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Lars Klingbeil
SPD
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Frage von Holger H. •

Frage an Lars Klingbeil von Holger H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Klingbeil,

im Vorwärts-Interview von heute nehmen sie zu Netzthemen Stellung.

Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen – Ihr damaliger Chef, G. D. twitterte am 16. Juni um 13:24 Uhr „Ich bin auch gegen Netzsperren“ um dann 48 Std. später für das Zugangserschwerungsgesetz zu stimmen. Von Ihnen war damals kein Ton zu vernehmen. Auf dem außerordentlichen Parteitag am 14. Juni wurde von Matthias Platzeck die Frage nach Diskussionsbeiträgen an der Stelle so fix durchgezogen, dass niemand die Chance gehabt hat, die Hand dazu zu heben und sich zu melden. Auch hierzu haben Sie geschwiegen.
Nun tun Sie öffentlich kund, sich für die Interessen der Netznutzer einsetzen zu wollen.

Meine Fragen:

Was sind ihre ersten 5 Schritte in diesem Zusammenhang?
Bis wann werden Sie daran gemessen erste Ergebnisse vorlegen?
Wieviele Fraktions-Kollegen haben Sie dabei heute schon im Boot?
Was sollen wir tun, wenn Sie sich nicht an Ihr Wort halten?
Wie belegen Sie mir, dass Sie Ihr Fähnchen nicht nach dem Wind drehen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Herrmann

Die SPD hat in den vergangenen Monaten viele, offenbar auch Sie mit ihrem Kurs in der Debatte um Netzsperren enttäuscht. Das bedaure ich sehr. Ich habe gemeinsam mit anderen jüngeren SPD-Kandidaten vor der Wahl für ein Umdenken meiner Partei in dieser Frage gekämpft. Damit hatten wir, das müssen wir ganz offen sagen, damals keinen Erfolg. Ich habe in vielen Veranstaltungen im Wahlkampf und danach, gerade im Gespräch mit jungen Menschen auch öffentlich meine Position zu den Netzsperren deutlich gemacht. Beispielsweise auch in einer Fernsehsendung des Bayrischen Rundfunks, indem ich mich auch zu weiteren umstrittenen Maßnahmen der SPD äußere. Gestern, fast drei Monate nach der Wahl hat es in meiner Fraktion einen Kurswechsel gegeben. Führende SPD-Politiker mit Olaf Scholz an der Spitze fordern jetzt das Netzsperren-Gesetz zu kippen. Das hat sicherlich auch mit dem Einsatz von vielen jüngeren SPD-Politikern zu tun, die in der Fraktion und außerhalb für diesen Kurswechsel gekämpft haben. In erster Linie waren es aber die vielen vor allem jungen Menschen, die gegen die Pläne der Bundesregierung aufbegehrt und ihre Meinung deutlich geäußert haben, die dieses Umdenken in meiner Partei erreicht haben. Viele sagen jetzt das sei alles nicht glaubwürdig. Ich bin aber froh, dass meine Partei in dieser Frage die Größe hat zu sagen. "Was wir damals mit beschlossen haben war ein Fehler. Wir haben die fundierten Gegenargumente aus der Netzgemeinde gehört und daraus gelernt." Sie fragen wie viele meiner Fraktionskollegen mit im Boot seien. In den kommenden Wochen werde ich gemeinsam mit anderen einen Gesetzentwurf einbringen. Dann wird die gesamte SPD-Fraktion zeigen, wie sie steht.

Worauf es nun ankommt und das sage ich auch im Vorwärts-Interview, ist, dass die Debatte nun weitergeht. Der Schutz von Bürgerrechten und die Definition eines demokratischen Zusammenlebens im Netz endet ja nicht an der Frage der Netzsperren. Weitere Maßnahmen wie Online-Durchsuchungen müssen auf den Prüfstand. Wir brauchen jetzt in meiner Partei und darüber hinaus aber auch eine Debatte über Themen wie Netzneutralität, die Förderung von Open-Source-Projekten, Urheberrechtsfragen oder Maßnahmen zu demokratischen Beteiligungsformen im Netz. Diese Debatte soll aus meiner Sicht nicht zwischen Politikern in Hinterzimmern geführt werden, sondern mit denjenigen, die sich im Netz bewegen und die das nötige Know-How und den politischen Gestaltungswillen mitbringen um eine moderne Netzpolitik zu entwickeln. Ich werde in den kommenden Wochen und Monaten auf die Netzgemeinde zu gehen, werde zuhören, werde Diskussionen anstoßen, Ideen aufnehmen und am Ende dieses Diskussionsprozesses politische Initiativen einleiten.

Sie fragen mich was Sie tun sollen wenn ich mich nicht an mein Wort halte. Zunächst einmal bitte ich Sie um einen Vertrauensvorschuss. Ich bin nun seit knapp zwei Monaten im Bundestag. Ich fange gerade erst an. Wenn Sie in einem halben Jahr das Gefühl haben, dass ich zu wenig oder das Falsche getan habe, dann kommen Sie hier oder per Mail oder in den verschiedenen sozialen Netzwerken auf mich zu. Ich brauche die Rückmeldung von Menschen wie Ihnen. Wenn Sie Ideen für eine moderne Netzpolitik haben dann bin ich dankbar für jede Anregung, die Sie mir zukommen lassen.

Ich glaube an die Chancen und Möglichkeiten eines freien und demokratischen Internets und ich brauche viele in und außerhalb der Politik, die sich mit mir auf den Weg machen, um politische Antworten auf die Herausforderungen einer digitalisierten Welt zu geben.

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