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Manfred Zöllmer
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Frage von Frank B. •

Frage an Manfred Zöllmer von Frank B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter,

beabsichtigen Sie dem deutschen Volk weiter zu schaden, indem Sie „Rettungsschirme“ unterstützen?
Auf http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/16-wege-aus-der-krise-sorge-um-deutschland-und-europa-11552994.html#Drucken wird eindrucksvoll das Fiasko der Eurokrise beschrieben. Die viel zitierten Auslandsüberschüsse, mit denen die Deutschen still gehalten wurden, entpuppt sich nun als unwahr.
„Exportüberschüsse sind für sich allein kein Ausweis einer Gewinnerposition, wie die Politik behauptet. Sie nützen einem Land nur, wenn es dafür sichere und marktgerecht verzinste Aktiva erwirbt, die es im Bedarfsfall zur Sicherung des Lebensstandards einsetzen kann, indem es entsprechende Leistungsbilanzdefizite realisiert. Müssen wir unsere Target-Forderungen gegen das EZB-System ganz oder teilweise abschreiben, dann waren unsere Exportüberschüsse mit den anderen Ländern der Eurozone insoweit Geschenke, die das Land nicht reicher gemacht haben. Die Bürger haben dann umsonst gearbeitet.“
Kalkulieren Sie weiterhin Verluste für deutsche Steuerzahler ein?
Was macht Sie um so viel schlauer als die Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftsexperten, die vor Rettungsschirmen warnten?
Mit wie viel Verlust muss Deutschland rechnen, sollte Deutschland dem Euro abschwören?
Als Sie für die Rettungsschirme stimmten, war das aus Gewissensgründen, oder mehr wegen dem Parteidruck?
„Eurobonds kämen Deutschland extrem teuer zu stehen, weil für die deutsche Staatsschuld zusätzliche Zinskosten im Umfang von mehreren Dutzend Milliarden Euro pro Jahr anfielen.“
Ist das in Ihrem Sinne?
Wie viele Generationen müssen in Deutschland zahlen, sparen und arbeiten, damit andere EU Länder weiter über ihre Verhältnisse leben können?
Ja, ich will von Ihnen klare Antworten, denn Sie sind mein Vertreter (zwar nicht von mir gewählt) im Bundestag. Schreiben Sie mir, was Sie dazu veranlasste solche schwerwiegenden Entscheidungen zu treffen.

Danke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Borgmann,

ich danke für Ihr Interesse und Ihre Anfrage.

Ich weiß, dass sich viele Bürgerinnen und bürger große Sorge machen in Anbetracht der täglichen Krisennachrichten zu Staatsverschuldung verschiedener Länder in Europa, der angeblichen Krise unserer Währung und den vielen Gipfeln auf EU-Ebene, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Am 4. Dezember 2011
wurde dem SPD-Parteitag in Berlin eine Resolution beschlossen, die ich Ihnen hier in meiner Antwort mit einfüge. Daraus können Sie sehr gut die Haltung der SPD und auch meine zur aktuellen Situation um unsere Währung und die Staatsschuldenkrise ablesen:

"Europa befindet sich in seiner schwersten Krise. Was als Finanzmarktkrise begann, sich als Schuldenkrise in einzelnen EU-Staaten fortsetzte, ist zu einer Vertrauenskrise geworden, die die Europäische Union in ihrem Kern bedroht. Schon längst geht es nicht mehr um das Schuldenproblem von Ländern an der europäischen Peripherie. Die Geburtsfehler der Währungsunion werden offenbar. Das gesamte institutionelle Gefüge der Europäischen Union steht auf dem Prüfstand. Wir müssen jetzt die Währungsunion weiter entwickeln zu einer echten Finanz-, Währungs- und Wirtschaftsunion. Andernfalls droht Europa Rückabwicklung und Zerfall.

Wir deutschen Sozialdemokraten stehen zur europäischen Verantwortung Deutschlands. Wir wissen, dass nur Europa unseren Frieden und unseren Wohlstand sichern kann. Wir wollen gemeinsam mit unseren europäischen Freunden und Partnern ein demokratisches und gerechtes Europa bauen. Mit uns gibt es kein Zurück in das Zeitalter der Nationalstaaten. Wir wollen, dass aus dieser Krise ein neues, ein stärkeres, ein sozialeres Europa entsteht!

Die mehrheitlich konservativ-liberalen Staats- und Regierungschefs haben gezeigt, dass sie nicht auf der Höhe der Herausforderung sind. Innenpolitisches Kalkül hat entschlossenes und zeitgerechtes europäisches Handeln verhindert. Vor allem in Deutschland haben innere Koalitionskonflikte die Handlungsfähigkeit nach außen blockiert. Ohne Kompass, ständig schwankend zwischen Ressentiment und europäischer Einsicht, wurde rechtzeitiges Eingreifen mehrfach verpasst. Wechselnde Botschaften, rote Linien, Ankündigungen und Dementis haben die Phantasie der Finanzmärkte eher beflügelt und die Krise sich weiter ausbreiten lassen. Angesichts des Versagens der Politik wurde die Europäische Zentralbank in die Rolle des politischen Akteurs gezwungen. Aber ohne ihr Eingreifen zur Stabilisierung der Währungsunion stünde Europa heute vor dem Ruin. Sie wird auch weiterhin eine zentrale Verantwortung haben.

Nur durch ein mutiges politisches Aufbruchssignal kommt Europa aus dieser Sackgasse heraus. Die von der deutschen Bundesregierung vorgeschlagene Vertragsanpassung wird nicht allein ausreichen, um die drängenden Probleme zu lösen. Jetzt ist schnelles Handeln erforderlich. Nötig ist ein „Bündnis zur Erneuerung Europas“. Ein solches politisches Aufbruchssignal wird gebraucht, um Europa Orientierung zu geben und das Vertrauen in seine Handlungsfähigkeit wieder herzustellen. Ein solches Bündnis muss das europäische Solidaritätsversprechen erneuern und alle Staaten in die Pflicht nehmen. Dieses Bündnis muss eine roadmap formulieren, die Europa in den nächsten fünf Jahren zu erledigen hat.
In sieben Bereichen sind klare Festlegungen und konkretes Handeln zwingend erforderlich, damit Europa gestärkt aus der Krise hervorgeht:

1. Wir brauchen ein klares Signal an die Märkte, dass Europa sich nicht auseinandertreiben lässt. Dabei gilt der Grundsatz, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. Der vorläufige Rettungsschirm muss effektiv genutzt und der permanente Stabilitätsmechanismus zeitlich so weit wie möglich nach vorn gezogen werden. Der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) muss der Nukleus eines Europäischen Währungsfonds sein.

2. Wir brauchen jetzt ein Europäisches Aufbauprogramm mit dem klaren Vorrang von Investitionen in die Realwirtschaft. Die einseitige Fixierung auf den Dienstleistungssektor muss aufhören. Wir brauchen in Europa eine Re-Industrialisierung mit dem Aufbau neuer Wertschöpfungsketten in den Leitmärkten der Zukunft. Wir brauchen eine europäische Initiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

3. Wir brauchen die Besteuerung der Finanzmärkte. Die Verursacher der Krise müssen bei ihrer Bewältigung mithelfen. Wenn es im Europa der 27 nicht möglich ist, muss die Euro-Gruppe vorangehen.

4. Wir brauchen verbindliche Regeln für die Finanzpolitik. Dazu gehören verbindliche Regeln für Verschuldungsobergrenzen und Sanktionen, deren parlamentarische Kontrolle gewährleistet sein muss. Die Übertragung von Hoheitsrechten darf kein Tabu sein.

Zu einer europäischen Finanzverfassung, die jetzt entstehen muss, gehören auch eine bessere Regulierung der Finanzmärkte, der Kampf gegen Steuerdumping und gemeinsame Bemessungsgrundlagen für Steuern wie die Unternehmenssteuer.

5. Wir brauchen eine intelligente Regelung für die Altschulden nach dem Vorbild des von den Wirtschaftsweisen vorgeschlagenen europäischen Schuldentilgungsfonds.

6. Wir brauchen die Möglichkeit, dass eine Kerngruppe bei der weiteren Harmonisierung ihrer Steuer- und Finanzpolitik vorangehen kann. Der Langsamste darf nicht das Tempo bestimmen.

7. Wir brauchen eine Neudefinition von Subsidiarität. Die Binnenmarktlogik darf kein Vorwand sein, um immer wieder bewährte Instrumente der Daseinsvorsorge in Frage zu stellen.

8. Wir brauchen einen Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa. Kein Land darf über und kein Land darf unter seinen Verhältnissen leben.

Die gegenwärtige Krise hat zudem die Defizite der europäischen politischen Ordnung offenbart. Die von den europäischen Staats- und Regierungschefs wesentlich bestimmten politischen Reaktionen auf die gegenwärtige Krise drohen die Gemeinschaftsinstitutionen zu schwächen. Um Europa eine neue Zukunftsperspektive zu geben, müssen wir auf längere Sicht einen neuen Anlauf für institutionelle Reformen nehmen:

Die Aufspaltung von Rats- und Kommissionspräsident hat sich als unpraktikabel erwiesen. Die beiden Positionen sollten daher zu einem Präsidenten der EU zusammengelegt werden, der durch das Europäische Parlament gewählt und abgewählt werden kann. Ein solcher „Präsident der Europäischen Union“ wäre damit der europäische Regierungschef.

Das Europäische Parlament muss zum vollwertigen europäischen Gesetzgeber werden, mit vollem Haushaltsrecht und eigenem Gesetzesinitiativrecht. Es wählt in freier und geheimer Wahl die EU-Kommission und bestimmt die Besetzung der Kommissionsmitglieder. Die EU-Kommission, die verkleinert werden muss, wird zur europäischen Regierung.

Dabei gilt der Grundsatz: Die Krise darf keine Rechtfertigung zur Beschneidung demokratischer Rechte sein. Europa kann nur als Europa der Bürgerinnen und Bürger erfolgreich sein.

Europa muss den Mut zu einer gemeinsamen Lösung der Krise haben, die mehr ist als nur der Versuch, das Schlimmste zu verhindern, sondern die Chance eröffnet, das europäische Einigungsprojekt in schwieriger Zeit neu zu begründen."

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Zöllmer, MdB