Portrait von Martin Rosemann
Martin Rosemann
SPD
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Frage von Günter B. •

Warum kann man dem David Ukraine gegen den Goliath Russland keine angemessene Schleuder von deutscher Seite aus senden? Zumindest die eingemotteten Leos könnte man fit machen und lent und leasen.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Nachricht zum Thema Waffenlieferungen an die Ukraine. Lassen Sie mich zunächst sagen, dass wir als Bundesregierung und als SPD-Bundestagsfraktion fest an der Seite der Ukraine stehen, die den völkerrechtswidrigen und unprovozierten Angriff Russlands abwehrt. Mit dem Sondervermögen von 100 Mrd. Euro beendet die Bundesregierung nun die Praxis der jahrzehntelangen Mittelkürzungen und Sparmaßnahmen im Bereich der Bundeswehr. Durch den furchtbaren Krieg in der Ukraine ist noch einmal deutlich geworden, dass die Bundeswehr nur eingeschränkt in der Lage ist, die Pflicht zur Bündnisverteidigung im Rahmen der deutschen NATO-Mitgliedschaft zu erfüllen. Genau diese Fähigkeit ist aber für Bündnispartner, insbesondere in Osteuropa, aber auch darüber hinaus essentiell. Zudem verändert die russische Aggression die europäische Sicherheitsordnung gravierend. Es braucht deshalb aus meiner Sicht eine einsatzbereite und moderne Bundeswehr, die zur Bündnisverteidigung in der Lage ist. Wie Bundeskanzler Scholz schon mehrfach betont hat, steht Deutschland zur Beistandspflicht der NATO.

Die seit Wochen und Monaten anhaltende Kritik daran, dass Deutschland keine oder zu wenig Waffen liefern und damit seiner Verantwortung gegenüber der Ukraine nicht gerecht werden würde, kann ich nicht teilen. Wir liefern Waffen und Ausrüstung aus den Beständen der Bundeswehr - und gehen dafür bis an die Grenze dessen, was wir mit Blick auf unsere Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit verantworten können. Eine stets aktuelle Liste der erfolgten und geplanten Lieferungen, darunter mit der Panzerhaubitze 2000 und dem Mehrfachraketenwerfer MARS II auch schwere Artillerie, finden Sie auf der Webseite der Bundesregierung unter folgendem Link: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/krieg-in-der-ukraine/lieferungen-ukraine-2054514. Neben schweren Waffensystemen hat Deutschland jedoch auch weitere militärische Unterstützung gesandt, beispielsweise in Form von Munition und Panzer- sowie Flugabwehrwaffen, aber auch Sanitätsmaterial.

An den aktuellen Erfolgen der Ukraine zeigt sich, dass die Unterstützung Deutschlands und der internationalen Partner wirkt, dass die russische Invasion durch die gelieferten Waffen höhere Verluste zu verzeichnen hatte als ursprünglich erwartet und die Ukraine in die Lage versetzt wurde, besetztes Territorium von russischen Besatzungstruppen zu befreien.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen, warum ich eine Lieferung schwerer Kampfpanzer westlicher Bauart zurzeit nicht für sinnvoll halte: Der Krieg in der Ukraine hat bereits jetzt gravierende Auswirkungen auf unsere Energieversorgung, unsere Wirtschaft und unseren Alltag. Deshalb bin ich ebenso wie Bundeskanzler Scholz der Meinung, dass eine weitere Eskalation des Konflikts vermieden werden muss. Dabei ist es in keinster Weise hilfreich, wenn Deutschland in dieser Situation Alleingänge ohne die Unterstützung und Zusammenarbeit internationaler Partner unternimmt. Die Geschlossenheit des Westens ist zentral für den Erfolg der Ukraine. Außerdem darf der Westen darf nicht zur Kriegspartei werden. Kein Staat hat bisher Kampfpanzer westlicher Bauart geliefert, auch nicht die USA.

Zudem zeigt sich, dass die Bundeswehrbestände weitere Waffenlieferungen kaum noch zulassen. Weder unsere Freunde in den baltischen Ländern noch andere NATO-Staaten werden Verständnis dafür aufbringen, wenn wir die für den Fall der Bündnisverteidigung nach Litauen zu verlegenden Panzer jetzt in die Ukraine liefern und die Fähigkeit der Bundeswehr zur Bündnisverteidigung damit entscheidend schwächen. Wir sind bereits an den Grenzen dessen angelangt, was wir verantwortbar aus Beständen der Truppe abgeben können, sodass die Bestände erst über das Sondervermögen in der nahen Zukunft wieder aufgestockt werden müssen. Schließlich wäre für ukrainische Soldatinnen und Soldaten auch eine langwierige Ausbildung an den westlichen Kampfpanzern erforderlich. Solange Panzer sowjetischer Bauart zur Verfügung stehen, ist ein Ringtausch aus meiner Sicht nach wie vor die sinnvollere Vorgehensweise.

Bundeskanzler Olaf Scholz wird zurzeit häufig für seine angeblich zögerliche Haltung bei den Waffenlieferungen kritisiert – ich sehe das nicht so. Natürlich ist die Situation, dass es wieder Krieg in Europa gibt, für viele Menschen furchtbar und ebenso wie die russischen Kriegsverbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung nur sehr schwer zu ertragen. Auch ich empfinde das so. Insbesondere für junge Menschen, die die Kriege auf dem Balkan in den 1990er Jahren nicht mehr miterlebt haben, ist militärische Gewalt durch eine völkerrechtswidrige Invasion auf dem europäischen Kontinent eine völlig neue und schreckliche Erfahrung. Doch gerade in einer solchen Situation brauchen wir aus meiner Sicht einen besonnenen Kanzler, der sich nicht durch überstürzte Handlungen zu katastrophalen Fehlern hinreißen lässt, sondern Entscheidungen wohlüberlegt und in Abstimmung mit Deutschlands internationalen Partnern trifft – und das tut Olaf Scholz.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Ansichten verständlich machen.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Rosemann MdB

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