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Peter Ramsauer
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Frage von Peter S. •

Frage an Peter Ramsauer von Peter S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Dr. Ramsauer,

habe heute erfahren, dass Sie die Ausnahmegenehmigung für die Nutzung der S-Bahn-Tunnel durch Schnellbahnzüge gegeben haben. Nach der Schönrechnung der Verantwortlichen des Projektes Stuttgart 21, indem man einfach die Tunnelwände dünner macht, folgende Frage an Sie: Sind Sie bereit Verantwortung für Ihren Beschluß zu übernehmen, wenn es denn zu einem Unfal oder sagen wir einer Katastrophe kommt? Kann ich gegen Sie klagen wenn es so weit kommen sollte?

Mit freundlichen Grüßen

Peter Schifer

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Schifer,

vielen Dank für Ihre Anfrage an meine Adresse über die Internetseite von www.abgeordnetenwatch.de .

Ihre Sorge insbesondere um die Sicherheit von Tunnelanlagen kann ich sehr wohl nachvollziehen. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen und Sie umfassend zum Sachverhalt informieren:

Betriebsanlagen der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (DB AG) dürfen erst gebaut oder bestehende Anlagen erst geändert werden, wenn der Plan hierfür zuvor festgestellt worden ist. Ziel des Planfeststellungsverfahrens ist es, einen etwaigen Interessenkonflikt zwischen der Planung einerseits und den von ihr betroffenen öffentlichen und privaten Belangen andererseits in gerechter Weise zu lösen. Die Planfeststellung umfasst die Entscheidung über alle vom geplanten Vorhaben berührten Interessen. Sie stellt die Zulässigkeit einschließlich den notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von dem Vorhaben berührten öffentlichen Belangen fest. Durch die Planfeststellung werden alle öffentlich rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Bau Betroffenen geregelt. In der Planfeststellung wird insbesondere entschieden,

- welche Lage, Gestalt und Beschaffenheit die Anlagen haben,
- welche Grundstücke oder Grundstücksteile vorübergehend oder auf Dauer für das Vorhaben benötigt werden,
- wie die öffentlich rechtlichen Belange berücksichtigt und die öffentlich rechtlichen Beziehungen im Zusammenhang mit dem Vorhaben gestaltet werden,
- welche Folgemaßnahmen an anderen öffentlichen Verkehrswegen und sonstigen Anlagen erforderlich werden,
- welche Vorkehrungen oder Schutzanlagen zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer vorzusehen sind, die Umweltverträglichkeitsprüfung ist insofern unselbständiger Teil des Planfeststellungsverfahrens.

Vom EBA als Planfeststellungsbehörde sind neben den berechtigten Interessen der betroffenen Bürger insbesondere die Belange der

- Betriebs und Verkehrssicherheit,
- Wirtschaftlichkeit,
- Umwelt, und zwar der Auswirkung des Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen, Kultur und sonstige Sachgüter, Denkmalpflege sowie anderen Verkehrsträger

zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21. Für die bautechnische Gestaltung des Projekts Stuttgart 21 sind neben den Gesetzen und Verordnungen die anerkannten Regeln der Technik sowie die durch das EBA festgelegten Technischen Baubestimmungen (ELTB) zu beachten. Dies umfasst nicht nur Vorschriften für Eisenbahntunnel, sondern auch solche für unterirdische Verkehrsstationen.

Ich möchte ein Beispiel dazu benennen: Bereits im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Schnellfahrstrecken (SFS) Hannover - Würzburg und Mannheim - Stuttgart hatte die seinerzeitige Deutsche Bundesbahn im Jahr 1983 von einem unabhängigen Gutachter eine Risikoanalyse und Bewertung für die Tunnelabschnitte dieser Strecken durchführen lassen. Als Schwerpunkt der Betrachtung hat sich das Risiko eines Brandes im Tunnel ergeben, da hier insbesondere durch Rauchentwicklung spezielle Probleme entstehen können.

Diese Untersuchungen haben gezeigt, dass bezüglich technischer Einrichtungen bei Neubaustrecken bereits ein hoher Sicherheitsstandard erreicht ist. Die Festlegung von Sicherheitsmaßnahmen kann aber nicht jedes denkbare Risiko ausschließen, vielmehr ist anzustreben, mit den verfügbaren Mitteln häufigen und folgenreichen Ereignissen entgegenzutreten.
Der Schwerpunkt des von der DB AG angewendeten Sicherheitskonzepts liegt daher in Maßnahmen, die eine Minimierung des Risikos (Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß) bewirken sollen. Die Stufen des Sicherheitskonzepts sind:

1. Vermeidung des Ereigniseintritts (z. B. brandsicheres Material),
2. Minimierung des Ereignisausmaßes,
3. Selbstrettung,
4. Fremdrettung.

Im Juli 1997 ist die Richtlinie des Eisenbahn Bundesamtes (EBA) Anforderungen des Brand und Katastrophenschutzes an den Bau und Betrieb von Eisenbahntunneln in Kraft getreten, die unter Beteiligung von Fachleuten aus verschiedenen Bundesländern und der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland erarbeitet wurde. Die dort geregelten baulichen, betrieblichen und organisatorischen Maßnahmen stellen notwendige Voraussetzungen für die Brandschutz und Unfallrettungsmaßnahmen der nach Landesrecht zuständigen Dienste dar. Die Richtlinie wird aufgrund gewonnener Erfahrungen weiterentwickelt. Sie wird im Rahmen der Planfeststellungsverfahren und der Bauaufsicht umgesetzt.

Zur Gewährleistung der raschen und wirkungsvollen Hilfeleistung ist es erforderlich, dass die örtlichen Feuerwehren und die DB AG bei Unfällen, Störungen und Katastrophen eng zusammenarbeiten und durch abgestimmte Maßnahmen umfassend Hilfe leisten. Eine diesbezügliche Vereinbarung der Länder mit der DB AG ist im August 1998 durch die Innenminister und -senatoren der Länder und den Vorstand der DB AG unterzeichnet worden. Dort ist festgelegt, in welchem Umfang jeweils die örtlichen Feuerwehren und die DB AG Ausrüstungen, sonstige Mittel und Personal bereitstellen. Insbesondere ist der Beitrag der DB AG für die Hilfeleistung in besonders schwer zugänglichen Anlagen nach Maßgabe der abgestimmten Sicherheitskonzepte festgelegt. Die Umsetzung erfordert für jeden Tunnel spezifische Maßnahmen in Abstimmung mit den örtlichen Brandschutzdienststellen.

Die genannte Richtlinie des EBA und die Vereinbarung der Länder mit der DB AG ergänzen einander. Vor diesem Hintergrund sind die Sicherheits- und Rettungskonzepte für Eisenbahntunnel zu konzipieren.

Im Rahmen der ECE (Economic Commission for Europe) der UN hat sich eine Expertengruppe mit dem Thema der Sicherheit in Eisenbahntunneln befasst. Eine Umfrage in allen Mitgliedstaaten über Maßnahmen und Vorschriften zur Tunnelsicherheit wurde durchgeführt. Außerdem wurde ein Diskussionspapier des Internationalen Eisenbahnverbandes (Union Internationale des Chemins de Fer, UIC) in die Beratungen einbezogen. Die Ergebnisse sind in die Technische Spezifikation Interoperabilitt (TSI) Sicherheit in Eisenbahntunneln (Safety in Railway Tunnels, SRT) vom 20.12.2007 der Europäischen Kommission eingeflossen (Amtsblatt der EU L 64/1 vom 07.03.2008).

Sehr geehrter Herr Schifer,

ich gehe davon aus, dass meine umfassenden Erläuterungen zum Ausdruck gebracht haben, dass Tunnelsicherheit ein oberstes Gebot ist und viele Partner am Entscheidungsprozess beteiligt sind. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Peter Ramsauer

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