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Frage von Juliane S. •

Frage an Rolf Kahnt von Juliane S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Kahnt,

wie erklären Sie sich das Bildungsgefälle zwischen Ost und West in Bezug auf Allgemeinbildung und sprachlichem Ausdruck? Zwischen Hessen und Thüringen?

Mit freundlichen Grüßen

J. S.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Frage. Im Bildungsgefälle der Bundesländer, das vor einigen Jahren noch von Nord nach Süd ging (Bremen, Hamburg und Berlin als Absteiger und Baden-Württemberg und Bayern als Teilnehmer in der Champions-Leage, um es einmal mit der populären Fußballsprache zu verdeutlichen), hat sich in den letzten Jahren ein West - Ost- Gefälle ergeben. In Ländervergleichen haben Schüler in Ostdeutschland wesentlich besser abgeschnitten als Schüler in Westdeutschland. Das gilt insbesondere in den Mathematik- und naturwissenschaftlichen Fächern. Sachsen und Thüringen spielen nun in der ersten Liga, Hessen und Baden-Württemberg fürchten um den Abstieg in die zweite Liga. Hessen liegt im Ländervergleich nur auf Rang 10 von 16 Bundesländern, mit Sachsen und Thüringen führen zwei ostdeutsche Bundesländer die Rangliste der leistungsfähigsten Bildungssysteme an, darüber gibt der Bildungsmonitor aus dem Jahr 2017 beredte Auskunft.

Ich führe diese Entwicklung auf mehrere Faktoren zurück. Westdeutschland erfährt einen viel stärkeren Zuzug von Migranten als Ostdeutschland. Sie suchen sich Industriezentren mit hoher wirtschaftlicher Produktivität heraus, das sind in der Regel westdeutsche Länder wie NRW, Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg oder Bayern, in Ländern beispielsweise mit Automobilproduktion. Damit nehmen jedoch Integrationsprobleme in steigendem Maße zu. So nimmt, wie der Bildungsmonitor 2017 Auskunft gibt, die Schulabbrecherquote unter Ausländern zwar bundesweit in den letzten Jahren zu, aber in erheblich geringerem Maße in Ostdeutschland als in Westdeutschland. Dass ostdeutsche Schüler in Mathematik und in Naturwissenschaften besser abschneiden als westdeutsche kann durchaus darauf zurückgeführt werden, dass die Lehrerausbildung traditionell in der früheren DDR und nach 1989 qualitativ besser war bzw. ist als in Westdeutschland. In der DDR gab es keine Technikfeindlichkeit, Technik wurde dort stark gefördert. Dieses Bewusstsein setzte sich nach 1989 weiter fort und findet seinen Niederschlag in besseren Schulleistungen, die ihre Ursache auch in einer qualitativ besseren Lehrerausbildung zu finden ist. Dort, wo gute Lehrer unterrichten, gibt es bessere Schülerleistungen. In westdeutschen Schulen wird neuerdings auf Quereinsteiger zurückgegriffen, d.h. auf Personen, die keine pädagogische Lehrerausbildung vorweisen können, auf die aber aufgrund steigender Schülerzahlen zurückgegriffen wird. Bereits jetzt kann man absehen, dass das nicht gut gehen kann.

Natürlich spielen der Lehrerschlüssel, die Klassengrößen, d.h. die Heterogenität oder Homogenität in der Zusammensetzung von Schulklassen eine nicht zu unterschätzende Rolle hinsichtlich der Leistungsbereitschaft und des Leistungsvermögens. In ostdeutschen Schulklassen finden wir kleinere Klassen und mehr homogene Klassen vor, die das Lernen begünstigen, in westdeutschen Klassen finden wir größere Klassen mit mehr heterogen zusammengesetzten Schulklassen vor, viele mit hohem Ausländeranteil oder Migrationshintergrund, bei denen Lernprozesse schwieriger erfolgreich umzusetzen sind. Das hat auch etwas mit Disziplin, Fleiß und Leistungswillen zu tun, dieser ist in Ostdeutschland wesentlich stärker ausgeprägt als in Westdeutschland. Deswegen erreichen Schüler in Ostdeutschland insgesamt bessere Schulleistungen. Und natürlich sind die Lernumfeldbedingungen in westdeutschen Wirtschaftszentren um ein Vielfaches komplizierter verglichen mit eher ländlichen, ruhigeren Lernumfeldbedingungen wie in Sachsen und Thüringen. Alle diese Faktoren spielen eine Rolle, weshalb ostdeutsche Schüler bessere Leistungen erbringen als westdeutsche.

Mit freundlichen Grüßen,

Rolf Kahnt