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Julia Schmidt
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Frage von André S. •

Frage an Julia Schmidt von André S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Schmidt, die Beantwortung nachstehender Fragen wäre hilfreich für meine Entscheidung am kommenden Sonntag:
1. 2015 belief sich das Umweltsteueraufkommen in der EU-28 auf insgesamt 359,3 Mrd. EUR (eurostat „Schlüsseldaten über Europa“, Ausgabe 2017). Das Umweltbundesamt in einer Verlautbarung vom 17.10. 2018 „Umweltbezogene Steuern und Gebühren“ (Anm.: in Deutschland): „Von 2000 bis 2017 haben sich die umweltbezogenen Steuern um!! (Anm.: nicht auf) 22,3 Prozent erhöht. Würden Sie bitte für Brandenburg/ Deutschland eine Evaluierung zur bisherigen Verwendung/Wirksamkeit dieses Aufkommens vornehmen? In welchem Kontext sehen Sie das bisherige Umweltsteueraufkommen zur nunmehr anstehenden CO2-Steuer (Gesamtsteuerbelastung/Steuereffizienz)?
2. In welcher Weise haben Sie sich in persona sowie Ihre Partei in der letzten Legislaturperiode um den Mittelstand und die Mittelschicht, insbesondere in Ihrem Wahlkreis, verdient gemacht?
Für Ihre Antwort bedanke ich mich im Voraus! Ihnen wünsche ich viel Erfolg bei der Wahl am kommenden Wochenende!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich natürlich gerne beantworte:

Wir sind selbstverständlich immer dafür politische Maßnahmen einer
kritischen und ehrlichen Überprüfung zu unterziehen. Dies gilt auch für
umweltbezogene Steuern. Unser Ziel ist es natürlich, dass wir diese
überprüfen, um zu schauen, ob sie so wirken, wie wir uns dies
vorgestellt haben. Wir sind offen dafür nachzubessern, wo
Verbesserungsbedarf besteht.

In der von Ihnen zitierten Publikation schreibt das Umweltbundesamt im
Übrigen auch "der Anteil umweltbezogener Steuern am gesamten
Steueraufkommen beträgt daher nur noch 7,7 %. Dies ist der niedrigste
Wert seit 1995". Die umweltbezogenen Steuern insgesamt sind also zwar
gestiegen, jedoch weniger als das Gesamtsteueraufkommen. Bei den
Umweltsteuern dominiert die Energiesteuer mit einem Anteil von deutlich
über 50% der Einnahmen. Die Wirkung dieser Steuer lässt sich gut daran
erkennen, dass vor allem Fahrzeuge mit hoher Kilometerleistung
Dieselfahrzeuge sind, für Dieselkraftstoff sieht die Energiesteuer
nämlich eine Ermäßigung vor.

Für uns gehört zur Steuergerechtigkeit, dass neben der Belastung
abhängig vom Einkommen, auch eine Belastung abhängig von den
Auswirkungen des Konsums auf Gesellschaft und Umwelt berücksichtigt
wird. Wir wünschen uns daher z.B. bei der KFZ-Steuer eine
Differenzierung nach Größe und CO2-Ausstoß pro Kilometer. So würde ein
weiterer Anreiz gesetzt, kleinere und verbrauchsärmere Fahrzeuge zu
nutzen. Nebenbei sind die volkswirtschaftlichen Kosten eines
Autokilometers ebenfalls abhängig von diesen Parametern und in aller
Regel höher als die KFZ- und Energiesteuer, die jeweils abgeführt werden.

Der Vorteil einer CO2-Steuer ist eine sehr hohe Effizienz. So wären
keine Ausnahmen mehr für bestimmte Kraftstoffsorten, wie bei der
Energiesteuer, keine Ausnahmen für Elektroautos, wie bei der KFZ-Steuer
und überhaupt kein Erheben der Stromsteuer mehr notwendig. Das gesamte
Steuersystem könnte also effizienter und übersichtlicher werden. Die
individuelle Steuerbelastung ist aus unserer Sicht auch fairer, wenn
nicht einfach pauschal "Konsumsteuern" erhoben werden, sondern
insbesondere Steuern
für Schäden, deren Kosten wir als Gesellschaft tragen müssen. Auf diese
Weise lassen sich Lärmschutz-, Emissionsschutz- und Klimaschutzmaßnahmen
finanzieren, was uns allen zugute kommt. Damit insbesondere
einkommensschwache Haushalte nicht übermäßig belastet werden, sollen die
Einnahmen als Energiegeld allen Bürgerinnen und Bürgern zurückgezahlt
werden.

Bisher habe ich noch kein Landtagsmandat inne, aber als Stadtverordnete
in Hohen Neuendorf sowie Kreisrätin im Landkreis Oberhavel setze ich
mich für kleine und mittelständische Betriebe ein. Erst vor kurzem
hatten wir im Finanzausschuss die Unternehmergemeinschaft Hohen
Neuendorf (UGHN) zu Gast, die über ihre Arbeit als lokales Netzwerk
berichtete. Solche Netzwerke möchte ich als Landtagsabgeordnete stärken.
Als Fotografin war ich lange Zeit selbstständig und unterhielt auch ein
eigenes Studio. Daher kenne ich die Hürden bei Unternehmensgründungen,
gerade bei kleinen und mittelständigen Unternehmen.

Als Grüne möchte ich verstärkt den Kontakt zum Handwerk suchen, weil wir
diese für die Energiewende brauchen. Man denke an Gebäudedämmung,
Heizungstechnik oder das Installieren von Solaranlagen. Die Energiewende
schafft hier also Arbeitsplätze in der Region. Auch entstehen neue
Arbeitsplätze durch mittelständische Unternehmen, die entsprechende
Produkte und Anlagen entwickeln und produzieren, die dann durch das
Handwerk montiert werden. Als Ihre Landtagsabgeordnete möchte ich ich
mich dafür einsetzen, dass diese Unternehmen mit guten Jobs hier in
Brandenburg entstehen. Dafür will ich im Landtag entsprechende
Rahmenbedingungen und Förderstrukturen schaffen.

Durch eine Reform der EU-Agrarsubventionen wollen wir kleine
landwirtschaftliche Betriebe fördern. Diese leisten oft auch einen
Beitrag zur Landschaftspflege, den wir honorieren wollen. Die bisherige
Praxis die meisten Gelder hauptsächlich pro Fläche auszuzahlen, wovon
vor allem Großkonzerne profitieren, wollen wir ändern.

Den Mittelstand stärken wir auch durch eine gerechtere Besteuerung. Denn
während Amazon über komplexe Firmenkonstrukte in Deutschland quasi keine
Steuern bezahlt, muss der lokale Buchhändler Gewerbesteuer und andere
Abgaben zahlen. Hier in Oberhavel wollen wir die lokale
Kreislaufwirtschaft fördern. Wenn wir verstärkt Obst und Gemüse aus der
Region konsumieren, Strom und Wärme vor Ort produzieren usw. entstehen
neue Arbeitsplätze, steigt die Lebensqualität durch weniger Lärm und
Abgase und werden CO2-Emissionen eingespart.

Hier möchte ich auch noch einmal den Bogen zur ersten Frage schlagen.
Vor allem Mittelständler stärken die Region durch Sponsoring von
Vereinen, das Anbieten von Ausbildungsplätzen und anderes Engagement,
während z.B. internationale Konzerne wie Google und Facebook sich
diesbezüglich aus der Verantwortung ziehen. Wir wollen daher die großen
Konzerne stärker an den Kosten der Daseinsfürsorge beteiligen, im
Gegenzug könnten kleine und mittelständische Betriebe entlastet werden.
Es gibt für diese Vorgehensweise bereits positive Beispiele wie die
Digitalsteuer in Frankreich.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort bei Ihrer Entscheidung am
Sonntag weiterhelfen.

Viele Grüße,
Julia Schmidt