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Paul Lehrieder
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Frage von Wolf Michael K. •

Frage an Paul Lehrieder von Wolf Michael K. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Lehrieder,

vielen Dank, dasss Sie gegen die Verschiebung des Stichtages und somit für das Leben gestimmt haben. Ich wünschte, erheblich mehr Ihrer Kollegen im Bundestag hätten sich an Ihrem Vorbild orientiert.

In zwei Tagen soll über die Gestzesnovellierung des §1666 BGB abgestimmt werden, um Kinder vor Misshandlungen durch die Eltern zu schützen. auf dem ersten Blick sieht das in Ordnung aus, auf dem zweiten Blick stellt sich heraus, dass die bisherige Gesetzeslage voll ausreicht und bisher nur nicht ausgeschöpft wurde. Durch die Novellierung wird die Position der Eltern empfindlich geschwächt, die durch GG Artikel 6 definiert wird. In der Praxis bedeutet dies, dass Jugendämter ohne Beweise Kinder ihren Eltern wegnehmen können. Der Staat definiert also, was gut für das Kind ist, und gewinnt somit die schon vor neun Jahren von einem SPD-Politiker eingeforderte "Lufthoheit über deutsche Kinderzimmer".

Wie stehen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen,
Wolf Michael Kröger

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kröger,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 24.April 2008, in dem Sie Ihre Bedenken zum zwischenzeitlich verabschiedeten „Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls“ darlegen.

Im Folgenden möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick darüber geben, welche Zielsetzungen der Gesetzgeber mit diesem Gesetz verfolgt:

Nach Artikel 6 Abs. 2 und 3 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern. Dieses sog. Elternrecht ist jedoch nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern gleichermaßen auch eine Verpflichtung der Eltern. So heißt es in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auch: „Pflege und Erziehung der Kinder ist (…) die zuvörderst ihnen (den Eltern) obliegende Pflicht“. Angesichts dieser Pflichtbindung unterscheidet sich das „Elternrecht“ von allen anderen Grundrechten und wird allgemein auch als „Elternverantwortung“ bezeichnet.

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang wiederholt klargestellt, dass das „Elternrecht“ maßgeblich dem Kindeswohl diene und wesentlich ein Recht im Interesse des Kindes sei, das auf Schutz und Hilfe angewiesen ist. Insofern kann man also auch von einem treuhänderischen Recht sprechen.

Dort, wo die Eltern nicht willens oder in der Lage sind, das Kindeswohl zu schützen, begründet die „Elternverantwortung“ für das gefährdete Kind einen Anspruch auf Schutz und für den Staat eine Pflicht, alles zu unternehmen, um das Kind vor Misshandlungen oder Vernachlässigungen zu schützen. Die Verbesserungsvorschläge der im Jahr 2006 vom Bundesjustizministerium eingesetzten Expertengruppe sowie die sich häufenden Berichte über schwerste Fälle von Kindesmisshandlungen und –vernachlässigungen zeigen jedoch in trauriger Weise, dass der Staat diesem Anspruch bisher nicht immer gerecht werden konnte und er daher verpflichtet ist, neue Lösungsansätze zu finden. Dieser Pflicht sind wir mit dem nunmehr verabschiedeten Gesetz in einer ausgewogenen Weise nachgekommen. Wie von der Expertengruppe vorgeschlagen, besteht der zentrale Ansatz darin, etwaige Maßnahmen frühzeitig zu ergreifen, um anders als bisher eine Zuspitzung der Lage möglichst zu verhindern. Wir wollen damit gefährdete Kinder künftig so früh wie möglich schützen.

Familiengerichte, Jugendämter, Schulen und Polizei sollen dabei noch besser zusammenarbeiten und im Einzelfall früher tätig werden. Durch die Neuregelung wurde das „elterliche Erziehungsversagen“ als Voraussetzung für ein gerichtliches Eingreifen gestrichen. Dies senkt die Hürden für ein gerichtliches Eingreifen, ermöglicht damit eine frühere Anrufung der Familiengerichte und beseitigt darüber hinaus die Gefahr, dass die Kooperationsbereitschaft der Eltern wegen der gerichtlichen Feststellung des „Erziehungsversagens“ stärker als erforderlich beeinträchtigt wird.

Im Gesetz sind außerdem jetzt die Rechtsfolgen konkretisiert, dieser Vorschlag hat in den Stellungnahmen der im Vorfeld bereits beteiligten Länder und Verbände breite Zustimmung gefunden. Die Gerichte können künftig stärker als bisher von den verschiedenen, unter der Schwelle der Sorgerechtsentziehung stehenden Instrumenten Gebrauch machen. Das Gesetz zählt in diesem Zusammenhang beispielhaft das an die Eltern gerichtete Gebot auf, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen oder für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen. Die Gerichte können somit künftig familiengerichtliche Weisungen an die Eltern erteilen, d.h. sie können auf die Eltern einwirken, Kindergartenbetreuung in Anspruch zu nehmen, einen Anti-Gewalt-Trainingskurs zu absolvieren oder das Kind ärztlich untersuchen zu lassen. Diese Änderung trägt so dem Gedanken der Prävention Rechnung.

Die jetzigen Neuregelungen lassen sich somit wie folgt zusammenfassen:

Die Schwelle für ein gerichtliches Eingreifen wurde aus Gründen einer verbesserten Prävention gesenkt. Wir stärken so bereits im Vorfeld die Kooperation mit den Eltern, damit ein weiter reichender Entzug des elterlichen Sorgerechts erst gar nicht erforderlich wird. Das Gesetz zielt also gerade nicht auf eine Schwächung, sondern vielmehr auf Kooperation und Unterstützung der Eltern bei der Ausübung ihrer elterlichen Rechte.

Indem jetzt auf die Feststellung des „elterlichen Erziehungsversagens“ verzichtet wird, werden zudem Eltern, die Hilfe bei der Erziehung benötigen, nicht mehr unnötig stigmatisiert.

Das Gesetz stellt eine ausgewogene Lösung zwischen Elternrecht einerseits und der Schutzpflicht des Staats gegenüber Kindern andererseits dar.

In diesem Sinne hat es auch bei den Kirchen große Zustimmung gefunden.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Bedenken nehmen konnte.

Mit freundlichen Grüßen,

Paul Lehrieder, MdB

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