Volkmar Zschocke
Mathias Volkmar Zschocke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wolfgang T. •

Frage an Mathias Volkmar Zschocke von Wolfgang T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Mathias Volkmar Zschocke,

auf Grund der bevorstehenden Landtagswahlen bitte ich um Auskunft zu 2 Schwerpunktthemen, die im September im Bundestag verabschiedet werden sollen. Dabei interessiert mich ihre Grundhaltung zu den Themen Impfzwang (Körperverletzung) und CO2 Steuer. Dabei sollte ihre Antwort zum Impfzwang nicht ohne Kenntnis des Buches von Dr. med. Gerhard Buchwald „Impfen, das Geschäft mit der Angst“ erfolgen.

Freundliche Grüße aus Chemnitz, das Tor zum Erzgebirge von
W. T.

Volkmar Zschocke
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr T.,

ich bin Impfbefürworter. In Bezug auf eine generelle Impfpflicht war und bleibe ich allerdings skeptisch. Ich möchte nicht zum Impfen zwingen, sondern vom Impfen überzeugen, d.h. Aufklärung und Beratung statt Zwang. Ich halte es für vertretbar, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern zur Voraussetzung für den Besuch einer Kita zu machen. Als Gesundheitspolitiker halte ich von der gegenwärtige Engführung auf die Frage „für oder gegen Impflicht“ nicht viel. Die gegenwärtige Debatte birgt die Gefahr, dass all die Maßnahmen in den Hintergrund rücken, die bereits jetzt rechtskonform ergriffen werden können und auch müssen, um die Impfquoten wieder deutlich zu steigern und Impflücken bei den Masern schnell zu schließen. Lassen Sie mich daher meine Haltung begründen:

Fehlende Impfungen gehören leider zu den größten globalen Gesundheitsbedrohungen. Ich gehe davon aus, dass die Ausrottung der Masern medizinisch möglich ist. Doch sie wird verhindert, weil die notwendigen Impfraten nicht erreicht werden. Daher müssen alle Maßnahmen geprüft und umgesetzt werden, die wirksam dazu beitragen, den Schutz aller Kinder und Erwachsener vor einer so hoch ansteckenden und potenziell tödlichen Krankheit wie Masern zu erreichen.

1. Wir alle sind verpflichtet, für ausreichenden Impfschutz von uns und unseren Kindern zu sorgen. Wir alle sind in der Pflicht, unseren Impfstatus in Bezug auf gefährliche Infektionskrankheiten regelmäßig prüfen zu lassen.

2. Es ist eine genaue Analyse notwendig, welche Gruppen in Sachsen Impflücken haben. Wir müssen die Impfhemmnisse in den Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Geflüchteten, Migranten oder Senioren genau zu identifizieren. Über 95 Prozent der Kinder haben z.B. die erste Masernimpfung, doch dann scheitert bei einigen der vollständige Schutz an der zweiten Impfung. Das Ziel muss eine Quote von mindestens 95 Prozent in allen Altersgruppen sein. Problematisch sind die großen Impf-Lücken bei jungen Erwachsenen, die nur einmal gegen Masern geimpft wurden. Die Gruppen mit Impflücken müssen proaktiv angesprochen und erinnert werden. Der Impfstatus muss besser dokumentiert werden. Ein wichtiger Schritt dafür ist, künftig Impfausweis und Impfplan auf der elektronischen Gesundheitskarte zu speichern.

3. Gegen schlichtes „Vergessen“ helfen zum Beispiel Recall-Systeme. Kassen, Kinderärzte, Hausärzte, betriebsärztliche Dienste – die regelmäßige Kontrolle des Impfstatus muss überall etabliert werden. Es gibt dafür viele Anlässe, z.B. Schwangerenvorsorge, Mutterpass, Erste-Hilfe-Kurse, Schulwechsel, Aufnahme-, Einstellungs- oder Gesundheitsuntersuchungen. Auch die Untersuchung in einer Erstaufnahmeeinrichtung ist ein Anlass zur Impfung. An allen Erstaufnahme-Standorten werden Impfsprechstunden angeboten. Die Kosten trägt die Landesdirektion. Personelle Ressourcen und verständliche Aufklärungstexte sind wichtig. Kommunikation und Wissensvermittlung zum Impfen müssen in allen Alters- und allen Bevölkerungsgruppen verbessert werden.

4. Es muss möglich sein, ohne große Hürden und Wartezeiten fehlende Impfungen unkompliziert nachzuholen. Hier kommt dem öffentlichen Gesundheitsdienst eine große Aufgabe zu, die er auch bewältigen muss. Die Anforderungen beim Infektionsschutz steigen. Die Gesundheitsämter brauchen wieder mehr Personal, um auch vor Ort gehen und in den Einrichtungen Beratung und Impfungen anbieten zu können. Es muss auch möglich sein, dass Kinderärzte die Eltern nach ihrem Status fragen und gleich mitimpfen, wenn diese Impflücken haben. Und natürlich müssen Lieferengpässe von Impfstoffen unbedingt vermieden werden.

5. Der Nachweis der ärztlichen Beratung in Bezug auf den Impfschutz ist zwingend, wenn Kinder eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen. Eltern sind in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die eigenen Kinder andere Kinder nicht gefährden. Denn in den Einrichtungen sind Kleinkinder, die noch keinen vollständigen Impfschutz haben. Auch chronisch kranke Kinder können mitunter nicht geimpft werden, weil ihr Immunsystem dafür zu schwach ist. Deswegen ist es verantwortungslos, diese Kinder bewusst einer Ansteckungsgefahr auszusetzen.

Wenn nachgewiesen ist, dass das Gefährdungsrisiko in Kindergärten, Schulen und anderen Einrichtungen anders nicht in den Griff zu bekommen ist, wäre das letzte Mittel, die Impfpflicht gesetzlich zu verankern. Ich habe das aber nie gefordert. Eine gesetzliche Impflicht klingt zunächst nach einer einfachen Lösung, was sie aber nicht ist. Denn sie muss auch praktisch durchgesetzt werden können. Sie darf nicht kontraproduktiv wirken. Es wäre fatal, wenn nach der Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht die Impfbereitschaft sinken und das hohe Vertrauen in die Vorteile von Impfungen beschädigt würde. Und sie müsste dann auch den erwartbaren juristischen Angriffen sicher standhalten - immerhin geht es um einen erheblichen Grundrechtseingriff.

Zum CO2 Preis: Ich bin grundsätzlich dafür, das bei der Preisbildung die umweltökonomischen Gesamtkosten von Produkten und Prozessen betrachtet werden, also die Auswirkungen, die unsere Aktivitäten auf die Umwelt haben bzw. auch den Wert einer intakten Umwelt für uns, kommende Generationen und unsere Mitgeschöpfe. Es darf nicht länger darum gehen, allein nur den Einsatz von Arbeit und Kapital im Blick zu haben, sondern auch die natürlichen Ressourcen, die verbraucht werden oder als Auffangbecken für Rest- und Schadstoffe genutzt werden – wie zum Beispiel die Atmosphäre.
Deshalb ist es richtig, CO2 einen Preis geben. Es ist richtig und auch logisch, auf fossile Kraft- und Brennstoffe einen Preis-Aufschlag zu erheben, der über die Zeit anwächst. Dieser Aufschlag soll die Kosten der Klimaschäden abbilden, die bereits heute Realität sind. Es ist quasi eine Müllgebühr für den klimazerstörenden CO2-Abfall. Die Einnahmen sollen als Energiegeld an alle Bürgerinnen und Bürger wieder zurückgehen.

Dadurch entsteht ein Klimaausgleich, der klimaschützendes Verhalten fördert: Wer mit dem Fahrrad oder einem Kleinwagen fährt und energiebewusst heizt, zahlt weniger ein als er rausbekommt und hat am Jahresende Plus gemacht. Wer einen SUV fährt und eine Penthouse Wohnung beheizt, der zahlt mehr ein, als er rausbekommt. Wer das Klima schont, hat einen ökonomischen Nutzen, wer das Klima schädigt, muss dafür aufkommen. Gleiches gilt für Unternehmen: Unternehmen, die auf Grund ihrer Technologie viel CO2 erzeugen, haben derzeit zu wenig Anreize und Möglichkeiten auf klimafreundliche Technologien umzustellen. Sie zahlen bisher zu wenig für ihren CO2-Müll. Verantwortlich zu handeln, wird heute nicht ausreichend honoriert und unterstützt. Deshalb wollen wir im Emissionshandel einen Mindestpreis einführen.

Der CO2-Preis schafft Gerechtigkeit und steigert mittelfristig auch die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt - denn Klimaschutz ist ein globaler Zukunftstrend. Ökologisch ehrliche Preise schaffen Anreize für Innovationen und Investitionen in klimaverantwortliche Produkte und Produktionsweisen. Bei der Ausgestaltung des Klimaausgleichs sind für uns folgende Grundprinzipien entscheidend:

Wir wollen einen ökologisch wirksamen CO2-Preis. Dazu muss der CO2-Preis möglichst viele Sektoren erfassen. Von entscheidender Bedeutung für die Lenkungswirkung ist zudem, dass es einen planbaren und verlässlichen Preispfad gibt. Die CO2-Preise sollen sich mittelfristig an den realen CO2-Schadenskosten orientieren.

Der CO2-Preis muss sozial gerecht ausgestaltet sein. Der CO2-Preis muss aufkommensneutralausgestalten werden, der Staat soll darüber keine neuen Einnahmen generieren. Die Einnahmen fließen an die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft zurück, diejenigen mit wenig Geld in der Tasche profitieren grundsätzlich. Klimafreundliche Alternativen müssen massiv ausgebaut werden, damit alle die Möglichkeit haben, umzusteigen. Entscheidend ist, dass man mit einem maßvollen CO2-Preis beginnt, der dann stetig anwächst. So kann jeder in den nächsten Jahren sein Verhalten anpassen.

Der CO2-Preis muss ökonomisch wirksam sein, dies gilt umso mehr bei einer nationalen Einführung. Es braucht Regelungen, die verhindern, dass energieintensive Industrien einfach ins Ausland verlagert werden. Die Wirtschaft insgesamt muss beim Umstieg auf klimafreundliches Wirtschaften unterstützt werden.

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