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Marieluise Beck
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Frage von Christoph H. •

Frage an Marieluise Beck von Christoph H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Beck,
Sie haben mit dieser Frage eventuell schon gerechnet, die Abstimmung über das "Zugangserschwerungsgesetz" hatte ja im Vorfeld schon hohe Wellen geschlagen.

Nun, eben auch deshalb: Wieso haben Sie sich enthalten? Pro&Contra wurden doch hinreichend und für jedEn leicht zugänglich erörtert? Haben Sie tatsächlich "keine Meinung" zu diesem Thema? Wenn der Großteil ihrer Fraktion "dagegen" stimmt, dann nehme ich einmal an, dass eine Diskussionen stattgefunden haben muss, haben Sie daran nicht teilgenommen? Welche schwerwiegenden Gründe Für und Wider erschwerten die eindeutige Positionierung?

Wohin die Reise führt (dass haben alle progressiven Kräfte nach einigen Startschwierigkeiten auch unisono in Zeit/SZ/taz/aberhunderten von Blogs auch genau so prognostiziert), zeigt diese Pressemitteilung eines CDU-Kollegen:

Köln (ots) - Der CDU-Bundestagsabgeordnete und baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl will über die Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet hinausgehen und hat auch die Sperrung von Killerspielen ins Gespräch gebracht. “Wir prüfen das ernsthaft”, sagte er dem “Kölner Stadt-Anzeiger” (Freitag-Ausgabe). “Wir gehen nach Winnenden nicht zur Tagesordnung über. Wenn es einen Nachweis gibt, dass sich Killerspiele negativ auf das Verhalten Jugendlicher auswirken, dann kann das Internet kein rechtsfreier Raum sein.”

Würden Sie solch einer Ausweitung auch "neutral" gegenüber stehen? Falls nein, war es nicht absehbar, dass solche Forderungen aufkommen? BKA und GdP hatten ähnliches schon vor Monaten eingefordert. Könnte es sein, dass das "Überwachungs- und Zensurszenario" der Internetcommunity doch so einige Berechtigung hat?

MfG
Christoph Hoehl

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Höhl,

ich habe einen Tag nach der Abstimmung im Anschluss an eine Veranstaltung zum Datenschutz mit Peter Schaar lange Zeit mit jungen Leuten vom Bremer Chaos Computer Club über mein Abstimmungsverhalten diskutiert. Es wurde klar, dass unterschiedliche Perspektiven aufeinander treffen: die der jungen Leute, denen die Freiheit im Internet unendlich wichtig ist und meine, geprägt von 30 Jahren Arbeit im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Neben den kritischen Rückmeldungen aus der Internet-Community bekomme ich auch ganz entgegengesetzte Reaktionen von vielen grünen Frauen, die sich eine Zustimmung zum Gesetz gewünscht hätten.

Unicef hat in seinem Report 2009 gegen Ausbeutung von Kindern berichtet, dass das Blocken von Internetseiten in Norwegen sehr effektiv sei und als ein Baustein im Kampf gegen die rasante Ausbreitung von Kinderpornographie im Netz gelte. Zudem haben sechs Kinderschutzverbände in einem dringlichen Aufruf uns zur Zustimmung zum Gesetz aufgefordert. Wir Grünen sind auch eine Frauen- und Kinderschutzpartei.

Ein Gesetz hat immer auch Norm setzenden Charakter. So wurde uns Frauen immer entgegengehalten, dass ein Gesetz gegen Vergewaltigung in der Ehe keine Vergewaltigung verhindern würde, aber wir wollten das Gesetz u.a. auch deshalb, weil es eine gesellschaftliche Wertsetzung ausdrückte.

Wie ein Kommentar in der taz vom 19. Juni 2009 darlegt, ist dank der massiven Kritik am Gesetzentwurf dieser in entscheidenden Punkten revidiert worden. Ein Missbrauch der Internetsperre für andere Zwecke sei damit kaum möglich.

Eine große Gruppe von Frauen aus der grünen Bundestagsfraktion hat sich deshalb für eine Enthaltung entschieden. Eine Enthaltung ist aber keine Zustimmung. Ich möchte damit verdeutlichen, dass ich die Intention des Gesetzes teile auch wenn ich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in der vorliegenden Form nicht zustimmen konnte, weil es verfassungsrechtliche Bedenken gibt, der Datenschutzbeauftragten in seinem Amt entfremdet werden soll und das Gesetz die selbst gesteckten Ziele nicht erfüllen kann.

Auf meiner Internetseite können Sie meine persönliche Erklärung nachlesen und finden Links zur Stellungnahme der sechs Kinderschutzverbände und zum Kommentar der taz.

http://www.marieluisebeck.de/pers_erkl_gesetz_kinderpornographie

Mit freundlichen Grüßen
Marieluise Beck