 12 Monate hat nun Vattenfall prompt die Preise auf knapp ~40ct/kWh erhöht und den Grundpreis auch noch. Die EE sind derzeit die preiswerteste Stromproduktion (sogar durch Vattenfall selbst) und dennoch müssen wir nun unverschämt hohe Strompreise bezahlen, weil durch Merit Order der Strompreis immernoch am Gasmarkt hängt (und Vattenfall Gewinnmaximierung betreibt). Schon zuvor waren die Strompreise im europäischen und weltweiten Vergleich sehr hoch. Wann passiert hier endlich etwas? Wer guckt Vattenfall auf die Finger? Wann fällt endlich die Kopplung an Merit Order? Alle reden immer nur vom Gas (dessen Lieferpreis weit unterm Strom liegt) während wir Pankower (E-Herd / FW) mehrheitlich nicht direkt davon abhängig sind.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr K.,

durch den rasanten Anstieg der Gaspreise vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine ist auch der Strompreis stark gestiegen. Die Kosten der meisten Stromerzeuger sind dabei deutlich weniger angestiegen als der Preis, den sie für ihren Strom am Markt bekommen. Die Betreiber von Atom- und Braunkohlekraftwerken erzielen daher derzeit große Zufallsgewinne, ebenso die Betreiber von Wind- und Solarparks. Wir haben das früh kritisiert und mit den Ampel-Partnern vereinbart, dass ein Teil dieser Zufallsgewinne abgeschöpft und das Geld an die Kunden zurückgegeben wird. In einer Zeit, in der viele Bürgerinnen und Bürger, ebenso wie viele kleine und mittelständische Unternehmen unter den gestiegenen Strompreisen zu kämpfen haben, ist das eine Frage der Solidarität.

Im Stromsektor stellen die Erneuerbaren Energien erfreulicherweise inzwischen den größten und günstigsten Anteil unter den Energiequellen. Wir haben als Grüne deshalb schon bei der letzten EEG-Reform für sogenannte Differenzverträge gekämpft: Diese sichern einerseits Erneuerbare auch bei Preisstürzen gegen Insolvenz und andererseits Verbraucher gegen hohe Preise ab. Sie schaffen also verlässliche Investitionsbedingungen, um den Ausbau der günstigen Erneuerbaren endlich wieder schnell voranzutreiben, und verhindern andererseits, dass diese bei weitem größte Erzeugergruppe durch den Krieg Zufallsgewinne mitnehmen kann. Diese Regelung ist am massiven Widerstand der FDP gescheitert. Allein in diesem Jahr belaufen sich die Zufallsgewinne bei den Erneuerbaren auf über 20 Milliarden Euro.

Wir haben einen alternativen Weg eingeschlagen, um wenigstens einen Teil der Zufallsgewinne bei Erneuerbaren, Kohle und Atom abzuschöpfen und das Geld an die Kunden zurückzugeben. Der entsprechende Gesetzesentwurf zur Strompreisbremse wurde bereits verabschiedet.

Er sieht vor, Zufallsgewinne abzuschöpfen und unter anderem mithilfe dieses Geldes den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Basisversorgung zu günstigeren Preisen zu ermöglichen. Damit die Motivation zum Energiesparen bleibt, greift ab einem gewissen Verbrauch der Marktpreis. So sollen die Stromkosten insgesamt sinken.

Dies ist aktuell der bessere Weg als die Abschaffung der Merit Order. Diese ist übrigens das grundlegende Prinzip in fast allen Märkten und nicht per Gesetz eingeführt worden. Sie ist der entscheidende Mechanismus, damit flexible Verbraucher wie Wasserstoffproduktion, flexible Industrieprozesse und Wärmepumpe auf die Verfügbarkeit von Wind und Sonne reagieren können. Es hat bisher niemand ein schlüssiges Konzept vorgelegt, wie die Einsatzzeiten der vielen Millionen flexiblen Erzeuger und Verbraucher in Deutschland ohne Merit Order sinnvoll koordiniert werden sollen.

Diese Herausforderung zu meistern, wird Gegenstand einer grundlegenden Reform des Strommarkts sein, an der der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck derzeit arbeitet. Zielstellung: Die Entwicklung der Endkundenpreise für Strom vom steigenden Gaspreis entkoppeln.

Damit wird ein Grundprinzip des heutigen Strommarkts außer Kraft gesetzt: Bisher geben Gaskraftwerke am Strommarkt in der Regel den Preis vor. Mit dem Gaspreis steigt daher automatisch der Strompreis. Diese Dynamik zu durchbrechen, ist Ziel der Reform. Die Strompreise werden weiter gesenkt. Endkunden profitieren dann davon, dass Erneuerbare Energien günstig produzieren.

Ihr
Stefan Gelbhaar

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