Wie stehen Sie zur Chatkontrolle?
Sehr geehrte Frau Geugjes,
mit Sorge erwarte ich die Abstimmung zu Deutschlands Haltung zur Chatkontrolle, wie sie im EU-Parlament eingeführt werden soll. Denn in Deutschland verbietet das Telekommunikationsgeheimnis (früher auch Fernmelde- & Briefgeheimnis) das unbefugte Unterdrücken, Verwerten oder Entstellen von Fernmelde-, Fernschreib-, Fernsprech-, Funk- und Telegrafie-Botschaften. Zusätzlich bietet das „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ Sicherheit für die private Kommunikation. In der EU-Grundrechte-Charta ist dies in Artikel 7 festgeschrieben „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation“. Mit dem neuen Gesetzesentwurf würden diese Grundrechte empfindlich eingeschränkt, wenn nicht ad absurdum geführt. Ich hoffe, Sie verstehen, dass die Chatkontrolle eine massive Einschränkung unserer Freiheitsrechte mit sich brächte - ohne größeren Nutzen.
Sehr geehrte Frau L.,
vielen Dank für Ihre Frage zur geplanten EU‑CSA‑Verordnung und die damit verbundenen Fragen des Grundrechtsschutzes in der digitalen Kommunikation. Bündnis 90/Die Grünen treten für einen wirksamen Schutz von Kindern und zugleich für die unbedingte Wahrung von Vertraulichkeit und Integrität privater Kommunikation ein. Eine anlasslose Chatkontrolle lehnen wir daher klar ab, ebenso jede Schwächung von Ende‑zu‑Ende‑Verschlüsselung etwa durch Client‑Side‑Scanning oder Hintertüren.
Die Vertraulichkeit der Kommunikation ist Kern unserer freiheitlichen Ordnung und darf nicht durch massenhafte, verdachtsunabhängige Inhaltsprüfungen ausgehöhlt werden. Verfahren mit hohen Fehlalarmraten gefährden Grundrechte, binden Ressourcen und unterminieren Vertrauen, ohne die angestrebte Wirksamkeit zu belegen. Zugleich erkennen wir den legitimen Auftrag an, sexualisierte Gewalt gegen Kinder entschieden zu bekämpfen, jedoch mit rechtsstaatlich zielgerichteten Mitteln statt mit flächendeckender Überwachung
Konkret setzen wir auf präventive Maßnahmen, bessere Ausstattung und Spezialisierung der Strafverfolgung, schnelle Lösch- und Meldewege sowie klare „Safety‑by‑Design“-Pflichten für Diensteanbieter, ohne Verschlüsselung zu unterlaufen. Erkennungsanordnungen dürfen, wenn überhaupt, nur eng begrenzt, richterlich kontrolliert, zeitlich befristet und strikt verhältnismäßig in klar umrissenen Fällen erfolgen, nicht als allgemeine Hintergrundüberwachung. Starke Verschlüsselung schützt nicht nur Privatsphäre, sondern auch Wirtschaft, Behörden und Zivilgesellschaft – sie ist ein Sicherheitsgewinn, kein Hindernis.
Deutschland sollte in Brüssel auf eine Lösung hinwirken, die Kinderschutz effektiv macht, ohne das Telekommunikationsgeheimnis und die Vertraulichkeit der Kommunikation preiszugeben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Marilena Geugjes MdL

