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Kurt Bodewig
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Frage von Timo T. •

Frage an Kurt Bodewig von Timo T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Als Wähler aus Ihre Wahlkreis folgendes Anliegen: Begründen Sie bitte möglichst detalliert Ihre Zustimmung zur Voratsdatenspeicherung, insbesondere unter Berücksichtigung folgender Fragen:

Wie rechtfertigen Sie, dass für die Strafverfolgungsbehörden Zugriffsmöglichkeiten auf einen Datentopf geschaffen werden, in dem ohne jeden konkreten Verdacht und ohne konkreten Anlass private Verbindungsdaten der Telekommunikation gesammelt werden, die zum Beispiel Rückschlüsse über meine Kontakte und meinen Aufenthaltsorte zulassen?

Wie können Sie sicherstellen, dass diese Daten nicht für unbefugte Zwecke missbraucht werden bzw, dass die im Gesetz genannten Zwecke nicht noch wesentlich erweitert werden?

Aufgrund meiner vertraglichen Vereinbarungen mit Telekommunikationsunternehmen, die Leistunge wie E-Mail-Verkehr, IP- und Mobilelefonie unabhängig von Verbindungsdauer und Anzahl der Verbindungen pauschal abrechnen (sog. Flatrate) ist die Erhebung einzelner Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken nicht erforderlich. Zwingt das neue Gesetz die Unternehmen jetzt, die Daten dennoch zu sammeln und falls ja, wie verträgt sich diese Auswirkung des Gesetzes mit dem Grundsatz der Datenvermeidung?.
Anders gefragt: Werden künftig Telekommunikationsdaten allein aufgrund des Gsetzes zur Vorratsdatenspeicherung erhoben und gesammelt?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Thalmann,

leider ist es mir erst jetzt möglich, auf Ihre Frage zum „Gesetz zur Novelle der Telekommunikationsüberwachung und zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung“ zu antworten.

Bevor ich Ihnen erkläre, warum ich mich trotz einiger vorhandener politischer Problemstellungen schließlich dazu entschieden habe, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, möchte ich Ihnen kurz Einiges zum Gesetzentwurf selbst erläutern.

Das Gesetz setzt die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht um. Es novelliert die geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung zur Telekommunikationsüberwachung und anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen und verleiht ihnen durch eine rechtsstaatliche Eingrenzung einen Charakter, der die Grund- und Bürgerrechte der Menschen mehr schützt. Denn für die Anordnung dieser Maßnahmen gelten ausgesprochen strenge Vorraussetzungen und sehr hohe Hürden.

Im Bewusstsein der Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung haben die Mitglieder der SPD-Bundestagfraktion ihre Verpflichtung für Bürgerrechte ernst genommen und dafür Sorge getragen, dass die EU-Vorgaben so grundrechtsschonend wie möglich gestaltet wurden. Gegen den Widerstand vieler anderer Mitgliedsstaaten ist es Deutschland dann auch gelungen, dass die Mindestspeicherdauer auf sechs Monate – statt der ursprünglich auf EU-Ebene diskutierten 36 Monate – beschränkt wurde. Dies ist ein vom Deutschen Bundestag wirksam unterstützter Verhandlungserfolg der Bundesregierung auf EU-Ebene.

Die künftig zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen üblicherweise schon heute zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzu kommt nur, dass bei Mobilfunktelefonaten auch der Standort (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen nicht gespeichert werden.

Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das Telekommunikationsunternehmen lediglich, welchem Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung, nicht dagegen, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.

Die Daten werden – wie bisher – nur bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Wie bisher können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.

Meine persönliche Entscheidungsfindung basiert auf der Überlegung, dass die insbesondere durch den internationalen Terrorismus und dessen Folgeerscheinungen entstandene labile Sicherheitslage auch in Deutschland neue Antworten braucht. Insbesondere durch die rasante Entwicklung der Telekommunikation sind auch in diesem Bereich Maßnahmen zur Verhinderung schwerster Straftaten notwendig.

Andererseits finde ich es wichtig, zu beachten, dass Freiheitsrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung konstitutiven Charakter für die Existenz unseres Gemeinwesens haben. Es ist schwierig, dass in der hier zur Diskussion stehenden Frage Freiheit und Sicherheit gegeneinander aufgewogen werden müssen, zumal niemand eine absolute Sicherheit gegen jede Form der Gefährdung durch kriminelles Handeln geben kann.

Selbstverständlich ist es ein gravierender Unterschied, die Telekommunikationsunternehmen nun zu etwas zu verpflichten, das ihnen zuvor lediglich gestattet war. Es ist meiner Ansicht nach nicht von der Hand zu weisen, dass mit der Speicherung der im Gesetz aufgeführten Daten zum Zwecke der Strafverfolgung ein Generalverdacht gegen alle Bürgerinnen und Bürger entsteht, die solche Kommunikationsmittel benutzen.

Der Grund, warum ich trotz dieser Überlegungen dem Gesetzentwurf zugestimmt habe, ist, dass es den Rechtspolitikern der SPD-Bundestagsfraktion gelungen ist, hohe Hürden für die Umsetzung dieser problematischen Restriktionen darin zu implementieren. Die generell erforderliche Anordnung der Maßnahmen durch einen Richter, das ausdrückliche Verbot des Rückgriffs auf Informationen, die zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehören, die Beschränkung des Zugriffs und der Verwertung der Daten auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ machen die anstehenden Veränderungen meiner Ansicht nach akzeptabler und meine Zustimmung vertretbar. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären würde.

Mit freundlichen Grüßen

Kurt Bodewig