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Frage von Johannes S. •

Frage an Kurt Beck von Johannes S. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Beck,

als Schüler des Leistungskurses Sozialkunde des Gymnasiums auf der Karthause, Koblenz, und künftige Erstwähler haben wir folgende Thesen zum Thema Politik/ Verwaltung ausgearbeitet, zu denen wir gerne Ihre Meinung hören möchten:

1. Sollen die vielen kleinen Kommunen zum Abbau von Bürokratie zu größeren Kommunen zusammengefasst werden?
2. Sollen Landkreise zusammengelegt werden?
3. Soll das Wahlrecht für Landtagswahlen ab dem 16. Lebensjahr gelten?
4. Soll es zukünftig Bürger- bzw. Volksentscheide (z.B. über die weitere Planung des Nürburgrings) geben?
5. Rechtsextreme Veranstaltungen sollten weiterhin mit großem Aufwand seitens des Landes eingedämmt werden.
6. Soll sich Rheinland-Pfalz für ein Verbot der NPD einsetzen?
7. Sollen Ausgaben des Landes ab einer gewissen Größenordnung vom Volk legitimiert werden (nicht bei Ausgaben im Finanzsektor)?

Wir freuen uns über Ihre Antworten.

Mit freundlichem Gruß

Johannes Siba

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums auf der Karthause in Koblenz, sehr geehrter Herr Siba,

über Fragen von Erstwählern freue ich mich ganz besonders! Gerne beantworte ich Ihre Fragen:

1. Sollen die vielen kleinen Kommunen zum Abbau von Bürokratie zu größeren Kommunen zusammengefasst werden?

Seit der letzten Kommunal- und Verwaltungsreform vor 30 Jahren hat sich die Bevölkerungsverteilung in Rheinland-Pfalz stark verändert, das Verhältnis von betreuten Einwohnerinnen und Einwohnern zu der Größe der jeweiligen Verwaltung ist vielerorts nicht mehr angemessen. Der demografische Wandel verlangt es, dass wir uns auf sie sich wandelnde Alterszusammensetzung der Bevölkerung rechtzeitig einzustellen. Deshalb haben wir die Kommunen aufgefordert, der Landesregierung vorzuschlagen, mit welchen anderen Kommunen sie sich eine Fusion vorstellen könnten. Damit wird den Verantwortlichen vor Ort bis Mitte 2012 die Zeit gegeben, freiwillig und unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger über die Zukunft ihrer Gebietskörperschaft zu entscheiden. Wir unterstützen die Kommunen bei diesem Prozess intensiv. Darüber hinaus setzen wir gezielt finanzielle und förderrechtliche Anreize, um die Neuordnung der Gebietskörperschaften voran zu treiben.

Neben der Kostenreduzierung durch die effizientere Verwaltungsstruktur steht noch ein weiteres, mindestens genauso wichtiges Ziel im Mittelpunkt der Reform: Aufgaben und Verantwortungsbereiche der Verwaltung sollen stärker abgegrenzt werden. Für die Bürgerinnen und Bürger muss besser erkennbar sein, wofür Land und Bund in der Verantwortung stehen und was unsere Städte, Gemeinden, Verbandsgemeinden und Landkreise in Selbstverwaltung zu leisten haben. Durch die Kommunal- und Verwaltungsreform soll für die nächsten Jahrzehnte auch in einer älter werdenden Gesellschaft eine bürgernahe und moderne Kommunalverwaltung gut gewährleistet sein.  

2. Sollen Landkreise zusammengelegt werden?

Die vom rheinland-pfälzischen Landtag beschlossenen Gesetze sehen keine Änderung der Zuschnitte der Landkreise vor. Ebenso sollen alle Ortsgemeinden in ihrer jetzigen Form erhalten bleiben.

3. Soll das Wahlrecht für Landtagswahlen ab dem 16. Lebensjahr gelten?

Klare Antwort: Ja. In den Gesprächen mit Jugendlichen erleben meine Kollegen und ich immer wieder den Wunsch und den Willen vieler junger Menschen, sich verstärkt in die Gesellschaft einzubringen und sich an der politischen Willensbildung zu beteiligen. Der Wunsch nach einem früheren Wahlrecht scheint sich bei vielen Jugendlichen in den letzten Jahren deutlich verstärkt zu haben. Dies wurde uns in Gesprächen deutlich signalisiert und bestätigt auch die Erfahrungen vieler unserer Kommunalpolitikerinnen und -politiker vor Ort.

Daher fordern wir in unserem Wahlprogramm, Jugendlichen bereits ab dem 16. Lebensjahr die Möglichkeit zu geben, kommunale Räte und den Landtag zu wählen. Mit dieser Ausweitung des Wahlalters wird der Wunsch vieler junger Menschen, sich aktiv zu beteiligen, erfüllt und letztendlich die Demokratie gestärkt. Junge Menschen sind die Zukunft unseres Landes, daher wollen wir ihnen auch das Recht geben, über politische Entscheidungen, die ihre persönliche Zukunft betreffen, abzustimmen.  

4. Soll es zukünftig Bürger- bzw. Volksentscheide (z.B. über die weitere Planung des Nürburgrings) geben?

Die derzeitig vorhandenen Möglichkeiten unseres Rechtssystems, Bürgerinnen und Bürger bei Großprojekten zu beteiligen, reichen meiner Meinung nach nichts aus, dem Mitbestimmungswillen der Menschen in Rheinland-Pfalz gerecht zu werden. Ich habe deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die konkrete Vorschläge dafür erarbeitet, wie die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig, umfassend und in verständlicher Form informiert, über aktuelle Entwicklungen und Planungsschritte auf dem Laufenden gehalten und an Entscheidungen in allen Phasen beteiligt werden können. Als Vorgriff auf dieses Beteiligungskonzept werden wir bei der Planung für den Bau der Brücke im Mittelrheintal die „erweiterte Bürgerbeteiligung“ sozusagen als Modellprojekt einführen.

5. Rechtsextreme Veranstaltungen sollten weiterhin mit großem Aufwand seitens des Landes eingedämmt werden.

Der Verfassungsschutz beobachtet die rechtsextreme Szene sehr genau. Im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten werden Aufmärsche, Konzerte oder Propagandaaktionen bereits im Vorfeld untersucht durch geeignete Mitteln eingegrenzt. Zudem wird mit einem Aussteigerprogramm für Rechtsextreme geholfen, Wege aus dem gewaltbereiten und menschenverachtenden Milieu zu finden.

Besondere Aufmerksamkeit widmen wir den Bemühungen von Rechtsextremisten, Jugendliche in ihr Fahrwasser zu ziehen. Wir werden weiter daran arbeiten, ihren gesellschaftlichen Nährboden trocken zu legen. Eine erfolgreiche Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, viele Projekte und Maßnahmen der Sozial- und Jugendpolitik, gezielte Aufklärung und politische Bildung helfen dabei.

6. Soll sich Rheinland-Pfalz für ein Verbot der NPD einsetzen?

Immer wieder fordern meine Fraktion und ich, das Verfahren zum Verbot der NPD wieder aufzunehmen. In meinen Augen ist es ein kaum zu ertragender Widerspruch, dass rheinland-pfälzische Polizisten Naziaufmärsche schützen müssen. Wir dürfen in unserem Land kein rechtsextremes Gedankengut tolerieren. Daher wollen wir als weltoffenes und tolerantes Land ein klares Zeichen setzen und die NPD verbieten.

7. Sollen Ausgaben des Landes ab einer gewissen Größenordnung vom Volk legitimiert werden (nicht bei Ausgaben im Finanzsektor)?

Haushaltsberatungen sind auf allen Ebenen sehr komplex, auf Landesebene außerdem sehr umfangreich. Daher halte ich es für den effizientesten und vernünftigsten Weg, den Landeshaushaushalt von den gewählten und somit legitimierten Vertreterinnen und Vertretern im Landtag beraten und beschließen zu lassen. In Bezug auf Großprojekte, die die Einwohner direkt und nachhaltig betreffen, setzen wir uns jedoch für eine erweitere Bürgerbeteiligung ein, wie ich es bereits bei einer Ihrer vorigen Fragen erläutert habe. Auf kommunaler Ebene haben bereits einige Städte in Rheinland-Pfalz erfolgreich sogenannten Bürgerhaushalte eingeführt. Bei dieser Form der Beteiligung können die Bürgerinnen und Bürger direkten Einfluss auf die öffentlichen Ausgaben ihrer Kommune nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Kurt Beck