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Margit Jung
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Frage von Dieter M. •

Frage an Margit Jung von Dieter M. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Jung,

Sie sprechen von 2000 zusätzlichen Stellen an Erzieherinnen für Kindertagesstätten, die dann in den freien Wohlfahrtsverbänden eingesetzt werden, weil die Stadt Gera nicht mehr über kommunale Einrichtungen verfügt u.die Gründe Frau Jung sind Ihnen sicher bekannt.
Wie soll das finianziert werden ? Die Tarifpolitik zwischen den freien Trägern und den Städten die noch kommunale Einrichtungen haben, stehen in keinem Zusammenhang mehr was die Lohnpolitik betrifft. Pädagogen in der freien Trägerschaft zählen seit Jahren nicht mehr unter die jenigen, wo man von Gehalts u. Lohnanpassungen spricht. Im Gegenteil, einige Verbände strichen sogar Zuatzleistungen, wie Urlaubs u. Weihnachtsgeld.
In vielen Orten streikten Erzieher von städtischen Einrichtungen für bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung mit Unterstützung " der Gewerkschaft ".
Aber wer steht hinter den freien Trägern , die das gleiche Recht haben !
Oder anders gefragt Frau Jung, ist es an der Zeit wo auch Wohlfahrtsverbände streikend ihre Forderungen bekunden sollen?
2000 zusätzliche Stellen, wer soll die bezahlen u. wie wollen Sie unter diesen Bedingungen neue Kapazitäten überzeugen Erzieherin zu sein.

Mit freundlichen Grüßen
Dieter Mahal

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Mahal,

vielen Dank für Ihre Frage. Nicht nur ich spreche von 2000 zusätzlichen Erzieherinnen, die in Thüringer Kindertagesstätten fehlen, das Volksbegehren für eine bessere Familienpolitik ebenso wie wissenschaftliche Gutachten. Diese 2000 zusätzlichen Erzieherinnen sind eine Forderung, die für alle Kinder in Thüringen, die sowohl kommunale als auch Kindertagesstätten in freier Trägerschaft besuchen, errechnet und gefordert werden. Der Korrektheit wegen, seit 1. August stellt die Landesregierung für jedes Krippenkind 50 Euro bereit, es sollen daraus 400 Stellen geschaffen werden, was wir nicht nachvollziehen können.

Die Veränderung des KITA- Gesetzes durch die CDU, trotz intensivster Proteste hat viele Einschnitte für eine hohe qualitative Bildung und Betreuung der Kinder in Kindertagesstätten gebracht. Besonders für Kinder im Krippenalter, wo der Personalschlüssel mehr als halbiert wurde, vorher 2 Erzieherinnen für 8 Kinder jetzt 1 Erzieherin für 7 Kinder, sind die Auswirkungen gravierend. Dazu kommt, daß mit dem Gesetz das Krippenalter für Kinder von dem bundesweiten Standard von 0-3 Jahren, auf 0-2 Jahre abgesenkt wurde und auch dadurch, das notwendige Personal nicht zur Verfügung steht. Darüber hinaus finden Ausfallzeiten wie Urlaub und Krankheit keine Berücksichtigung. Die Folgen sind u.a. hohe Kinderzahlen in den Gruppen, wodurch die individuelle Förderung jedes Kindes fast unmöglich wird und der anspruchsvolle Bildungsplan nicht umgesetzt werden kann. Das führt wiederum zur Unzufriedenheit der Erzieherinnen, die an ihren Beruf einen hohen Anspruch stellen und durch die ständige und dauerhafte Überbelastung überdurchschnittlich krankheitsbedingt ausfallen. Es ist nur dem überdurchschnittlichen Engagement der Erzieherinnen, aber auch der Eltern zu verdanken, daß die hohe Qualität an den Kindertagesstätten noch gehalten wird.

Für mich sind Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen und Bildung ist hoheitlich Ländersache und damit können höhere Kosten nicht fortwährend auf die Kommunen übertragen werden. Bildung von Anfang an ist für die Zukunft unseres Landes sehr wichtig. Bildung ist für alle Kinder chancengleich zu gestalten, und muß deshalb kostenfrei sein. Dazu gehört selbstverständlich auch ein kostenfreies Mittagessen.

Sie fragen, wie das finanziert werden soll. Ich denke, in anbetracht der gegenwärtigen Situation, wo Banken Milliarden Hilfen bekommen, erhält Ihre Frage sowieso eine andere Dimension. Aber, die LINKE hat alle Aussagen ihres Regierungsprogramms, und dazu gehören die 2000 Erzieherstellen, berechnet. 2000 Erzieherstellen kosten insgesamt ca. 84 Millionen, bei einem Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr. Wenn man bedenkt, daß die CDU aus den Kindertagesstätten ca. 50 Millionen herausgezogen hat und die Kommunen jetzt schon höhere Finanzen für die Kindertagesstätten zur Verfügung stellen, kann man den Mehrbedarf durchaus finanzieren.

Und nun komme ich zu Ihrer Frage nach der unterschiedlichen Gestaltung der Tarifpolitik der freien Träger und der kommunalen Einrichtungen. Ja, in diesem Land ist es leider so, daß man für gleiche Arbeit, nicht gleiches Geld verdient. Das ist kein Geraer Phänomen. Sondern leider gelebte Praxis. Die Wohlfahrtsverbände in Deutschland, in Thüringen und natürlich auch in Gera übernehmen vielfältige Aufgaben, um den sozialen Frieden in diesem Land zu bewahren. Sie übernehmen aber auch sogenannte Pflichtaufgaben des Staates, die durch den Staat zu finanzieren sind. Das trifft auch auf die Finanzierung der Kindertagesstätten zu. Die Wohlfahrtsverbände sind aber auch eigenständige Unternehmen. Und damit haben diese auch das Recht auf eigenständige Tarifabschlüsse, auch außerhalb des Tarifs des öffentlichen Dienstes. Für Wohlfahrtsverbände gilt nur und ausschließlich ein Besserstellungsverbot. Sie dürfen nicht über den Abschlüssen des Öffentlichen Dienstes vergüten. Mit der Übertragung der Kindertagesstätten in freie Trägerschaft hat der Gesetzgeber sehr bewußt die Pluralität der Anbieter gewollt. Das führt damit automatisch zu unterschiedlichen Vergütungsstrukturen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wohlfahrtsverbände waren bei dem Übergang zum freien Träger über dessen Tarifstruktur informiert und hatten auch die Möglichkeit, dem Übergang zu widersprechen. Die aktuelle Situation in Gera ist natürlich für die Erzieherinnen sehr unterschiedlich. Es gibt Verbände, die haben den TVÖD genau übernommen, viele haben einen eigenen Haustarifvertrag und andere haben keine Regelungen. Das ist von den Wohlfahrtsverbänden oft kein böser Wille, sondern liegt an deren Strukturen. Ein Verband kann oft nur eine Tariferhöhung vornehmen, wenn er für alle seine Bereiche (Krankenpflege, soziale Arbeit) die Refinanzierung erhält. Um so größer ein Verband, um so unterschiedlich die Aufgabenprofile, um so schwieriger.

Ich möchte sehr deutlich ausdrücken, daß ich persönlich mich jederzeit dafür einsetze, daß die Arbeitsleistungen der Erzieherinnen auch entsprechend vergütet werden. Aber so einfach kann man die Frage eben nicht beantworten.

Sie wissen, daß ich als Kreisvorstandsmitglied der Volkssolidarität seit 1 Jahr Mitglied der Tarifkommission bei den Tarifverhandlungen mit Verdi bin. Das die Verhandlungen nicht vorangekommen sind, liegt nicht an der Bereitschaft der Mitglieder seitens des Arbeitgebers. Ich wünsche mir, daß die Erzieherinnen bei den Wohlfahrtsverbänden nicht für Ihre Rechte streiken müssen, aber es ist ihr gutes Recht, um ihren Forderungen den entsprechenden Nachdruck zu verleihen.

Mit freundlichen Grüßen

Margit Jung