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Katja Dörner
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Frage von Frank L. •

Frage an Katja Dörner von Frank L. bezüglich Verkehr

Hallo Frau Dörner,

ist lange her, dass ich mal daran gedacht habe, Grün zu wählen. Durch Bonn mit dem Fahrrad ist schon fast ein Verstoß gegen das Menschenrecht auf Unversehrtheit im Straßenverkehr, so ist das wohl überall. Aber ich finde ich es gut, dass die Grünen sich für eine Extraspur auf Autobahnen nur für Motorräder einsetzen, Zukunft wird halt aus Mut gemacht. Aber mal ehrlich, wie sieht es denn damit aus, die Innenstädte in Deutschland komplett und bundesweit autofrei zu machen, dafür große Parkplätze ausserhalb und mehr Elektroshuttles, das wäre ein Fortschritt von fast nicht vorzustellbaren Ausmaßes, viele Bürger würden dann auch nicht mehr so intensiv an Auswanderung denken und dann könnte man vielleicht auch auf die ganze Dieseldiskussion verzichten, ganz zu Schweigen von der hinzugewonnenen Lebensqualität, oder nicht?

Mit fahrradlichen Grüßen

F. L.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr L.,

vielen Dank für Ihre Nachricht.
Für uns haben die Verkehrsmittel Fahrrad und E-Bike eine zentrale verkehrspolitische Bedeutung. Wo Fahrräder gut und sicher vorankommen, vermindern sie die Verkehrsdichte und reduzieren Staus und Abgase. Das ist nicht nur gut für die CO2-Bilanz und die Luftreinhaltung in Städten, sondern bringt auch diejenigen besser voran, die auf das Auto angewiesen sind. Städte auf der ganzen Welt machen vor, dass sich die Lebensqualität erhöht, wenn die Stadtentwicklung auf mehr Radverkehr setzt.

Wir wollen die Haushaltsmittel für den Radverkehr deutlich erhöhen. Wir fordern im ersten Schritt, die Bundesmittel für Radwege an Bundesstraßen von aktuell rund 100 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro pro Jahr zu verdoppeln. Die Mittel für Radschnellwege wollen wir unverzüglich von 25 Millionen auf 100 Millionen vervierfachen und in den kommenden Jahren weiter bedarfsgerecht steigern. Zudem setzen wir uns für Kaufanreize für elektrisch unterstützte Lastenräder ein und fordern ein zeitlich befristetes Bundesprogramm für den Aufbau 2000 E-Lastenrad-Verleihstationen. Den Nationalen Radverkehrsplan wollen wir finanziell besser ausstatten, damit er endlich in die Praxis umgesetzt werden kann.

Wir wollen dass sich der Bund stärker an der Gemeindeverkehrsfinanzierung beteiligt, den Umweltverbund stärken und die Mittelzuweisungen auf den Radverkehr ausdehnen. Wir fordern, die Mittel des Bundes für den Nahverkehr auf 1 Milliarde Euro pro Jahr zu verdreifachen und setzen uns für zweckgebundene Mittel für den Radverkehr ein. Bezüglich der den Ländern vom Bund bereitgestellten Entflechtungsmittel obliegt es den Ländern eine Zweckbindung für den Radverkehr festzulegen.

Wir setzen uns für eine bessere Radinfrastruktur ein und fordern deutlich mehr Platz für den Radverkehr. Um den Ausbau der Radinfrastruktur voranzutreiben, wollen wir die Empfehlungen der für Radverkehrsanlagen der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (ERA 2010) als verbindlichen Qualitätsstandard für mit Bundesmitteln finanzierte Radwege festlegen. Zudem wollen wir den Zustand der Radwege in der Baulast des Bundes regelmäßig erfassen.

Wir unterstützen das Ziel Vision Zero. Damit Radfahren in Deutschland für alle Menschen leichter, bequemer und sicherer wird, wollen wir die Fahrradinfrastruktur deutlich verbessern und den Radfahrern mehr Verkehrsraum einräumen. Zudem wollen wir das Straßenverkehrsrecht umfassend reformieren. Dazu gehört die Ausrichtung der StVO an umweltfreundlichen Verkehrsträgern, der Rechtsabbiegepfeil für Radfahrende und verpflichtende Abbiegeassistenzsysteme. Da Tempo 30 die Verkehrssicherheit erwiesenermaßen erhöht, sollen Kommunen die Möglichkeit erhalten, auf allen Straßen eigenständig und unbürokratisch über die Einführung von Tempo 30 zu entscheiden.
Wir wollen, dass Radfahren in Deutschland keine Abenteuerlust erfordert und für alle Menschen leichter, bequemer und sicherer wird. Gebraucht wird ein intuitiv verständliches, durchgängiges Radverkehrssystem, das ein sicheres und zügiges Vorankommen ermöglicht. Hierbei ist es für uns nicht ausreichend, lediglich Schutzstreifen auf der Straße zu markieren. Wir fordern ein sicheres Radverkehrssystem mit geschützten Radspuren, Radschnellwegen und einem bundesweiten Netz von hochwertigen Radfernwegen.

Auch in NRW stehen Politik und Verkehrsplanung unter massivem Handlungsdruck: verstopfte Innenstädte, täglicher Stau und Stress auf Straßen und Autobahnen; damit einhergehend Umweltverschmutzung, Lärm, Feinstaub und andere Nachteile durch den Autoverkehr. Aber auch Busse und Bahnen sind inzwischen streckenweise chronisch überlastet. Der Radverkehr bietet Potentiale und Lösungsoptionen, deren Nutzung unerlässlich ist.
Der klassische Denkansatz, der das Fahrrad vorzugsweise als Verkehrsmittel auf Kurzstrecken von bis zu drei Kilometern sieht, ist überholt. Auch mit der steigenden Nutzung von E- Fahrrädern vergrößern sich entscheidend die zurückgelegten Distanzen und diversifizieren sich die Einsatzzwecke. Hierfür braucht es eine Radinfrastruktur, die dieser Entwicklung gerecht wird. NRW hat hier angesetzt und unter der vorherigen Landesregierung mit dem Radschnellweg Ruhr RS1 als bundesweitem Pilotprojekt, sechs weiteren laufenden Radschnellweg-Projekten und der Anpassung des Straßen- und Wegegesetzes bislang eine bundesweite Vorreiterrolle eingenommen. Dies gilt es auch unter der neuen Landesregierung voranzutreiben.

In Bonn gibt es noch erhebliche Optimierungsmöglichkeiten. Mit dem Fahrradkonzept haben die Grünen im Rat klare Zielvorgaben durchgesetzt und der Rat stellt für die Verbesserung der Infrastruktur und Attraktivitätssteigerung des Radverkehrs auch trotz der schlechten Haushaltslage erheblich Finanzmittel zur Verfügung. Bei der Umsetzung brauchen wir jedoch ein wesentlich schnelleres Tempo. Für uns ist und bleibt die Verbesserung der Radverkehrsstruktur und -bedingungen ein erklärtes Ziel. Die von der Kommunalpolitik bereits beauftragten Konzepte, so zu Fahrradstraßen, Fahrradverleihsystemen oder Abstellanlagen und Bike&Ride-Systemen bilden dafür die Grundlage. Sie müssen aber auch von der Verwaltung umgesetzt werden, damit sie mittel- und langfristig eine Wirkung erzielen können.

Freundliche Grüße
Katja Dörner