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Martin-Sebastian Abel
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Frage von Reiner B. •

Frage an Martin-Sebastian Abel von Reiner B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Abel.

In der Anfrage durch Frau Lück zum Thema COVANCE geben Sie an, für die Industrie keine Vorgaben machen zu können.
Das verwundert mich sehr, da Sie ebenfalls angeben, daß o.g. Forschungseinrichtung der staatlichen Kontrolle unterliegt.

Verhält es sich hier ähnlich, wie bei Ihre Aussagen zum Delfinarium Duisburg?
Hier haben die Grünen vergangenes Jahr gegen den Antrag auf ein Verbot der Delfinhaltung der Piratenpartei gestimmt, obwohl ihre Partei sich zuvor mehrfach gegen die Delfinhaltung ausgesprochen hat.

Ihrer Aussage nach regelt die Mindestanforderungen der Bund, das Land NRW habe keine rechtliche Möglichkeit, die Haltung einer Tierart in einem Zoo zu untersagen.

Nach §68 NRW Landschaftsgesetz (“die Tiere so gehalten werden, dass den biologischen und den Erhaltungsbedürfnissen der jeweiligen Art Rechnung getragen wird, insbesondere die jeweiligen Gehege nach Lage, Größe, Gestaltung und inneren Einrichtungen verhaltensgerecht ausgestaltet sind…”) sehe ich das anders.

Weiter gibt es eine gesetzliche Anordnungsmöglichkeit (§ 68 (3)): “Wenn sich entsprechend dem Stand der Wissenschaft die Anforderungen an die Haltung
von Tieren in Zoos nachträglich ändern, kann die untere Landschaftsbehörde die erforderlichen Anordnungen treffen.”
Hier hätte es viel Spielraum für eine erforderliche Anordnung gegeben!

Ihre Gegenstimme zum Antrag auf ein Verbot der Haltung von Delfinen ließ zwangsläufig einen Fraktionszwang mit der SPD erahnen.

In der Bürgeranfrage durch Frau Lück verweisen Sie im Falle eines konkreten Hinweises auf Verstoss gegen das Tierschutzgesetz auf die zuständige Ermittlungsbehörde.

Meine Fragen an Sie, Herr Abel, lautet:

1.) Ist es Ihnen als tierpolitischer Sprecher des Landes NRW tatsächlich nicht möglich, Schritte gegen die illegale Primatenhaltung bei COVANCE einzuleiten?
2.) Welchen Handlungsspielraum ermöglicht Ihnen die Ausübung Ihres Amtes im Falle eines Verstosses gegen das Tierschutzgesetz?

Vielen Dank für eine Antwort

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bent,

ich danke Ihnen für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.

Zunächst möchte ich auf das Thema Delfinarium eingehen:
Bereits 2008 hatte die Grüne Fraktion einen Antrag mit dem Titel „Die Gefangenschaft von Delfinen unverzüglich beenden< http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/16/091/1609102.pdf >“ in den Bundestag eingebracht und damit eine breit geführte öffentliche Diskussion losgetreten. Der Antrag wurde leider von der Großen Koalition abgelehnt, aber als Reaktion darauf haben CDU und SPD 2009 einen Entschließungsantrag beschlossen, der die Bundesregierung aufforderte, die Haltungsbedingungen von Delfinen zu überarbeiten. Sie haben also explizit diese Tierart herausgegriffen mit dem Ziel, die Haltungsbedingungen für Delfine wissenschaftlich zu überarbeiten. Daraus wurde eine komplette Überarbeitung der Mindestanforderungen für alle Tierarten in unseren Zoos, der insgesamt drei Jahre andauerte.
Die Mindestanforderungen zur Haltung von Tieren in Zoos werden im sog. Säugetiergutachten< http://www.saeugetiergutachten.de/images/haltungsaeugetiere2014.pdf > geregelt. Dieses Gutachten wird durch Vertreter des Bundesministeriums und der Zooverbände, aber auch durch Beteiligung von Tierschutzvertretern erarbeitet. Auch wenn es nicht den Rang einer Rechtsverordnung hat, anders als zum Beispiel in der Schweiz oder in Österreich, gilt es als Leitlinie für Behörden, und auch vor Gericht wird dieses Gutachten oft als Sachverständigengutachten verwendet.
Letztlich konnten wir also durch eine Grüne Initiative erreichen, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium in einem mehrjährigen Sachverständigenprozess das „Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren“, das sogenannte Säugetiergutachten, novelliert hat. Die Sachverständigen konnten sich nicht bei allen Tierarten einigen. Diese Dissense werden in einem Differenzprotokoll festgehalten. Den wohl grundsätzlichsten Dissens gibt es bei den Delfinen. Bei den Haltungsbedingungen für Delfine wurde tatsächlich nichts geändert, obwohl die Delfine eigentlich der Ausgangspunkt für die Novellierung des gesamten Gutachtens waren.
Deswegen ist es umso wichtiger, dass diese Mindestanforderungen in einem wissenschaftlich sauberen Verfahren erarbeitet werden. In einer Stellungnahme< http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST16-1614.pdf > haben die Tierschutzsachverständigen darauf hingewiesen, dass sie nicht alle erforderlichen Grundlagen für eine Beurteilung über die artgerechte Haltungen von Delfinen erhalten hätten.
Unser NRW-Umweltminister Johannes Remmel hat deshalb in einem Brief an den zuständigen Bundesminister dazu aufgefordert, dem offenkundigen Nachbesserungsbedarf beim Säugetiergutachten nachzukommen. Auch PETA hatte darüber berichtet< http://www.veganblog.de/2014/08/13/umweltminister-nrw-fuer-ende-der-delfinhaltung/#.VDQWkL7w6Qo >.
Die Mindestanforderungen zur Haltung von Tieren werden also im Säugetiergutachten der Bundesregierung geregelt. Dieses wurde im Mai 2014, wenige Tage nach der Anhörung im Landtag, durch das zuständige Bundesministerium veröffentlicht. Die Anhörung, die von uns beantragt wurde, hat gezeigt, dass es keine Grundlage für Anordnungen nach dem Landschaftsgesetz gibt und somit auch keine Handlungsmöglichkeiten für die Landesebene.
In der Koalition gibt es unterschiedliche Überzeugungen und Auffassungen über die Frage der Haltung von Delfinen in Zoos. Wir sind uns aber darin einig, dass die im Antrag der Piraten suggerierten Handlungsmöglichkeiten auf Landesebene nicht gegeben sind und haben den Antrag deshalb gemeinsam abgelehnt.
Ausführlichere Informationen haben wir in unserem FAQs auf unserer Website und in einem Video zusammengestellt:
http://gruene-fraktion-nrw.de/aktuell/aktuelldetail/nachricht/faq-zur-delfin-haltung.html
http://youtu.be/SueThcn06Ns
Zu Ihren Fragen zu COVANCE zunächst einige Klarstellungen: sie schreiben von "illegaler" Haltung. Dies suggeriert, dass es sich dabei um eine nicht rechtskonforme bzw. nicht genehmigte Haltung handeln würde. Dafür habe ich keine Hinweise. Das heißt nicht, anders als Frau Lopez und Frau Lück das behaupten, dass ich diese Einrichtung für gut heiße. Die Gesetzeslage ist aber eindeutig und wenn es keine Hinweise auf rechtswidriges Verhalten gibt, kann ich auch nichts machen. Wenn etwas rechtlich in Ordnung ist, heißt das noch lange nicht, dass es ethisch in Ordnung ist.

1) ich werde Ihre Fragen zum Anlass nehmen, noch einmal Akteneinsicht zu nehmen. Die Auskunft der Behörden war jedoch, dass rechtlich (siehe Anmerkung oben!) alles in Ordnung sein.

2) sollten sich Hinweise ergeben, könnte ich mich, wie jeder andere BürgerIn auch, damit an die Staatsanwaltschaft wenden. Wir haben als Legislative keine rechtliche Möglichkeiten, eine genehmigte Haltung zu untersagen oder Behörden Anweisungen dazu zu geben.

Freundliche Grüße
Martin Abel