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Petra Pau
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Frage von Marina B. •

Frage an Petra Pau von Marina B. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Pau,

als ich mir Informationen über Details der geplanten Aurobahnprivatisierung (ÖPP, GMBH etc.) mühsam beschaffen musste, wurde mir erst klar, dass hier dringend der Bedarf besteht, die Bürger /Wähler umfassend über die diesbezüglichen Planungen zu informieren - und zwar vor einer Abstimmung in den Gremien. Warum geschieht dies nicht? Ich fordere Sie auf, gegen diese Pläne zu stimmen solange der Steuerzahler nicht umfassend informiert ist und Gelegenheit zur Meinungsäußerung hatte.

Mit freundlichen Grüßen
MB

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Bredereke,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 28. Mai 2017.

Unsere Fraktion lehnte und lehnt die Errichtung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr in Verantwortung des Bundes ab und fordert stattdessen eine Ertüchtigung der Auftragsverwaltung der Länder im bestehenden System unter Einbeziehung der Schnittstellen zur Bundesverwaltung im Sinne der Vorschläge der Bodewig-II-Kommission. Wir haben dazu den Antrag „Autobahnprivatisierungen im Grundgesetz ausschließen“ (Drs. 18/11165 vom 14.2.2017 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/111/1811165.pdf ) in den Bundestag eingebracht und uns schon frühzeitig gegen diese Zentralisierung mit einem Antrag vom November 2015 gewehrt („Planungen für die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft sofort einstellen“ Drs. 18/6547 v. 3.11.2015). Der aktuelle Antrag nennt insbesondere ÖPPs und Teilnetz-ÖPPs als Grund dafür, die geplante Gesellschaft abzulehnen. Sie wiesen berechtigterweise darauf hin, dass sich die jetzigen ÖPP-Staffeln bereits zu Teilnetz-ÖPPs entwickeln.

Wir halten Privatisierungen durch die Hintertür, wie sie mit den Gesetzentwürfen zu den Grundgesetz-Änderungen, angestrebt werden, für schädlich. Straßen als öffentliche Daseinsvorsorge dürfen nicht per ÖPP oder gar Teilnetz-ÖPP den Investoren überlassen werden, weil sie damit für die Steuerzahlerin und den Steuerzahler teurer sowie der demokratischen Kontrolle entzogen werden. Darüber hinaus werden ÖPPs dazu führen, dass nur noch die großen Player in der Bauindustrie zum Zuge kommen werden und mittelständische Unternehmen das Nachsehen haben, weil sie keine Chancen bei aufwändigen Ausschreibungen haben. Unsere Fraktion hat sich in der Abstimmung am 1. Juni geschlossen gegen die Grundgesetzänderung des Art. 90 gewandt und auch das Gesetzespaket insgesamt geschlossen abgelehnt, weil mit den Regelungen zum Bund-Länder-Finanzausgleich die Länder erpresst wurden, der Autobahn-Gesellschaft zuzustimmen. Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknechts Rede zum Thema finden sie hier: http://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/2565.sie-machen-die-autobahn-zur-melk-kuh-für-private-profite.html

Unsere zweite große Hauptsorge bei diesem Vorhaben der großen Koalition galt und gilt den Beschäftigten in den Straßenbauverwaltungen der Länder. Wir sehen die Gefährdung der Arbeitsplätze und haben die große Verunsicherung in zahlreichen Gesprächen mit Beschäftigten erfahren. Die völlig unzureichenden Regelungen in den Gesetzentwürfen zu Fragen des Status, des Arbeitsortes und der Entlohnung kritisieren wir zu jeder Gelegenheit und verlangen Änderungen, falls es zu dieser Bundesgesellschaft kommt. Es gilt die Arbeitsplätze zu sichern, Tarifrechte einzuhalten sowie die Mitbestimmung vollumfänglich zu gewährleisten.

Seit der von unseren MdBs Sabine Leidig und Herbert Behrens mitgegründeten „Plattform gegen die Bundesfernstraßengesellschaft“ arbeiten wir in dieser eng mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Fachgewerkschaft VDStra zusammen. An unseren Aktionswochen, die während den Diskussionen um die Autobahngesellschaft liefen, haben sich auch viele Beschäftigte in den Straßenbauverwaltungen beteiligt. Sie finden Berichte und viele Fotos auf www.keine-autobahnprivatisierung.de sowie https://www.facebook.com/Keine-Autobahnprivatisierung-487930638264573/ .

Die breite Kritik hat zumindest den Erfolg gehabt, dass für die Beschäftigten weitgehende Regelungen für den Übergang geschaffen wurden, die die vorhandenen Ängste um die Arbeitsplätze kleiner werden lassen. Und auch der Einfluss des Bundestages auf die zu gründende Gesellschaft wird größer sein als ursprünglich angelegt. Zudem darf die Gesellschaft keine Kredite aufnehmen und eine Umwandlung zur AG wurde ausgeschlossen. Dies sind Erfolge, die es ohne den breiten Widerstand nicht gegeben hätte. Doch nicht alle Hintertüren sind geschlossen worden und es wird in den nächsten Jahren darauf ankommen, bei der Umsetzung dieser Infrastrukturgesellschaft immer genau hinzuschauen und Schritte hin auf weitere Privatisierungs-Möglichkeiten zu unterbinden.

Noch ein Wort zu der im Gesetzespaket enthaltene Öffnung des Einsatzes von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPPs) für die Sanierung und den Bau von Schulen. Dies haben wir am 1. Juni in einem Änderungsantrag versucht auszuschließen. Dies wurde von der Großen Koalition leider auch abgelehnt.

Im Bundesrat haben die 3 Länder, in denen LINKE mitregieren (Berlin, Brandenburg, Thüringen) den Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses gestellt. Dieser fand leider keine Mehrheit. Im Ergebnis der Abwägungen haben Thüringen, Brandenburg und Berlin dann für den Länderfinanzausgleich gestimmt, der erstmals finanzielle Planungssicherheit für unsere soziale Politik in Ländern und Kommunen schafft. Eine gemeinsame Erklärung von Katja Kipping, Bernd Riexinger, Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch, Bodo Ramelow, Christian Görke und Klaus Lederer dazu findet sich hier: https://www.die-linke.de/nc/presse/presseerklaerungen/detail/zurueck/presseerklaerungen/artikel/die-linke-fordert-volksabstimmung-gegen-autobahnprivatisierung/

Die Rede von Ministerpräsident Bodo Ramelow aus Thüringen im Bundesrat kann hier http://www.bundesrat.de/DE/service/mediathek/mediathek-node.html?cms_id=7115407 nachgesehen werden, die von Finanzminister Christian Görke aus Brandenburg hier http://www.bundesrat.de/DE/service/mediathek/mediathek-node.html?id=7115585

Soweit erst einmal. Wir haben von Anbeginn dieser Diskussion versucht, die zentrale Infrastrukturgesellschaft und Privatisierungs-Möglichkeiten zu verhindern. Das erste Ziel wurde nicht erreicht und beim zweiten muss der Kampf um die öffentliche Daseinsvorsorge Bundesfernstraßen weitergehen. Unsere Fraktion wird sich auch in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen.

Sowohl zu dieser und weiteren Thematiken können Sie sich jederzeit an mich wenden. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat diese Möglichkeit – postalisch, digital oder im persönlichen Gespräch. Viele Menschen innerhalb Berlins nutzen dafür auch mein monatliches Sprechstundenangebot.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Pau

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