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Frage von Marc B. •

Frage an Rudolf Henke von Marc B. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Dr. Henke,

In Ihrer Ausführung zu These 7 ("Das Erststudium soll grundsätzlich kostenlos sein") im "Kandidatencheck" schreiben Sie "der Verzicht auf Studienbeiträge war von so schlechten Studier-Bedingungen begleitet, dass man oft länger studieren musste".

Ihre Verwendung der Vergangenheitsform deutet an, dass Sie dieses Problem als (weitgehend) gelöst betrachten.

Da ich direkt mit der Lehre an der RWTH vertraut bin, kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass die Abbrecher- und Durchfallquoten (in den Fachrichtungen Mathematik, Physik und Informatik) seit Einführung der Studiengebühren nicht etwa gesunken sind, sondern konstant geblieben oder leicht gestiegen sind.

Auch sind mir keine Statistiken oder Berichte bekannt, die in der Lage waren, eine Korrelation zwischen der Einführung von Studiengebühren und der durchschnittlichen Studiendauer aufzuzeigen - um genau zu sein, sind die von den Hochschulen veröffentlichten Zahlen i.A. nicht vollständig genug, um überhaupt eine sinnvolle Aussage zu treffen. Die konsequente, gesammelte Veröffentlichung dieser Daten wäre sicherlich ein Ansatzpunkt, um diese Debatte zu versachlichen.

In jedem Falle würde ich mich aber freuen, wenn Sie Ihre Begründung zur These 7 weiter ausführen könnten.

Mit freundlichen Grüßen,
Marc Brockschmidt

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Brockschmidt,

Vielen Dank für Ihre Frage zu den Studienbedingungen. Anders als Sie befürchten habe ich mich bewusst in der Vergangenheitsform des Imperfekt und weder im Perfekt noch im Plusquamperfekt ausgedrückt. Ich denke nämlich nicht, dass das Problem bereits gelöst ist. Allerdings denke ich, dass die Situation im Großen und Ganzen besser wird und auf jeden Fall schon jetzt ein Stück besser ist als sie es ohne Studienbeiträge geblieben wäre. Bis die Nachwirkungen der vergangenen unterfinanzierten Jahre überwunden sind, wird wohl tatsächlich noch einige Zeit vergehen. Die von Ihnen angesprochene Situation in den Fachrichtungen Mathematik, Physik und Informatik kann ich von hier aus in der zur Verfügung stehenden Zeit weder bestätigen noch widerlegen, ich nehme aber an, dass sie innerhalb der RWTH bewertet wird.

Nun zu den von Ihnen erbetenen Erläuterungen:

Am 16. März 2006 hat der Landtag Nordrhein-Westfalen das Studienbeitrags- und Hochschulabgabengesetz (StBAG) verabschiedet. Das StBAG räumt den staatlichen Hochschulen die Möglichkeit ein, in Eigenverantwortung Studienbeiträge zu erheben. Von dieser Möglichkeit haben die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen erst nach und nach und manche auch noch gar nicht Gebrauch gemacht. Mitte 2008 erhoben 29 der 33 staatlichen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen Studienbeiträge.

Unser nordrhein-westfälisches Konzept der Studienbeiträge verfolgt zwei Ziele. Zum einen geht es darum, die Studienbedingungen besser zu gestalten als sie es ohne Studienbeiträge wären und auf diese Weise die Qualität der Lehre zu erhöhen. Zum anderen sollen Studienbeiträge eine Chance schaffen, die Beziehung zwischen Studierenden und Hochschulen stärker partnerschaftlich zu prägen.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat bei seinem Studienbeitragsmodell besonderen Wert auf eine sozialverträgliche Ausgestaltung gelegt und daher das bundesweit sozial ausgewogenste Studienbeitragskonzept entwickelt und umgesetzt. Jeder, der in Nordrhein-Westfalen die Hochschulzugangsvoraussetzungen erfüllt und ein Studium aufnehmen möchte, hat unabhängig vom Einkommen der Eltern durchweg die Möglichkeit dazu. Die Resonanz auf das Angebot, Studienbeiträge erst nach dem Studium zu bezahlen, hat die ursprünglichen Erwartungen bereits übertroffen. In der gegenwärtigen Niedrigzinsphase wird dieses Angebot natürlich noch attraktiver.

Mit dem Darlehen können Studierende ihren Studienbeitrag für das Erststudium ohne Bonitätsprüfung oder Sicherheiten nachgelagert finanzieren. Die Rückzahlung beginnt zwei Jahre nach Abschluss des Studiums in variablen Raten, sofern die Absolventen über ein entsprechendes Einkommen verfügen. Für BAföG-Empfänger gibt es eine Begrenzung der Rückzahlungsverpflichtung aus BAföG-Darlehen und Studienbeiträgen auf 1000 Euro pro Semester bzw. 10.000 Euro insgesamt. Durch diese bundesweit mit Abstand niedrigste Kappungsgrenze zahlen rund zwei Drittel der BAföG-Empfänger in Nordrhein-Westfalen faktisch keine Studienbeiträge. Derzeit finanzieren rund 60.000 Studierende ihre Studienbeiträge nachgelagert über das NRW.BANK-Darlehen - dies sind über 21 Prozent der beitragspflichtigen und darlehensberechtigten Studierenden in Nordrhein-Westfalen.

Im Dezember 2007 hat die Landesregierung das Deutsche Studentenwerk und den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft beauftragt, die Verwendung der Studienbeiträge an den nordrhein-westfälischen Hochschulen zu untersuchen.

Hierzu wurden Fragebögen an die Hochschulleitungen sowie die Studierenden in den Senaten und Fachbereichsräten der Studienbeiträge erhebenden Hochschulen versandt. Zusätzlich hat sich der Gutachter durch Begehungen vor Ort weitere vertiefende Einblicke verschafft.

28 der 29 angeschriebenen Hochschulen haben den Fragebogen beantwortet. Darüber hinaus wurden an fünf Hochschulen Gespräche mit den Hochschulleitungen, den Dekanen und Dekaninnen, den Studierenden und den Mitgliedern der Prüfgremien geführt.

Der gemeinsame Bericht des Deutschen Studentenwerks und des Stifterverbands der Deutschen Wissenschaft liegt seit dem 9. Juni 2008 vor.

Meines Erachtens spricht der Bericht dafür, dass das nordrhein-westfälische Modell der Studienbeiträge sich bis dato bewährt hat. Es leistet einen guten Beitrag zur nach und nach eintretenden Verbesserung der Qualität der Lehre und der Studienbedingungen. Die staatlichen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen haben die ihnen vom Landtag zuerkannte Autonomie hinsichtlich der Erhebung und der Verwendung der Studienbeiträge - auch mit Blick auf die Verwaltungskosten - im wesentlichen verantwortungsbewusst, sorgfältig und im Sinne der Studierenden wahrgenommen.

Gleichwohl sind Transparenz und nachhaltige Information über die Verwendung der Studienbeiträge auf zentraler wie auf dezentraler Ebene eine Daueraufgabe und mit dem oben genannten Bericht keineswegs abgeschlossen. Ich bin sehr dafür, die Studierenden bei den Entscheidungen über die Verwendung der Studienbeiträge innerhalb der hochschulverfassungsrechtlichen Regelungen zu beteiligen. Mein Eindruck ist bisher, dass dies in Aachen relativ gut gelingt. Es hat aber auch Hochschulen gegeben, für die seitens der Aufsicht besonderer Nachdruck auf eine zeitnahe Verwendung der Studienbeiträge gelegt werden musste.

Da die Anwendung der Studienbeiträge für alle Beteiligten Neuland bedeutet ist es mir wichtig, die von den Mitgliedern der Hochschulen in diesem Zusammenhang geleistete Arbeit bei der Umsetzung des StBAG ausdrücklich zu würdigen. Meines Erachtens wird insgesamt konstruktiv und erfolgreich zusammengearbeitet. Anders als die von der Vorgängerregierung eingeführten Langzeitstudiengebühren sorgen die Studienbeiträge für eine tatsächliche Verbesserung in der finanziellen Ausstattung der Hochschulen für Studium und Lehre. Ich will aber gerne zugeben, dass ich diese Entwicklung eher als längeren Prozess verstehe denn als ein punktuelles Ereignis. Es wird eine gewisse Zeit brauchen, ehe die Periode finanziell schwächerer Ausstattung der Hochschulen aus den Jahrzehnten ohne Studienbeiträge ihre Wirkung verliert. Deshalb halte ich es auch für möglich, dass die von mir erwartete Chance kürzerer Studienverläufe erst nach und nach statistisch greifbar wird.

Um das Thema im Auge zu behalten hat der Landtag beschlossen, dass er die Landesregierung auffordert, vor Ablauf der Legislaturperiode einen weiteren Bericht zur Verwendung von Studienbeiträgen an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen vorzulegen. Deshalb gehe ich davon aus, dass dies in der Zeit bis Mai 2010 geschehen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Rudolf Henke