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Frage von Marco D. •

Frage an Rainer Arnold von Marco D. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Arnold,

aktuell beschäftigt mich die Diskussion über die geplante Erweiterung bzw. Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich der Anti-Terror-Maßnahmen, insbesondere den Abschuß einer Passagiermaschine, bei der Tatunbeteiligte betroffen wären.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Abschussermächtigung für entführte Flugzeuge für nichtig erklärt mit der Begründung, sie sei mit den Grundrechten auf Menschenwürde und auf Leben unvereinbar und eine Abwägung von Leben gegen Leben sei unzulässig. (Quelle: Spiegel.de)

Demzufolge regt Innenminister Schäuble (CDU) eine Grundgesetzänderung an, um diese Maßnahme durch einen Passus ins Grundgesetz einarbeiten zu lassen, der das entsprechende ausführende Organ zu den notwendigen Handlungen legitimiert.

Ich frage mich gerade: WOZU?

Ist es denn nicht so, daß die Bedrohung durch Terrorismus in Deutschland weniger durch die seit dem 11. September bekannte aber danach nie mehr gelungene Entführung von Passagiermaschinen zum Zwecke der Verwendung als fliegende Bomben ausgeht, sondern von "klassischen" Autobomben oder anderen perfiden Attentats-Varianten?

Für die Sicherheit des Flugverkehrs wird doch schon einiges getan. Es gibt sog. Skymarshals und etliche Kontrollen, z.T. auch Schikanen an und um die Flughäfen, Abgeschirmte Cockpits um ein Eindringen in selbiges zu Verhindern, Schulungen der Crews etc., um ein Szenario ähnlich des 11. Septembers zu verhindern - offenbar mit Erfolg.

Wozu ist dann noch diese Grundgesetzänderung notwendig?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Deiana,

haben Sie vielen Dank für Ihre Mail in Bezug auf den etwaigen Abschuss eines zivilen Flugzeuges.

Die Frage nach dem „wozu?“ stelle ich mir – ebenso wie die gesamte SPD-Bundestagsfraktion – bei den von Verteidigungsminister Jung geäußerten Plänen zum großen Teil auch. Dabei wird er von Innenminister Schäuble unterstützt. Neben den von Ihnen völlig zu Recht angeführten Erwägungen (Skymarshalls, Cockpitsicherung, verschärfte Kontrollen auf allen Flughäfen) spricht auch der zu erwartende Ablauf einer solchen Flugzeugentführung gegen diese Pläne. Dazu braucht man allein auf den zeitlichen Ablauf zu schauen.

Deutschland ist ein relativ dicht besiedeltes Land mit vielen Ballungsräumen. So bräuchte zum Beispiel ein Flugzeug nur drei Minuten vom Frankfurter Flughafen bis zum nächsten Atomkraftwerk oder nur 20 Sekunden bis zur Innenstadt. Dagegen benötigt eine Alarmrotte der Bundeswehr zehn Minuten, bis sie in der Luft ist, und weitere Minuten zum Ort des Geschehens. Dazu kommt die Zeit, bis Klarheit über die Situation und die Absichten möglicher Terroristen herrscht, wenn dies überhaupt geklärt werden kann. Ein entführtes Flugzeug müsste also schon minutenlang in der Luft kreisen, um überhaupt die Gelegenheit zum Abschuss zu geben.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.02.2006 zum Luftsicherheitsgesetz wäre es aber verfassungswidrig, eine Maschine mit unschuldigen Passagieren an Bord abzuschießen. Der Verteidigungsminister würde in so einem Fall immer als verkörperte Staatsgewalt handeln und darf so einen Verfassungsbruch nicht systematisieren. Nachvollziehen kann ich den Wunsch nach größtmöglicher Vorsorge für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb wäre eine geringfügige Änderung von Art. 35 Grundgesetz mit der SPD-Bundestagsfraktion zu machen, die eine Lücke nach Maßgabe des Bundesverfassungsgericht schließen würde: Das Gericht hat der Bundeswehr den Einsatz von militärischen Waffen auch gegen ein Ziel ohne Unbeteiligte im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG versagt, also bei einer Bedrohung aus der Luft oder von See her, die nur von der Bundeswehr abgewehrt werden kann. Für die Fälle, bei denen aus der Luft oder innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone auf See eine Gefahr droht, müsste die Bundeswehr zur Abwehr auch militärische Waffen (z. B. schwere Bordgeschütze) einsetzen können, so lange keine Unschuldigen getötet werden. Einer derartig eng abgesteckten Grundgesetzänderung könnten wir zustimmen. Wegen der zuvor genannten tatsächlichen Argumente habe ich hier eher Bedrohungen von See aus im Blick (etwa ein mit Sprengstoff beladenes Boot), bei dem der zeitliche Rahmen noch eine Abwehr erlauben würde.

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold