Frage von Gerhard J. •

Cum-Ex und Cum-Cum verhindern - Wie weiteren Steuerraub verhindern?

Sehr geehrter Herr Schrodi,

In einem Zeitungsinterview führt Anne Brorhilker aus, dass wegen der unterschiedlichen Regelungen in Europa mit Cum-Ex und Cum-Cum Banken nach wie vor die Staatshaushalte schädigen. Als ehemalige Staatsanwältin mit dem Schwerpunkt Cum- Ex und Cum-Cum dürfte Frau Brorhilker über genügend Fachkenntnisse verfügen, damit ihre Aussagen als valide angesehen werden können.

Was ich nicht verstehe: Wieso wird von den deutschen Steuerbehörden eigentlich immer noch nicht der Nachweis verlangt, dass im Fall beantragten Steuerrückzahlungen erst einmal belegt werden muss, dass diese Steuer tatsächlich erhoben wurde? Und warum werden gegen Mehrfacherstattungen nicht technische Sicherungen eingesetzt wie etwa bereits seit Jahren in anderen Bereichen verwendete Token-Autentifizierungen? Für jede getätigte Steuerzahlung könnte so die abführende Bank pro Wertpapier ein Token erhalten, das ggf auch mitsamt dem Token verkauft werden könnte

Wie weiteren Steuerraub verhindern?

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Antwort von
SPD

Die Cum-Ex-Kriminalität wurde durch verschiedene Änderungen der Steuergesetzgebung ab dem Jahr 2012 beendet. Das Verfahren der Kapitalertragsteuererhebung und -erstattung wurde grundsätzlich neu strukturiert. Schwachstellen des alten Verfahrens wurden etwa beseitigt, in dem die Stellen, die die Kapitalerträge auszahlen, und die Stellen, die die Erstattung von Kapitalerträgen vornehmen, zusammengefasst wurden.

Mit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG ) wurden im Jahr 2021 unter Bundesfinanzminister Olaf Scholz außerdem die Grundlagen für eine umfassende Digitalisierung des gesamten Verfahrens geschaffen. Die Angaben auf den Erstattungsanträgen von Kapitalertragsteuern wurden erweitert, um deren Berechtigung effektiv prüfen zu können. Außerdem wurde die Haftung der Banken für die Richtigkeit der Angaben auf ihren Erstattungsanträgen verschuldensunabhängig verschärft. Im nächsten Schritt wird eine europäische Richtlinie, die sogenannte Faster-Richtlinie, die grenzüberschreitenden Erstattungsverfahren von Kapitalerträgen vereinheitlichen und betrugssicher machen.

Neue Fälle von Cum-Ex-Kriminalität sind nicht bekannt geworden. Durch die Digitalisierung der Verfahren würde ein Steuerbetrug im Ausmaß der Cum-Ex-Delikte künftig früh auffallen und es könnte schnell gegengesteuert werden.

Die rechtliche Verfolgung der Cum-Ex-Kriminalität wird sich noch einige Jahre hinziehen. Das liegt an der Komplexität der Gestaltungen und der Vielzahl an Beteiligten. Es wurden bisher wichtige strafrechtliche Erfolge erzielt. Die Cum-Ex-Transaktionen wurden als rechtswidrige Steuerhinterziehung qualifiziert. Es gab bereits strafrechtliche Verurteilungen von zentralen Akteuren, wie etwa Bankenvertretern, ohne die diese Transaktionen nicht stattfinden konnten.

Die entsprechenden Verjährungsfristen wurden - ebenfalls unter Bundesfinanzminister Olaf Scholz - verlängert, um Straffreiheit zu verhindern. Durch die Einführung des § 375a Abgabenordnung (AO) wurde die Möglichkeit der Einziehung bei bereits verjährten Steueransprüchen wesentlich verbessert, soweit sie mit einer Straftat verbunden sind.

In Ihrer Antwort vom 12.09.2024 auf eine Anfrage der Gruppe Die Linke hat die Bundesregierung geantwortet (vgl. BT-Drs. 20/12988) u. a. geantwortet:

- Zum Stichtag 31.10.2023 befanden sich 380 Cum/Ex-Verdachtsfälle in Bearbeitung mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag in Höhe von ca. 3,8 Mrd. Euro. Darüber hinaus wurden bislang 174 Fälle rechtskräftig abgeschlossen und Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag in Höhe von ca. 3,1 Mrd. Euro zurückgefordert bzw. entsprechende Erstattungsanträge abgelehnt.

- Zum Stichtag 31.10.2023 befanden sich 240 Cum/Cum-Verdachtsfälle in Bearbeitung mit einem Volumen an geprüften Anrechnungs- bzw. Erstattungssummen in Höhe von ca. 6,7 Mrd. Euro. Bei insgesamt 76 weiteren Fällen wurden bislang die Steuerverfahren rechtskräftig abgeschlossen und Kapitalertragsteuer in Höhe von ca. 205 Mio. Euro zurückgefordert bzw. nicht auf die Steuerschuld angerechnet.

- Die zuständigen Behörden in Bund und Länder arbeiten weiterhin mit großem Engagement an der Aufklärung der Sachverhalte. Der rechtskräftige Abschluss der noch offenen Verfahren wird dennoch aufgrund der Komplexität der Geschäfte noch längere Zeit in Anspruch nehmen.

Frau Brorhilker konnte bisher keine Belege für ihre Vermutungen vorlegen. Andererseits können neue Betrugsfälle bei der Erstattung der Kapitalertragsteuer für die Zukunft auch nicht völlig ausgeschlossen werden. Das Bundesministerium der Finanzen will die Verfahren immer wieder auf neue Betrugskonstellationen überprüfen.

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