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Michael Schlecht
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Frage von Dietrich K. •

Frage an Michael Schlecht von Dietrich K. bezüglich Recht

Guten Tag Herr Schlecht,

welchen Standpunkt vertreten Sie zu den nachfolgend aufgeführten Themen:

1. Richterstaat statt Rechtsstaat
Prof. Bernd Rüthers beanstandet in der FAZ vom 15.4.2002: "Die BRD
wird vom gesetzgebenden Rechtsstaat, den das Grundgesetz gebietet, zum – oft
unberechenbaren – Richterstaat." Sie wären verpflichtet, sich Gedanken darüber zumachen, wie die "Reise in den Richterstaat" (Prof. Rüthers) aufgehalten bzw. beendet werden kann.

2. Richter(innen) in Kommunalparlamenten und Kreistagen - richterliche Unabhängigkeit

3. Rechtsbeugung (§ 339 StGB)
Die Professoren Bemmann, Seebode und Spendel werfen dem BGH in der Zeitschrift für Rechtspolitik 1997, 307f, vor, diese Strafvorschrift gesetzwidrig auszulegen und anzuwenden. Diese gesetzwidrige Auslegung und Anwendung, die den Gesetzeswortlaut missachtet, führt dazu, dass die der Rechtsprechung auferlegte Selbstkontrolle praktisch außer Kraft gesetzt wird. Auch für die Rechtsprechung gilt: Unkontrollierte Macht korrumpiert. Es sollte auch die minder schwere Rechtsbeugung strafbar sein.

4. Dienstaufsicht (§ 26 Abs. 2 DRiG)
Durchsetzung der praktisch nicht ausgeübten Dienstaufsicht im
Kernbereich der richterlichen Tätigkeit. Von den Gerichtspräsidenten und den
Justizministerien wird gesetzwidrig behauptet, wegen der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) dürfe die Dienstaufsicht auf Beschwerde einer Partei hin ein Urteil nicht bewerten. Dies ist falsch (BGH-Richter a.D. Dr. Herbert Arndt in Deutsche Richterzeitung 1974, 251). Zu Recht beklagt der ehemalige Richter am Oberlandesgericht Köln, RA Dr. Egon Schneider, in der Zeitschrift für die Anwaltspraxis 2005, 49: "Eine Crux unseres Rechtswesens ist das völlige Versagen der Dienstaufsicht gegenüber Richtern. Welche Rechtsverletzungen Richter auch immer begehen mögen, ihnen droht kein Tadel."

Quelle: http://www.justizgeschaedigte.de

Mit bestem Gruß

Dietrich Klug

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Klug,

vielen Dank für Ihre Fragen. Ich teile zu den aufgeworfenen Fragen die Position meiner Partei DIE LINKE, welche Ihnen bereits auf eine fast wortgleiche Anfrage Mitte des Jahres zu gegangen sein sollte. Gern gebe ich diese Position hier nochmal angepasst wieder:

zu 1. DIE LINKE tritt für Demokratie und Rechtsstaat ein. Wesentliches Prinzip eines Rechtsstaats ist, dass für seine Bürgerinnen und Bürger erkennbar ist, welche Ge- und Verbote herrschen und mit welchen Konsequenzen sie bei deren Überschreitung rechnen müssen. Dieses Gebot von Bestimmtheit und Normenklarheit folgt unmittelbar aus dem verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Absatz 3 Grundgesetz. Dies sah das Bundesverfassungsgericht als erfüllt an, wenn der gesetzliche Tatbestand so präzise formuliert ist, dass die Normenadressaten die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten dementsprechend ausrichten können. Es bedürfe einer begrifflichen Präzision bei der Abfassung der Norm mit der Folge von möglichst übersichtlichem, widerspruchsfreiem und verständlichem Recht (vgl. BVerfG 1 BvL 35/86, 2 BvL 59/06).
DIE LINKE verweist regelmäßig auf dieses Prinzip, wenn Gesetzesvorhaben in Bundestag eingebracht werden, die diesen Maximen nicht entsprechen. Sie sieht die Aufgabe alle wesentlichen Regelungen zu treffen, insbesondere im grundrechtsrelevanten Bereich, beim Parlament, dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Werden der Exekutive zu viel Ermessensspielraum und der Judikative zu viel Auslegungsspielraum gelassen, birgt das die Gefahr, das wesentliche Entscheidungen vom Parlament an eine der anderen beiden erwähnten Gewalten ausgelagert werden. Das darf nicht sein.
Dennoch ist die Gesetzgebung in einem gewissen Maß auch auf die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen angewiesen, denn nicht alle zu regelnden Lebenssachverhalte sind vorhersehbar und eine Abstrahierung vom Einzelfall ist für eine überschaubare Gesetzgebung erforderlich. Insofern wird den Gerichten immer ein gewisser Auslegungsspielraum verbleiben, der sich aber an bestimmten Auslegungsmethoden (grammatisch, historisch, teleologisch, systematisch) orientieren muss und den Wortlaut nicht überschreiten darf.
Die in dem Schreiben angesprochene Befürchtung einer „Reise in den Richterstaat“ ist durch Gesetzgebung entgegenzuwirken, die sich streng an die Gebote von Normenklarheit und Bestimmtheit hält. Wir werden auch weiterhin unseren Beitrag dazu im Bundestag leisten.

zu 2. Auch nach Auffassung der LINKEN ist die gleichzeitige Wahrnehmung eines Richteramts und eines Kommunalmandats nicht mit § 4 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) vereinbar. Kommunale Körperschaften sind klassische Träger der vollziehenden Gewalt und unterfallen daher dem Verbot aus § 4 Absatz 1 DRiG. Soweit teilweise argumentiert wird, dass bei funktionaler Betrachtungsweise die Mitglieder kommunaler Körperschaften ein politisches Mandat hätten, dessen Ziel vorwiegend Rechtsetzung und politische Gestaltung sei, nicht aber Verwaltung, ist dem entgegenzusetzen, dass diese legislative Tätigkeit Richterinnen und Richtern ebenfalls und zwar vollständig untersagt ist (§ 4 Absatz 1 und 2 DRiG). Soweit in der Praxis Richterinnen und Richter dennoch zugleich ein kommunales Mandat ausüben, ist das unzulässig.

zu 3. Tatsächlich ist die Auslegung des Bundesgerichtshofs (BGH) hinsichtlich der Rechtsbeugung nach § 339 StGB so eng, dass es kaum zu Verurteilungen kommen kann und kommt. Dabei hat sich der BGH vom eigentlichen Wortlaut der Vorschrift entfernt, nach der eigentlich jede unvertretbare Rechtsanwendung den objektiven Tatbestand erfüllen müsste und auf der subjektiven Tatseite es ausreichen müsste, wenn der Richter/die Richterin die Unrichtigkeit der Entscheidung für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Der Vorschlag von Bemmann, Seebode und Spendel einen minder schweren Fall der Rechtsbeugung einzuführen, könnte eine gute Lösung für das Problem bieten. Die Linksfraktion wird in dieser Wahlperiode die Einbringung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs prüfen.

zu 4. Die richterliche Unabhängigkeit ist ein zentrales Gut in einem Rechtsstaat. Zu Ihrer Stärkung und Beschränkung politischer Einflussnahme hat die Fraktion in der 17. Wahlperiode zwei Gesetzesinitiativen in den Bundestag eingebracht (Bundestagsdrucksachen 17/11701, 17/11703), mit denen sie unter anderem das derzeitige Beförderungssystem bei der Richterschaft abschafft. Die richterliche Unabhängig darf aber nicht dazu führen, dass auch außerhalb der rechtsprechenden Tätigkeit (Verwaltungstätigkeit, außerdienstlicher Bereich) keinerlei Kontrollmöglichkeit besteht, daher enthalten auch die erwähnten Initiativen Aufsichtsstrukturen über Richterinnen und Richter im Gerichtsverfassungsgesetz statt wie bisher in den Gesetzen über die Fachgerichtsbarkeiten. Außerdem bleibt § 26 Absatz 2 DRiG erhalten, der einen Vorhalt zur ordnungsgemäßen Ausführung eines Amtsgeschäfts oder die Ermahnung zur ordnungsgemäßen, unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte ermöglicht.

Beste Grüße
Michael Schlecht